Die Preisbindung bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln schützt Vor-Ort-Apotheken vor Konkurrenz aus dem Internet. Ein Urteil des Bundesgerichtshofs könnte diese Regelung aufweichen. Apothekerverbände warnen.

DocMorris versucht es in seinen Werbespots mit einem eigenen Song. Die Shop-Apotheke wirbt mit Günther Jauch, einem der bekanntesten Fernsehgesichter Deutschlands. Mit großen Marketingkampagnen versuchen Versandapotheken aus dem Ausland, neue Kunden in Deutschland für sich zu gewinnen.

Diese Werbemaßnahmen wirken bisher allerdings nur sehr begrenzt. Im Jahr 2024 lag der Anteil der ausländischen Versandapotheken an den Arzneimittelausgaben der gesetzlichen Krankenkassen bei gerade einmal 1,4 Prozent. Verglichen mit dem Vorjahr ist das zwar ein deutlicher Anstieg, dieser hat aber mit der flächendeckenden Einführung des E-Rezepts zu tun, mit dem der Online-Einkauf einfacher geworden ist.

EuGH hat Preisbindung 2016 ins Wanken gebracht

Dass die Kunden den Vor-Ort-Apotheken weitgehend die Treue halten, dürfte vor allem zwei Gründe haben. Zum einen brauchen Menschen, die akut krank sind, ihre Medikamente in vielen Fällen sofort. Sie machen sich direkt aus der Arztpraxis auf den Weg in die nächste Apotheke.

Zum anderen gelten für verschreibungspflichtige Arzneimittel für GKV-Versicherte einheitliche Preise, ein Online-Kauf bringt hier also keine Ersparnis, weil Online-Apotheken ihren Kunden keine Boni oder Rabatte anbieten dürfen.

Diese Preisbindung wackelt allerdings immer wieder. Im Jahr 2016 erklärte sie der Europäische Gerichtshof für rechtswidrig, weil sie den freien Warenverkehr innerhalb der EU beschränke. Der deutsche Gesetzgeber steuerte daraufhin nach, 2020 wurde das Boni-Verbot im Sozialgesetzbuch verankert. Seitdem gilt es für verschreibungspflichtige Arzneimittel für gesetzlich Versicherte, bei rezeptfreien Medikamenten und bei Medikamenten für Privatpatienten sind Boni und Rabatte hingegen erlaubt.

Urteil des Bundesgerichtshofs mit Spannung erwartet

Bei nicht verschreibungspflichtigen Medikamenten erzielt der Versandhandel bereits heute einen Marktanteil von deutlich mehr als 20 Prozent. "Das setzt den Apotheken erheblich zu", sagt Thomas Preis, Vorsitzender der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA). Sollte die Preisbindung aufgeweicht werden, dann könnte die Bedrohung für die Vor-Ort-Apotheken "noch viel, viel größer werden", so Preis.

Mit Sorge blicken er und andere Apotheker deshalb auf ein bevorstehendes Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH), das voraussichtlich am Donnerstag verkündet wird.

Vordergründig geht es dabei um Rabattaktionen, die eine Versandapotheke mit Sitz in den Niederlanden ihren Kunden in den Jahren 2012 und 2013 angeboten hat. Es ist aber möglich, dass der Bundesgerichtshof in diesem Zuge grundsätzlich Position zur Frage der Preisbindung bezieht.

Sollte der BGH die Preisbindung kippen, drohe ein fataler Wettlauf um Rabatte und Boni, warnt ABDA-Präsident Preis. "Das hätte extreme Auswirkungen auf die Versorgung der Bürgerinnen und Bürger."

"Die Online-Versandhändler machen keine Notdienste"

Schon jetzt ist die Zahl der Apotheken in Deutschland stark rückläufig. Gab es im Jahr 2016 noch mehr als 20.000 Apotheken in Deutschland, so sind es inzwischen weniger als 17.000. Die Vor-Ort-Apotheken seien ein wichtiger Teil der Daseinsvorsorge, betont ABDA-Präsident Preis, weil sie zum Beispiel auch nachts die Versorgung übernehmen. "Die Online-Versandhändler machen keine Notdienste", so Preis.

Die Internetapotheke DocMorris hebt hingegen vor allem die Auswirkungen auf die Preise hervor, die durch eine Lockerung der Preisbindung voraussichtlich sinken würden. "Für viele Patientinnen und Patienten, insbesondere chronisch Kranke, kann jeder Euro, den sie sparen, eine spürbare Erleichterung bedeuten", so das Unternehmen.

Niedrigere Preise durch Skaleneffekte

Mehr Wettbewerb könnte in der Tat zu niedrigeren Preisen führen, sagt Martin Albrecht. Er leitet den Bereich Gesundheitspolitik am IGES Institut, einem Forschungsinstitut, das im Auftrag der Bundesregierung den Apothekenmarkt in Deutschland begutachtet hat.

Albrecht verweist auf Skaleneffekte, also auf Kostenersparnisse auf Seiten der Online-Apotheken, die durch große Stückmengen zustande kommen. "In unserem Gesundheitssystem müssen wir alle Effizienzpotentiale heben, die es gibt", sagt Albrecht.

Gleichzeitig erkennt er aber auch die besonderen Leistungen der Vor-Ort-Apotheken an. Er schlägt deshalb vor, eine Balance zu finden, um die Interessen beider Seiten in Einklang zu bringen.

"Für eine Stärkung kleinerer Apotheken könnte man zum Beispiel die Notdienstpauschalen erhöhen", so Albrecht. Dafür brauche es einen Plan der Politik für die Apothekenlandschaft. "Nirgendwo ist definiert, wie eine angemessene flächendeckende Versorgung aussehen soll", bemängelt der Gesundheitsexperte.

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