Diese sehr smarte Logistik-Lösung sieht gar nicht nach Roboter aus: zwei lange Metallkufen in einem Gestell am Boden. Doch auf ein Funksignal hin werden sie aktiv, Leuchtstreifen an der Seite blinken und die flachen Apparate fahren vor, drehen sich und gleiten auf eine hoch beladene Palette zu. Zielsicher schieben sie sich unter den Holzträger, genau dorthin, wo sonst ein Gabelstapler ansetzen würde. Ein kurzes Surren, dann wird die tonnenschwere Last angehoben und die Palette beginnt, durch den Raum zu gleiten, wobei sie Menschen und anderen Hindernissen sicher ausweicht – dank Laserscannern in den selbstfahrenden Kufen.

Wie die Logistik-Zukunft aussieht, zeigt das DHL Innovation Center

Das Kufen-Roboterpaar ist die Logistik von morgen. Und wie diese Zukunft noch aussehen wird, darum geht es im neuen DHL Innovation Center in Troisdorf zwischen Köln und Bonn – eine von vier Einrichtungen dieser Art, die DHL weltweit unterhält. DHL demonstriert Geschäftskunden hier allerneueste Logistik-Lösungen und erforscht potenzielle Anwendungen. „Unser Ziel ist, mit den Kunden individuell ins Gespräch zu kommen und gemeinsam neue Lösungen zu finden“, sagt Klaus Dohrmann, Global Head of Innovation & Trend Research bei DHL.

Das neue Gebäude in Troisdorf hat viel Platz für Innovation: mehr als 5300 Quadratmeter, ein innovativer Holzbau mit viel natürlichem Licht, der komplett emissionsfrei betrieben wird – Nachhaltigkeit ist zentraler Bestandteil der DHL-Konzernstrategie. Dabei ist das Anfang Oktober eröffnete Innovation Center mehr als ein reiner Technik-Showroom. Die Mitarbeiter hier analysieren Technik- und Logistiktrends, Forschungsergebnisse, Innovationen aus der ganzen Welt. Alle zwei Jahre werden die Ergebnisse der Untersuchungen im „Logistics Trend Radar“ zusammengefasst. Die Studie zeigt im Detail, was die Zukunft der Logistik bestimmen wird, in welchem Maße und auch wann.

Das Ergebnis ist eine Landkarte der wichtigsten sozialen, wirtschaftlichen und technologischen Trends. Dohrmann: „Es ist nicht nur wichtig, Trends im Blick zu behalten, sondern mit unseren Kunden auch herauszuarbeiten, was sie konkret bedeuten und wo in der Logistik sie sinnvoll Anwendung finden können.“

Gemeinsame Innovation: DHL arbeitet mit mehr als 150 Start-ups

Innen im Gebäude: riesige Bildschirme, futuristische Möbel und dazwischen immer wieder weiße Präsentationstheken mit neuester Technik. Die Ausstellung ist in zahlreiche „Trend-Inseln“ aufgeteilt, wobei Robotics, künstliche Intelligenz und Nachhaltigkeit die Schwerpunkte bilden – das sind die Themen, die DHL-Kunden derzeit am meisten umtreiben.

Beim Blick in die Zukunft setzt DHL gezielt auf „Co-Creation“: Neben eigenen Lösungen präsentiert das Unternehmen viele Innovationen, die zusammen mit Partnern entwickelt wurden. DHL kooperiert allein mit über 150 neuen Start-ups jährlich. Die selbstfahrenden Paletten-Kufen zum Beispiel stammen von der jungen Münchner Firma „Filics“ und sind in einem DHL-Hub schon im Langzeittest.

„KI inside“ gilt für fast alle im Innovation Center vorgestellten Technologien – künstliche Intelligenz ist eingebaut. „Logistik ist ein besonders gutes Einsatzgebiet für KI, weil es hier so viele verschiedene Güter und komplexe Prozesse gibt“, sagt Klaus Dohrmann.

Ein Beispiel für mit KI smart gemachte Logistiktechnik ist der Rollwagen „Carter“. Dank KI-Kameras bewegt er sich selbstständig und sicher zwischen menschlichen Kollegen. Die Mitarbeiter können ihn ganz einfach zu einem beliebigen Punkt eines Logistikzentrums schicken. So kommt die Ware zum Menschen – und nicht umgekehrt. Das verhindert unnötige Laufwege und senkt die körperliche Belastung. Wichtig gerade in der Logistikbranche, die mit Arbeitskräftemangel kämpft – wenn Tätigkeiten einfacher und körperlich weniger fordernd werden, wird das Berufsfeld attraktiver.

Am besten funktionieren Mensch-Maschine-Teams

KI kann auch dabei helfen, Arbeitsunfälle zu verhindern. Wie das funktioniert, demonstriert DHL im Innovation Center anhand des Systems „Protex AI“: Es wertet die Bilder von den Überwachungskameras aus, die in vielen Logistikbetrieben schon installiert sind, und achtet dabei auf gefährliche Situationen – Fachleute sprechen von „Near Misses“. Das kann zum Beispiel ein Gabelstapler sein, der beim Zurücksetzen eine Person übersieht, oder ein wackeliger Kartonstapel. Solche kritischen Elemente werden im Videomaterial von der KI rot markiert, sodass die Verantwortlichen die Gefahrenquelle beseitigen können. Dadurch wird eine gefährliche Lücke geschlossen – schließlich kann ein menschlicher Arbeitsschutzbeauftragter seine Augen nicht überall haben.

