„Rakete und Feder“-Effekt – darum ist Diesel gerade so teuer
Wer sich einen Diesel kauft, tut dies normalerweise wegen der Preisersparnis beim Tanken. Der Kraftstoff ist an den Zapfsäulen in der Regel deutlich günstiger als Benzin – und gleicht damit über längere Zeit die meist höheren Anschaffungskosten für den Diesel-Pkw aus.
Doch wer in den vergangenen Wochen an Tankstellen gehalten hat, hat nur selten günstige Diesel-Preise gesehen. Gerade im Juli lag Diesel fast gleichauf mit anderen Kraftstoffen, in Einzelfällen war Diesel sogar teurer als Benzin. Schuld daran sind geopolitische Konflikte – aber auch die Preispolitik der Mineralölkonzern. Und auch auf lange Sicht dürfte ein Diesel-Pkw in immer weniger Fällen rentabel sein.
Begonnen hat das aktuelle Preishoch beim Diesel im Juni. Von rund 1,54 Euro zu Beginn des Monats kletterte der Preis bis zum Ende des Monats auf 1,64 Euro – und bewegte sich damit parallel zum Ölpreis. Denn der war nach den Angriffen Israels und der USA auf den Iran in die Höhe geschnellt.
Auch die Benzinpreise waren zunächst angestiegen. Doch der Preis für E10 ist bereits Mitte Juli auf sein Ausgangsniveau zurückgekehrt. Diesel notiert indes noch immer über der Marke von 1,60 Euro.
Dass Diesel stärker auf internationale Krisen und Marktschwankungen reagiert, ist nicht ungewöhnlich. „Der Diesel ist krisenanfälliger, unter anderem, weil wir sehr viel mehr davon importieren“, heißt es vom ADAC. Tatsächlich wurden im Jahr 2024 laut dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) gut 32 Millionen Tonnen Diesel in Deutschland abgesetzt – fast 13 Millionen davon wurden importiert. Vom Kraftstoff Benzin wurden hingegen lediglich 18 Millionen Tonnen abgesetzt und zwei Millionen Tonnen importiert.
Besonders deutlich hatte sich die Importabhängigkeit Deutschlands nach dem russischen Überfall auf die Ukraine im Jahr 2022 gezeigt. Im Jahresschnitt lag der Diesel-Preis laut ADAC sogar mehr als acht Cent höher als der von E10.
Trotzdem müsste der Diesel-Preis an den Tankstellen eigentlich bereits stärker gesunken sein, kritisiert der ADAC. „Für das aktuell hartnäckige Preishoch beim Diesel gibt es eigentlich keinen Grund“, erklärt der Autofahrerclub gegenüber WELT. Denn das Hoch der Ölpreise hat nach den Angriffen auf den Iran bereits nachgelassen. „Mit Preissenkungen lassen sich die Konzerne nun aber speziell beim Diesel offenbar Zeit.“ Mehr noch: „Diesel müsste gemessen am Steuerunterschied rund 20 Cent günstiger sein als Benzin“, teilt der ADAC mit.
Kartellamt kritisiert Preisbildung bei Diesel
Auch das Bundeskartellamt hatte bereits im Februar wegen der Preisentwicklung nach Russlands Angriffskrieg die Wettbewerbsbedingungen im Mineralöl-Sektor ausgewertet – und gefolgert, dass die „Bedingungen für einen funktionierenden Wettbewerb im Mineralölbereich in Deutschland schwierig sind“, so Kartellamtschef Andreas Mundt.
Eines der Probleme sei die hohe Markttransparenz durch den Einfluss von Preisnotierungen. Dienstleistungsanbieter erstellen dabei Preisempfehlungen auf Basis von tagesaktuellen Meldungen und Informationen von Marktteilnehmern, beispielsweise über konkrete Geschäftsabschlüsse. Auf dieser Grundlage werden dann langfristige Lieferverträge festgelegt.
Allerdings werden diese in Deutschland maßgeblich von zwei Anbietern herausgegeben. Laut Kartellamtschef Andreas Mundt besteht dadurch das Risiko einer Kollusion, also „einer stillschweigenden Einigung der Marktteilnehmer auf ein Preisniveau, das über dem Wettbewerbspreis liegt.“ Außerdem könnten Marktteilnehmer die Preisnotierungen beispielsweise durch selektive Meldungen manipulieren.
