„Als wenn wir uns bei VW abwickeln und irgendwann nichts übrigbleibt“
Volkswagen kämpft in seinem Stammwerk in Wolfsburg mit Produktionsproblemen. Wegen der anziehenden Verkäufe von Golf, Tiguan und Tayron fährt der Konzern dort derzeit häufiger Wochenendschichten. Dennoch stehen offenbar die Bänder öfter still.
„Dabei gibt es Abläufe, die wegen technischer Probleme, Fehlteilen, aber auch hohen Abwesenheiten aktuell nicht immer rund laufen. Wir wissen das und arbeiten gemeinsam mit dem Betriebsrat daran, die Situation so schnell wie möglich zu verbessern“, sagte VW-Markenchef Thomas Schäfer am Dienstag bei einer Betriebsversammlung. Das geht aus einem im Intranet des Konzerns veröffentlichten Beitrag hervor, der WELT vorliegt.
Betriebsratschefin Daniela Cavallo hatte vor Schäfers Statement beklagt, das Werk „kranke“ an „technischen Ausfällen in der Produktion“. „Es gibt ja wohl nichts Schlimmeres als einen Schichtplan, bei dem man für Sonderschichten reinkommt und dann nicht arbeiten kann, weil die Maschinen und Anlagen das Problem sind“, sagte sie. Der Vorstand müsse Investitionen in die Anlagen freigeben. „So kann es definitiv nicht mehr weitergehen. Erstens erreichen wir so die gesteckten Ziele nicht und zweitens werden die Kolleginnen und Kollegen in der Fertigung immer mehr sauer gefahren“, sagte sie laut dem internen Bericht. Andernfalls werde das Stammwerk „aus Kostendruck kaputtgespart“.
Strategieprogramm „Boost 2030“ angekündigt
Zugleich wehrte sie sich dagegen, dass die Beschäftigten ab Oktober gezielt Überstunden auf ihren Arbeitszeitkonten aufbauen sollten, um diese dann abzufeiern, wenn das Werk in einigen Monaten für neue E-Automodelle umgerüstet werden soll und daher die Produktion in Teilen ruht. Stattdessen sollten Verträge von Leiharbeitern verlängert werden, forderte sie. Eigentlich will der Konzern solche Verträge auslaufen lassen, um die Kosten zusammen mit dem geplanten Abbau von 35.000 Stellen in den kommenden zehn Jahren zu senken.
Markenchef Schäfer kündigte zudem ein Strategieprogramm „Boost 2030“ an. Das Ziel: Die Marke Volkswagen soll damit bis 2030 zur technologisch führenden Volumen-Marke werden – angesichts der Herausforderer wie Tesla und der chinesischen Hersteller mit weit fortgeschrittenen Assistenz-Systemen ein hochgestecktes Ziel. Der Weg dorthin soll in den kommenden Wochen ausbuchstabiert werden.
Betriebsratschefin Cavallo lobte, das sei der richtige Weg zu einem Leitbild für die Zukunft. „Und das ist auch dringend nötig, denn aus allen Bereichen – von der technischen Entwicklung, über alle indirekten Geschäftsbereiche bis hin zur Produktion – schlägt uns immer wieder eine Stimmung entgegen, als wenn wir uns bei Volkswagen nach und nach abwickeln und dann irgendwann nichts mehr übrigbleibt. Es ist unser aller Aufgabe, dem entgegenzuwirken“, sagte sie.
Einigkeit demonstrierten Betriebsrat und Management auch mit Blick auf die Automesse IAA, die kommende Woche in München beginnt. Die Mitarbeiter bekamen einen Blick auf den Elektro-Polo ID.2, der Erfolg bei preisbewussten Privatkunden bringen soll. „Das ist eine große Wertschätzung in Richtung Belegschaft. Und es ist ein großer Vertrauensbeweis“, lobte Betriebsratschefin Cavallo.
Keine Neuigkeiten gab es zur Neubesetzung des vakanten Personalvorstandposten. Der bisherige Amtsinhaber Gunnar Kilian musste im Juni gehen. Als Grund wurde damals genannt, er habe das Vertrauen des Betriebsrats verloren und strategische Differenzen mit dem übrigen Top-Management.
„Der Vorstandsvorsitzende kann kein Halbtags-Chef sein“
Cavallo forderte allerdings erneut, VW-Konzernchef Oliver Blume müsse sein Zweitmandat als Porsche-Chef möglichst schnell aufgeben: „Der Vorstandsvorsitzende kann in Wolfsburg kein Halbtags-Chef sein und die restliche Zeit bei Porsche verbringen.“
Cavallo war am Montag als Spitzenkandidatin der IG Metall für die anstehende VW-Betriebsratswahl 2026 bestätigt worden. Knapp 300 Vertrauensleute der Gewerkschaft beteiligten sich an der Nominierung. Der Betriebsratschef bei VW hat traditionell eine stärkere Stellung als bei anderen Konzernen – auch, weil das Land Niedersachsen Großaktionär ist.
Dieser Artikel wurde für das Wirtschaftskompetenzzentrum von WELT und „Business Insider Deutschland“ geschrieben.
Christoph Kapalschinski ist Wirtschaftsredakteur. Er berichtet über die Auto-Branche.
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