Eine Initiative will den Standort Deutschland wieder in Schwung bringen: Bei „Made for Germany“ haben sich 61 Unternehmen – darunter auch der Axel-Springer-Konzern, zu dem „Bild“, WELT, „Business Insider“ und „Politico“ gehören – zusammengeschlossen und wollen Milliarden investieren. Im WELT-Interview erklären Siemens-Chef Roland Busch und Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing, welche Erwartungen die Unternehmen im Gegenzug für ihre Investitionen an die Regierung von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) haben.

WELT: Made for Germany, Herr Busch, was steckt dahinter, wer steckt dahinter, was soll es bringen?

Roland Busch: Was wollen wir erreichen? Wir wollen Deutschland wieder in den Wachstumsmodus bekommen. Wir müssen unsere Wettbewerbsfähigkeit steigern, und wir müssen natürlich das Thema Technologie und Innovation wieder in den Vordergrund stellen, wir müssen schneller innovieren. Das ist der Hauptgedanke. Dazu haben sich 61 Firmen zusammengefunden und wir haben darüber gesprochen: Was können wir tun? Wie können wir eine neue Art der Zusammenarbeit mit der Politik, mit der Regierung gestalten, und wie können wir das Ganze lostreten mit einer Investitionszusage von den Firmen? Und das Paket, das da zusammengekommen ist, das ist beachtlich: Wir reden über 631 Milliarden Euro bis 2028, eine Zusage von 61 Firmen, Start-ups, Mittelständler, große Firmen, Finanzinstitutionen. Und damit wollen wir natürlich gemeinsam zeigen, dass wir an den Standort Deutschland glauben und die Kräfte, die auch in der Wirtschaft stecken.

WELT: Herr Sewing, wer verteilt diese Gelder? Also gibt es jemanden, der sozusagen die Hand auf allem hat oder ist es eher so, dass jedes Unternehmen für sich etwas macht und macht dann Meldung?

Christian Sewing: Nein, glücklicherweise ist es so, dass jedes Unternehmen natürlich für sich seine Investitionen sich überlegt, plant, entscheidet und dann auch einsetzt. Von daher ist da keine zentrale Handhabe. Es ist beachtlich, wie Roland Busch es gerade gesagt hat, dass in kürzester Zeit – wir reden mal gerade über zwei, zweieinhalb Monate, seitdem die Initiative sozusagen ins Laufen gekommen ist – die Privatwirtschaft gesagt hat: Jawohl, wir glauben an den Standort Deutschland, wir wissen, dass wir investieren müssen. Wir haben meines Erachtens einen soliden Start der Bundesregierung gehabt mit dem Fiskalpaket, mit der Reformbereitschaft. Auf einmal bewegt sich hier was, dass man sagt: Wir glauben an den Standort Deutschland, wir wollen ihn stärken und deswegen investieren wir. Und so sind die 631 Milliarden zusammen gekommen, und ich bin davon überzeugt, dass es nicht dabei bleibt, denn es kommen immer mehr Unternehmen dazu, es ist ja eine offene Initiative.

WELT: Welche Wirkung erhoffen sie sich?

Sewing: Ich glaube, man kann sich gar nicht vorstellen, was das im Ausland bedeutet: Viele ausländische Investoren schauen natürlich jetzt auf Deutschland und sagen, wenn die deutschen Unternehmen so viel in Deutschland investieren, dann werden wir uns auch mal genau überlegen, ob wir nicht dabei sein wollen. Von daher sehen wir auch ausländische Kapitalgeber, die jetzt auf den Markt kommen.

WELT: Siemens ist ein international tätiger Konzern. Was hören Sie im Moment, bevor diese Initiative jetzt an Fahrt aufnimmt?

Busch: Der erste Punkt, den ich immer wieder höre, ist: Wir haben einen unglaublich hohen Respekt, was deutsche Firmen anbelangt, also nicht nur die Großen, sondern auch der Mittelstand, diese Hidden Champions, die Technologien haben, die Sie woanders nicht finden. Der Respekt gilt auch unseren Ökosystemen um Chemie, Pharmazie, Medizin-, Automobiltechnik. Das zweite, was ich immer wieder höre, ist, dass wir zu langsam sind, dass wir zu viel regulieren, dass Entscheidungsprozesse zu langsam sind, auch das Thema Digitalisierung ist ein großes. Also man erkennt schon die Lücken, die es zu füllen gilt, um dieses Potenzial, was wir in Deutschland haben, zu füllen.

