Die Commerz Real AG ist mit mehr als 35 Milliarden Euro verwaltetem Vermögen einer der größten Immobilien-Investoren Deutschlands. Der Hausinvest zählt nach wie vor zu den bedeutendsten Fonds für Privatanleger. Der Druck auf Henning Koch, seit 2021 CEO der Commerzbank-Tochter, ist entsprechend hoch – insbesondere, seit die Zinsen gestiegen und Immobilienanlagen alles andere als Selbstläufer sind. Auch Shopping-Center, einst ein Kerngeschäft der Commerz Real, liefern immer weniger Rendite ab.

Trotz allem glaubt Koch an den Standort Deutschland, kauft Gewerbeimmobilien und setzt auf Aufwertung. Investitionen in Wohnungen dagegen sieht der Manager kritisch.

WELT: Wie ist Commerz Real zurzeit geographisch aufgestellt, wie sehen Sie den deutschen Standort?

Henning Koch: In Deutschland sind wir am stärksten vertreten, dazu in den großen europäischen Märkten. Und auch hier sind wir optimistisch. Zurzeit wird häufig von asiatischen Märkten gesprochen, als die wirtschaftlich dynamischeren Standorte. Am Immobilienmarkt zeigen sich aber die Details: Die Rechtslage ist oft nicht ganz klar, vieles ist schon sehr teuer und wie lange die Wachstumsstory noch läuft, ist unklar. Wir haben deshalb unsere Investitionen dort deutlich reduziert und zum Beispiel unseren Bestand in Japan komplett verkauft. In den USA managen wir rund drei Milliarden Euro an Assets und haben dort ein kleines Team aufgebaut. Aber auch dort optimieren wir unser Portfolio: Jüngst konnten wir in Miami ein Luxus-Retail-Objekt mit rund 30 Prozent über Verkehrswert veräußern.

WELT: Ihr wichtigstes Produkt auch für Privatanleger ist weiterhin der Fonds Hausinvest mit 15,5 Milliarden Euro Vermögen. Da haben die vergangenen drei Jahre mit hohen Zinsen und unattraktiven Immobilienpreisen doch Spuren hinterlassen.

Koch: Ja, das ist zweifelsohne so. Aber wir haben die Energie in die Bestandsentwicklungen gelenkt: Alexanderplatz, Tucherpark, Projekte in Stuttgart, Köln und anderswo. Zugleich haben wir den Anteil von Shopping-Centern reduziert, unter anderem durch Verkäufe in Spanien und Italien. Strategisch wichtig ist uns, erneuerbare Energien stärker mit Immobilien zu verbinden – idealerweise auch im Hausinvest. Wir glauben, man muss Erzeugung und Verbrauch zusammen denken und Gebäuden möglichst eine autarke Energieversorgung ermöglichen. Regulatorisch ist das noch nicht überall machbar, aber das wäre die nächste Evolutionsstufe für offene Immobilienfonds.

WELT: Kaufen Sie derzeit Wohnimmobilien?

Koch: Klassisches Wohnen in Deutschland ist für uns aktuell kein Ankaufsschwerpunkt. Das liegt auch am Preisniveau. Die Regulierung ist starr, und kauft man ältere Bestände, ergeben sich zum Beispiel immer wieder politische Themen. Wenn wir in den vergangenen Jahren Wohnungen gekauft haben, dann gezielt Neubau-Entwicklungen. Zurzeit aber haben wir für reines Wohnen keine dedizierten Kapitaltöpfe. Anders sieht es bei „Smart Living“ aus – Studentenwohnen und Micro-Apartments – dort sind die Marktbedingungen attraktiver; dafür haben wir unseren European Smart Living Fund für institutionelle Investoren.

WELT: Wie blicken Sie grundsätzlich auf den Wohnungsmarkt? In manchen Städten sind die Preise wieder gestiegen. Ist das nachhaltig?