„Menschliche Arbeit mit KI sicherer, körperlich einfacher und zugleich produktiver machen – das ist die Innovationsagenda für die kommenden Jahre“, sagt Klaus Dohrmann. Erste Tests zeigen, dass Mensch-Maschine-Teams die Nase vorn haben. Als DHL den selbstfahrenden Rollwagen Carter unlängst an einem US-Standort einführte, stieg die Produktivität um 60 Prozent. „Davon profitieren letztlich auch die Endkunden“, sagt Dohrmann, „schließlich verbessern sich so Qualität und Geschwindigkeit in der Logistik.“

Der Roboter macht Inventur im gesamten Lager – jeden Tag

Auch die lästige Meldung „Ware nicht verfügbar“ könnte bald der Vergangenheit angehören. Dafür sorgt Dexory, ein weiterer Roboter, der in Troisdorf in Aktion zu sehen ist. Das säulenartige Gerät fährt durch die Gänge eines Lagers und erfasst über Kameras und LiDAR-Sensoren jeden Karton und jede Palette (LiDAR = Light Detection and Ranging, also optische Entfernungsmessung mit Laser). Dank eines ausfahrbaren Arms funktioniert das bis unter die Decke. „Aus den Daten wird automatisch ein digitaler Zwilling des Lagers erstellt“, sagt Julian Selders, Innovation Manager bei DHL. Heißt: Ein Computer erschafft ein digitales Abbild des Lagers inklusive der gelagerten Waren, Produkte, Objekte. So werden Lücken im Sortiment schnell sichtbar. Und weil dank Dexory jetzt täglich eine Inventur möglich ist, kann der Händler früher Ware nachbestellen.

Doch Auswahl und schnelle Lieferung sind nicht alles. 53 Prozent der europäischen Onlinekäufer wünschen sich mehr Umweltfreundlichkeit vom Onlinehandel, hat eine DHL-Umfrage ergeben. Deshalb nehmen nachhaltige Lösungen im neuen Innovation Center viel Raum ein. Die Besucher können sich zum Beispiel einen Volvo-E-Truck der neuesten Generation anschauen, sowie Lastenräder des Herstellers Rytle, die DHL bereits einsetzt.

Innovation ist gut für die Umwelt: So nachhaltig kann Verpackungsfolie sein

Mit solchen und anderen Verkehrsmitteln will das Logistikunternehmen sein Ziel erreichen, bis 2030 zwei Drittel aller Transporte auf der letzten Meile emissionsfrei abzuwickeln. Daneben werden ressourcensparende Verpackungslösungen gezeigt. „In Zusammenarbeit mit einem Partner nutzen wir eine mehr als 200-mal wiederverwendbare Palettenfolie“, sagt Julian Selders. Für diese nachhaltige Alternative ist es höchste Zeit: Allein in Europa werden jedes Jahr 1,5 Millionen Tonnen Kunststofffolie für das Umwickeln von Ladungsträgern verbraucht, sagt das Marktforschungsunternehmen MRA.

Nachhaltigkeit spielte auch beim Neubau des Innovation Centers selbst eine große Rolle. Das dreistöckige Gebäude wurde komplett aus Holz konstruiert, genauer gesagt: aus mit Biokleber verbundenen Holzplatten, der Fachausdruck ist „Cross Laminated Timber“. Sichtbar ist das im Gebäude vor allem an den dicken Deckenbalken. Auf Stahl, dessen Produktion viel Treibhausgas verursacht, wurde weitestgehend verzichtet. Diese Pionierarbeit hat das Projektteam mitunter herausgefordert. „Man muss zum Beispiel genauer planen, wo Leitungen und Rohre verlegt werden“, sagt Dora Virag, Director Innovation Center Development & Global OPS.

Nachhaltig gebaut, nachhaltig betrieben

Dafür ist die Umweltbilanz überzeugend: „Pro Quadratmeter sind 60 bis 80 Prozent weniger CO2 als in einem herkömmlichen Bürogebäude gebunden“, sagt Lucas Denison, Senior Project Coordinator beim Bauprojekt. Als eine von wenigen Immobilien in Deutschland hat das Center das anspruchsvolle Platin-Zertifikat der Deutschen Gesellschaft für nachhaltiges Bauen erreicht.

Und auch im Betrieb ist das neue Innovationszentrum klimaneutral. Es wird mithilfe von Wärmepumpen geheizt, der nötige Strom stammt aus der Photovoltaikanlage auf dem Dach und von einem zertifizierten Ökostrom-Anbieter.

Zudem war dem Projektteam wichtig, dass die Nachhaltigkeit noch weitergedacht wird. Schon bei der Planung wurde darauf geachtet, dass sich alle Baumaterialien am Ende des Lebenszyklus leicht trennen und recyceln lassen. Viele Elemente wurden verschraubt statt verklebt. Außerdem wurde ein Holzlieferant gefunden, der alle Materialien wieder zurücknimmt, damit sie anderweitig eingesetzt werden können. „Das gesamte Konzept kann durchaus eine Inspiration für zukünftige DHL-Gebäude sein“, sagt Dora Virag.

Und vielleicht auch für Logistikgebäude weltweit. Denn erneuerbare Energien, Zirkularität und nachhaltige Kraftstoffe sind in der Logistik aktuell die Themen mit der größten Wirkung. So steht es im aktuellen „Logistics Trend Radar“.

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