Und: Es kommt laut dem Kartellamt immer wieder zum „Rocket-and-Feather“-Effekt, auf Deutsch „Rakete und Feder“. Während geopolitische Krisen durch einen Anstieg des Ölpreises etwa rasch zu steigenden Spritpreisen führen, lassen sich die Anbieter bei sinkenden Rohölpreisen Zeit, bis sie diese an Verbraucher weitergeben. Hier werden also erst Margen gesichert – und dann Gewinne mitgenommen.
Der Tankstellen-Interessenverband (TIV), der die Tankstellen-Pächter vertritt, begrüßt die klare Positionierung des Kartellamtes. „Die politische Absicht eines Wettbewerbs, in dem es eine Preiskonkurrenz gibt, die dem Verbraucher am Ende über Angebot und Nachfrage zugutekommt, wird durch das Preisbildungssystem ausgehebelt“, erklärte ein Sprecher gegenüber WELT.
Der TIV fordert deshalb mehr Transparenz über die Preise. „Durch die Markttransparenz kann ich fast in Echtzeit verfolgen, wie sich meine Wettbewerber im Markt verhalten.“ Wenn also jede Entwicklung im Markt auf Knopfdruck abrufbar sei und Preisänderungen ebenso direkt an die Tankstellen ausgespielt werden können, brauche es keine heimlichen Kartellabsprachen mehr.
Diesel immer seltener rentabel
Damit ist aber noch nicht das ganze Unheil von Diesel-Fahrern erfasst. Denn ein Großteil der Kraftstoffpreise basiert auf Steuern und Abgaben. Beim Benzin machen Energie- und Mehrwertsteuer sowie die CO2-Abgabe 61 Prozent, beim Diesel rund 53 Prozent des Preises aus, berichtete der ADAC zu Jahresbeginn. Während rein auf Abgaben-Basis also Diesel laut ADAC 20 Cent günstiger sein müsste als Benzin, ist das für die Zukunft alles andere als gesetzt.
Im Gegenteil: Wie es die EU-Richtlinie vorsieht, wird die CO2-Abgabe in den kommenden Jahren weiter ansteigen. Bereits jetzt ist Tanken und Heizen durch die nationale CO2-Bepreisung seit 2021 schrittweise teurer geworden – zuletzt Anfang des Jahres. Das soll den Ausstoß des Treibhausgases reduzieren und helfen, die Klimaziele zu erreichen. Beim Diesel ist die CO2-Abgabe knapp 2 Cent höher als beim Benzin.
Allerdings wird ab dem Jahr 2027 nicht mehr die Bundesregierung wie bisher Festpreise festlegen. Vielmehr wird der nationale CO2-Preis durch ein EU-weites Verfahren abgelöst, bei dem sich der CO2-Preis im freien Markt bildet. Der ADAC geht davon aus, dass die Spritpreise stark steigen werden – es sei ein weiterer Anstieg von bis zu 19 Cent pro Liter Benzin und Diesel möglich.
Die Folgen: Schon jetzt ist die Rentabilität eines Diesel-Kaufs fraglich. Die alte Faustregel, dass der Diesel-Pkw zwar teurer in der Anschaffung sein mag, man den Preisunterschied aber langfristig über die Ersparnis an der Zapfsäule wieder hereinfährt, gilt nur noch bedingt. „Früher hat sich ein Diesel-Pkw gegenüber einem Benziner ab circa 15.000 Kilometer jährlicher Fahrleistung finanziell gelohnt“, erklärt ein ADAC-Sprecher dazu. „Mittlerweile ist das oft erst ab über 20.000 Kilometern der Fall. Bei einigen Modellen rechnet sich der Diesel im Prinzip gar nicht mehr.“
Dieser Artikel entstand in Zusammenarbeit mit „Business Insider Deutschland“.
Steffen Bosse ist Wirtschaftsredakteur und berichtet für WELT über alle Themen aus der Autoindustrie und der Beratungsbranche.
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