Schon längst hätte die EU-Kommission weitere Bußgelder gegen US-Tech-Konzerne verhängen können. Doch sie lässt sich auffallend viel Zeit - zum Nachteil der Digitalmärkte und vor allem der Verbraucher.

Oberlandesgericht München, Anfang Juli. Für Gerhard Trautmann ist es die letzte Chance, gegen Google eine Unterlassungsklage durchzusetzen. Er will erreichen, dass der Tech-Gigant nicht zu Lasten Dritter seine Suchregeln ändern kann. Denn genau das ist geschehen und hat nicht nur sein Unternehmen Atolls um ein Millionengeschäft gebracht, sondern auch Nutzer um wertvolle Gutscheine.

Provisionsgeschäft mit Rabattcodes bringt Millionenumsätze

Neben der Schnäppchen-Online-Plattform Mydealz und der Cashback-Plattform Shoop ist die Gutschein-Vermittlung ein wichtiges Geschäftsfeld von Atolls. Mit Hilfe prominenter Verlagshäuser und deren Online-Publikationen wie dem Burda-Verlag mit Focus werden Produkt-Gutscheine von Markenherstellern vermittelt.

Nutzer vertrauen dabei auf die Seriosität der Medienmarken, die sich mit Trautmanns Unternehmen die Vermittlungsprovision teilen. Darüber hinaus profitiert der Markenhersteller durch den Umsatz der verkauften Produkte und der Nutzer durch den Preisnachlass.

Trautmanns Firma Atolls sitzt in München südlich der Theresienwiese und beschäftigt mehr als 1.000 Mitarbeiter. Speziell im Gutschein-Geschäftsbereich ist der Unternehmer so erfolgreich, dass durch internationale Medien-Kooperationen Umsätze in Höhe von Hunderten Millionen von Euro durch die Werbegutscheine der Markenhersteller generiert werden.

Verstößt Google-Richtlinie gegen EU-Wettbewerbsrecht?

Es ist ein altes Geschäftsmodell, das es auch bereits offline schon gab, erklärt ein Geschäftspartner von Gerhard Trautmann. Online ist nun die Suchmaschine Google für die Auffindbarkeit und prominente Top-Listung unumgänglich, denn Google agiert quasi als Monopolist im Suchmaschinen-Markt.

Doch im Sommer 2024 führt der US-Konzern eine neue Richtlinie ein, die ebene jene und ähnliche Kooperationen wie zwischen Atolls, Markenherstellern und Zeitungsverlegern untersagt. Ein Google-Sprecher schreibt auf Plusminus-Anfrage dazu, dass diese so genannte Spam-Richtlinie Nutzer vor "parasitärer" Webseiten-Optimierung schützen soll, bei der eine Webseite eine andere dafür bezahlt, damit diese in der Ergebnis-Liste "besser gerankt werden".

Die Konsequenz für das Unternehmen war der Zusammenbruch dieses Geschäftsbereichs. Denn mit Einführung der neuen Richtlinie wurden die Gutschein-Links bei Google viel weiter unten gelistet. Vorher waren sie an Top-Positionen bei den Suchergebnissen erschienen.

Nach Ansicht von Gerhard Trautmann verstößt eben diese Google-Richtlinie gegen die Europäische Verordnung für faire, digitale Märkte (DMA). An diese müssen sich seit März 2024 neben Google wegen seiner dominierenden Marktmacht im Suchmaschinen-Markt auch andere Konzerne wie zum Beispiel Amazon oder booking.com halten. Damit will die EU für fairen und diskriminierungsfreien Wettbewerb auf den digitalen Märkten in Europa sorgen.

Durchsetzung Europäischen Rechts zu langsam

Doch die Durchsetzung dieser Verordnung sehen viele Branchen-Insider durch die transatlantische Spannungen in Gefahr. Zwar verhängte die EU-Kommission im April 2025 erste Bußgelder gegen Meta und Apple in Höhe von insgesamt 700 Millionen Euro, doch die seien eher moderat ausgefallen, meint der renommierte Kartellrechtsanwalt Thomas Höppner. Schließlich hatten die Konzerne lange Zeit, um sich auf die neuen Verpflichtungen durch den DMA einzustellen.