Koch: Man muss bei so einer Beurteilung sehr unterscheiden zwischen dem Anleger und dem Eigennutzer. Letztere treffen eine Lebensentscheidung, da gibt es eigentlich kein richtig oder falsch. Hier würde ich sagen: Zinsen haben sich etwas normalisiert, die Preise ebenfalls. Hier aus strategischen Gründen abzuwarten und zu glauben, dass es in den nächsten Jahren günstiger wird zu kaufen oder zu finanzieren, halte ich für falsch. Für institutionelle Investoren dagegen sind 25- bis 27-fache Faktoren …

WELT… also der Kaufpreis dividiert durch Jahresmieten …

Koch: … genau – solche Größenordnungen sind für jene schwer darstellbar, wenn man die Bewirtschaftung ehrlich rechnet. Ich beobachte da zurzeit Private-Equity-Anleger, die ältere Bestände zum 14- bis 15-fachen kaufen, mit niedrigen Bestandsmieten und in der Hoffnung auf Mietsteigerungen. Also, man kauft beispielsweise im Ruhrgebiet Wohnungen, die für sechs Euro vermietet sind. Und hofft dann, dass sich das irgendwie auf neun Euro heben lässt, ohne wirklich etwas zu investieren. Das ist nicht unser Ansatz; wir wollen keine Portfolios, die uns reputationsseitig ständig in die Defensive bringen, wo Mieter Protestlaken an die Balkone hängen.

WELT: Standort Deutschland: Arbeitsplätze in der klassischen Industrie verschwinden, das alte Geld, auch vererbtes Geld, wird aufgebraucht. Ist das nicht ein wackeliger Boden für Immobilieninvestitionen?

Koch: Überall höre ich: Viel schlechter sollte es nicht mehr werden. Aber ich sehe auch möglicherweise eine ganz neue Ära in Deutschland, mit Investitionsprogrammen, Infrastruktur, neuen Wirtschaftszweigen, die sich gerade entwickeln. Ja, Bürokratie und Verfahren sind zu kompliziert. Allerdings schimpfen wir Deutsche auch wahnsinnig gerne auf unser eigenes Land und erzählen dann, wie schön alles dort ist, wohin man in den Urlaub fährt. Nur schauen Sie mal genauer hin, in Wirtschaftsstandorte wie Frankreich oder selbst Großbritannien: Die Verschuldung zum Beispiel in Frankreich ist riesig, die Leute protestieren gegen alles. Da sind wir von der Stabilität hier doch gut aufgehoben. Realistisch wird unser Weg aber ein Langstreckenlauf: Ein bis zwei Generationen wird es dauern, bis wir wieder dort sind, wo wir sein sollten.

WELT: Wo positioniert sich da der Immobilien-Investor?

Koch: Wir spüren die Veränderung auch in der Immobilienbranche: Zurzeit bekommen wir viele Bewerbungen, die Leute sind bereit, große Abstriche zu machen. Wir sehen kaum Bauprojekte, in den Beständen der Investoren wird hin- und hergeschoben. Aber ich sehe auch neue Möglichkeiten: Wir wollen als privater Partner bei Infrastruktur helfen und Kapital mobilisieren – von Brücken über Schulen bis hin zu Energie. Dafür braucht es funktionierende Public-Private-Partnerships und eine lernfähige öffentliche Hand. Finde ich das jetzt toll, wie es gerade in Deutschland ist? Nein. Glaube ich daran, dass wir gute Voraussetzungen haben, das zu ändern? Ja. Regulatorisch hängt vieles an der Politik, aber auch in der Wirtschaft muss sich etwas bewegen.

Dieser Artikel wurde für das Wirtschaftskompetenzzentrum von WELT und Business Insider erstellt.

Michael Fabricius beschäftigt sich mit Immobilienthemen und schreibt für WELT über alles, was Eigentümer, Mieter und Investoren betrifft. Gemeinsam mit Michael Höfling ist er für den Immobilien-Newsletter „Frage der Lage“ verantwortlich. Sie können ihn hier abonnieren.

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