WELT: Klug investieren ist ein Stichwort der Initiative. Was heißt denn klug investieren für Sie, Herr Sewing?

Sewing: Naja, wir haben ja insgesamt Leuchtturmprojekte identifiziert, ich glaube über 70. Das heißt, die Unternehmen, die dabei sind, sagen ja schon, wo sie genau investieren.

WELT: Dürfen Sie welche nennen?

Sewing: Wir haben es zum Teil öffentlich gemacht, das möchte ich allerdings den Unternehmen überlassen. Aber es geht um Ausbildungsstätten, es geht um Investitionen in Energie, es geht um Investitionen in Technologie, es geht auf der Bankenseite darum, wie wir die Verteidigung mitfinanzieren. Also ein unglaublich breiter Antritt. Dann haben wir Themenfelder identifiziert, die sehr, sehr nah und sehr, sehr eng mit dem Koalitionsvertrag zu lesen sind. Da geht es um Digitalisierung, um privaten Kapitalmarkt, Kapitalmarktunion, da geht es um Arbeitsmarktreformen, da geht es um Deregulierung. All diese Themen versuchen wir zu bespielen, um sozusagen Rat zu geben und auch Vorschläge zu geben, wie wir dieses Land schneller wieder in Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit bekommen. Das Feedback auf Deutschland ist eigentlich ganz leicht: mikro sehr gut, makro nicht so gut. Mikro bedeutet, die Unternehmen sind weiterhin top, nicht nur Siemens, sondern auch die Familienunternehmen sind Top-Unternehmen, aber wir müssen was am Makroumfeld tun. Genau das startet jetzt die Bundesregierung, wenn wir das mit der Investitionsoffensive verknüpfen, haben wir eine Chance, echt zu wachsen.

WELT: Apropos Bundesregierung: Fördern und fordern wollen sie mit dieser Initiative. Wie wollen Sie Kanzler Merz fördern und wie wollen Sie ihn fordern?

Busch: Wir müssen gemeinsam an einem Strang ziehen, um das zu erreichen. Das heißt: Wir als Unternehmen müssen unseren Beitrag leisten und die Regierung natürlich auch. Wir mischen uns nicht in deren Aufgaben ein – und umgekehrt. Entscheidend ist aber, dass es neben dem Kapital, was wir mobilisieren wollen, auch strukturelle Reformen braucht – keine neue Erkenntnis. Wir als Made-for-Germany-Initiative haben neun Aktionsfelder definiert, die im übrigen deckungsgleich sind mit den Aufgaben, die die Regierung in ihrem Koalitionsvertrag niedergeschrieben hat. Es geht also jetzt weniger um die Erkenntnis, dass wir Themen haben, die wir verändern müssen, sondern um das Umsetzen – und zwar das schnelle Umsetzen. Man muss es mutig tun. Ich glaube, die Regierung wird nicht immer Beifall von allen bekommen dafür. Aber es gibt einige Themen, die wir verändern müssen – und zwar sehr, sehr schnell, damit wir wirklich in den Wachstumsmodus kommen.

WELT: Welche Themen sind es?

Sewing: Drei Themenfelder werden immer wieder von Unternehmen gebracht, insbesondere von Familienunternehmen, Mittelstandsunternehmen, nicht nur von den Großunternehmen: Energiepreise, Arbeitsmarktreform, weniger Regulierung und weniger Bürokratie. Wenn wir bei diesen Themen Fortschritte machen, dann werden wir schnell auch eine Änderung des Sentiments sehen, was für eine Wirtschaft wahnsinnig wichtig ist. Dass die Leute sehen: Wir beantragen etwas und wir bekommen die Genehmigung. Dass es schnell geht. Ich glaube, das sind die drei Punkte, die immer im Vordergrund stehen.

WELT: Und mittelfristig?

Sewing: Wenn wir auf Dauer Wachstum generieren wollen, müssen wir viel mehr finanzieren als das, was jetzt im Fiskalpaket drin ist. Dafür braucht man den privaten Kapitalmarkt, und deswegen ist eine Rentenreform so wichtig. Das ist sicherlich was, worauf wir immer wieder hinweisen werden. Eine Rentenreform ist nicht nur für die Absicherung der Renten wichtig, sondern auch um die Investitionen in das langfristige Wachstum zu sichern.