Darüber hinaus gebe es aktuell noch ein weiteres Verfahren gegen Apple und zwei gegen Google, die schon längst hätten entschieden werden sollen. Das wichtigste Verfahren nimmt die Selbstbegünstigung von Google in den Suchergebnissen ins Visier. Diese Bevorzugung eigener Angebote an prominenter Stelle in der Google-Suche gegenüber der Konkurrenz sei bereits seit Jahren bekannt.

Obwohl die EU-Kommission bereits im März zu der Einschätzung gekommen ist, dass die von Google getroffenen Maßnahmen nicht ausreichen, um der Verordnung für fairen Wettbewerb zu entsprechen, bleibt das missbräuchliche Verhalten der Selbstbevorzugung ohne Konsequenzen.

Kritik aus dem EU-Parlament

Der langjährige EU-Parlamentarier Andreas Schwab von der EVP kritisiert das Zögern der Kommission hinsichtlich möglicher Strafen von mehreren Milliarden, die seit Monaten eigentlich anstehen und wünscht sich, dass die Kommission jetzt endlich zu einer Entscheidung kommt. "Hier ist Europäisches Recht verletzt worden, hier muss endlich eine Entscheidung her", sagt er.

Auch Alexandra Geese, stellvertretende Vorsitzende die Grünen/EFA, hat den Verdacht, dass gerade starke Aktionen bei der Umsetzung des DMA zurückgehalten werden - wegen der anhaltenden wirtschaftspolitischen transatlantischen Spannungen. Sie hat die Befürchtung, dass für die Einigung im Zoll-Streit beim DMA doch insgeheim Zugeständnisse gemacht wurden, obwohl die EU-Kommission offiziell etwas anderes beteuert.

Druck aus den USA

Auch die Äußerungen aus dem Weißen Haus seit dem Machtwechsel könnten zum vorsichtigeren Vorgehen der EU beigetragen haben. So machte US-Vizepräsident JD Vance nur drei Wochen nach Amtsübernahme unmissverständlich Stimmung gegen die neue EU-Wettbewerbsverordnung. Er halte diese für einen "schrecklichen Fehler - nicht nur für die Vereinigten Staaten von Amerika, sondern auch für die eigenen Länder". Man könne auch einfach die EU-Bürger blockieren, doch das könne nicht die Zukunft sein, so der US-Vizepräsident.

Eine drakonische Drohung, auf die nur zwei Wochen später ein Brief vom mächtigen Justiz-Ausschuss des US-Kongresses an die EU-Wettbewerbskommissarin Teresa Ribera folgte, in dem das Wettbewerbsrechts als Waffe gegen amerikanische Unternehmen bezeichnet wird.

Und auf der Höhe des Zollstreits Mitte Mai 2025 setzte US-Präsident Donald Trump noch einen drauf, sprach bei einer Pressekonferenz davon, dass die EU US-Unternehmen wie Apple, Google und Meta mit Milliarden-Strafen in Höhe von "15 Milliarden, 17 Milliarden, 20 Milliarden" überziehe, was natürlich eine maßlose Übertreibung ist. "Doch das wird nicht passieren, das kann ich Ihnen sagen", drohte Trump weiter.

Tech-Konzerne auch in den USA vor Gericht

Dabei gehen die US-Regulierungsbehörden selbst gegen die Tech-Konzerne vor, teilweise mit denselben Vorwürfen, die schon zu Untersuchungen in Europa geführt haben. Mittlerweile haben in den USA Gerichte in drei separaten Prozessen geurteilt, dass Google Märkte kartellrechtswidrig monopolisiert. Die Sanktionen sollen noch in diesem Jahr verkündet werden und könnten sogar eine Zerschlagung zur Folge haben.

Die Unterlassungsklage von Gerhard Trautmann gegen Google wegen Missbrauchs von Marktmacht ist dagegen anders ausgegangen. Das Oberlandesgericht München befand sich für nicht zuständig. Ein Zivilgericht, das sich für nicht zuständig erklärt, und eine EU-Kommission, die das Wettbewerbsrecht nicht wirksam durchsetzt: So haben die Tech-Giganten leichtes Spiel in Europa.

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