WELT: Rentenreform ist ein Stichwort, Arbeitskräftemangel ist ein anderes Stichwort. Wo holen wir die her?

Busch: Ein Riesenthema. Ich glaube, das Erste ist natürlich, das Potenzial zu realisieren, das wir in Deutschland schon haben. Also: weniger Teilzeitarbeit, all das zu tun, wo man ermutigen kann, wirklich in Vollzeitarbeit zu gehen, Menschen, die in Deutschland leben, wirklich in die Arbeit zu bringen, durch Aus- und Weiterbildung, aber auch durch Genehmigung, was deren Qualifikation anbelangt. Wir brauchen Top-Talente. Wir müssen mehr und mehr gute Leute in unser Land holen, die einen Beitrag leisten. Es gibt viele Möglichkeiten, daran zu arbeiten, das ist ein Thema. Und der Punkt Talente: Es geht auch um Schulen, Universitäten, da wieder zu investieren, etwa in den baulichen Rückstau. Der Zeitpunkt ist hervorragend: Es gibt viele Talente, die aus anderen Ländern jetzt gerne nach Deutschland kommen würden – und zwar schnell.

WELT: Warum hat es diese Initiative nicht gegeben unter der vorherigen Regierung? Warum sind Sie nicht auf den Kanzler Scholz mit so einer Idee zugegangen?

Busch: Zunächst mal muss man sagen: Die Zeiten haben sich verändert. Wenn Sie jetzt sehen, was momentan in den USA passiert, diese Zollverhandlungen machen zusätzlichen Druck. Wir haben natürlich auch gesprochen, die Konstellation ist eine neue. Das heißt, es geht hier mehr darum, nach vorne zu gucken: Was kann die neue Regierung jetzt tun? Man muss sich natürlich in der Regierung bei ein paar Themen einigen. Das sollte darauf ausgerichtet sein, wie man jetzt dieses Kapital möglichst schnell produktiv schaltet. Letzter Punkt: Es geht vielleicht auch darum, weniger zu regulieren, daran zu glauben, dass die Firmen die richtigen Dinge tun, wir sie nicht gegenregulieren – sondern maßvoll, um in einen schnelleren Entscheidungsmodus zu kommen.

Sewing: Ich glaube, Roland Busch hat recht, dass die Konstellation eine andere ist. Die Änderungen machen sich in Europa langsam bemerkbar. Wir haben eine neue Kommission, die auch Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum in den Mittelpunkt gestellt hat. Das hat natürlich Strahleffekte. Die schnellen, initialen Schritte der Bundesregierung, gleich nach der Wahl mit dem Fiskalpaket zu kommen, Reformen anzukündigen, haben dazu geführt, dass auch bei uns sich ein Momentum entwickelt hat. Von daher ist es jetzt ein günstiger Moment. Auch die geopolitischen Verwerfungen und Entscheidungen in anderen Ländern der Welt führen dazu, dass ausländische Investoren auf uns zukommen. All das ist eine enorme Chance für uns. Ich glaube, da wollen Wirtschaft und Politik zusammen daran arbeiten – und es ist gut für die Gesellschaft.

WELT: Wie schnell, glauben Sie, sind wir mit dem Wachstum wieder in einem anderen Bereich als jetzt gerade?

Sewing: Erstmal sind die Zahlen für 2025 leicht besser, als wir es alle gedacht haben. Das heißt, man merkt schon ein Sentiment. Wenn es nicht zu deutlich negativen Überraschungen bei den Zollverhandlungen kommt, haben wir eine Chance, deutlich über ein Prozent im Jahr 2026 zu wachsen. Mit diesen Initiativen und dem Rückenwind, den wir damit hoffentlich bauen, kann es Deutschland wieder schaffen, über zwei Prozent zu wachsen. Das könnten wir 2027 schaffen.

Busch: Ich bin bei ihm, er kennt die Zahlen makroökonomisch, es hängt natürlich auch von anderen Märkten ab und von den Zollverhandlungen. Wir werden höhere Zölle sehen, das ist so, wie es ist. Aber es geht darum, dann eine Basis zu haben, auf der man entscheiden kann. Es geht darum, das Exportland Deutschland wie die anderen großen Märkte USA und China mit nach oben zu ziehen. Aber ich bin bei den Zahlen.

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