Wie es im Zollstreit steht – und wie es jetzt weiter geht
Mehr als drei Monate ist es her, dass US-Präsident Donald Trump im Rosengarten des Weißen Hauses seine große Zollshow inszeniert hat. Seither nutzt Trump die Zollpolitik wie einen Spielball, mal droht er Ländern mit noch höheren Tarifen, mal gewährt er Ausnahmen und Zeit für Verhandlungen, mal pickt er sich einzelne Branchen heraus. Zuletzt ließ er an zahlreiche Handelspartner Briefe mit einer Art Ultimatum verschicken, auch an die EU. Sicher für alle Unternehmen, die in die USA exportieren, ist im aktuellen Zollchaos nur die Unsicherheit, welche Zölle künftig gelten. Für alle, die in dem ganzen Hin und Her den Überblick verloren haben, beantwortet Capital die wichtigsten Fragen:
Welche Zölle gelten für die EU aktuell?
Auch wenn nach Trumps Zollhammer Anfang April bei manchen der Eindruck entstand, der US-Präsident wolle nur eine Drohkulisse aufbauen und lasse mit sich einen Deal verhandeln, hatte seine Kampfansage an die Handelspartner rund um die Welt bereits Folgen. Im Fall der EU gilt seit dem 5. April ein zusätzlicher Basiszollsatz von zehn Prozent für alle Importe in die USA. Die zehn Prozent werden zusätzlich zu bestehenden Zöllen erhoben. Für 90 Tage – also eigentlich bis zum 9. Juli – setzte Trump dagegen zusätzliche Strafzölle für viele Länder aus. Für die EU sollte für diese reziproken Zölle, die die US-Regierung als eine Antwort auf Handelshürden der jeweiligen Partner sieht, ein Satz von 20 Prozent gelten. Für die meisten Handelspartner, darunter auch die EU-Staaten, gilt damit aktuell nur der zusätzliche Basiszoll von zehn Prozent. Wie am Wochenende bekannt wurde, will Trump diesen für die EU auf 30 Prozent erhöhen – sollte es bis zum 1. August keinen Deal geben.
Welche Ausnahmen gibt es aktuell?
Zusätzlich gelten aktuell schon spezielle Zölle für einzelne Branchen. Bei diesen sogenannten sektoralen Zöllen geht es etwa um die Automobilindustrie, Stahl und Aluminium. Autos und Autoteile, die aus der EU importiert werden, belegen die USA derzeit mit einem Zollsatz von 25 Prozent. Bei der Einfuhr von Stahl und Aluminium sind es sogar 50 Prozent. Für die deutsche Autoindustrie seien dadurch bereits Kosten in Milliardenhöhe angefallen, sagte Hildegard Müller, Chefin des Branchenverbands VDA. Nach den aktuellen Plänen der US-Regierung sollen diese Branchenzölle bei der geplanten Einführung eines höheren Basiszollsatzes außen vor bleiben – vielmehr gelten dann nur die sektoralen Zölle.

Trumps Handelskrieg Diese Republikaner waren früher gegen Zölle. Und heute?
Was will Trump erreichen?
Dass er die USA von den Europäern beim Handel "über den Tisch gezogen“ fühlt, hat Trump immer wieder erklärt. Als Beleg für diesen Vorwurf führt er gerne die Handelsbilanz an, die bei Waren aus Sicht der Amerikaner seit Langem ein Defizit ausweist. Im vergangenen Jahr betrug es rund 150 Milliarden Euro. Die beinahe spiegelbildlichen Verhältnisse bei Dienstleistungen interessieren Trump dagegen weniger. Aus seiner Sicht sollen die Zölle dazu dienen, tatsächliche oder vermeintliche Ungleichbehandlungen von US-Unternehmen auszugleichen, die er für das Handelsdefizit verantwortlich macht – um damit letztlich Jobs in der Industrie zurückzuholen, die im Zuge der Globalisierung verlagert wurden.
Zum anderen verfolgt der US-Präsident mit den Zöllen aber auch finanzpolitische Interessen. Trump will erreichen, dass sich der US-Haushalt stärker aus Zolleinnahmen finanziert – nicht zuletzt, um die Löcher zumindest teilweise zu füllen, die sein jüngst verabschiedetes Gesetzespaket namens "one big beautiful bill“ reißen wird. Bereits die seit April bestehenden höheren Zölle schlagen sich bei den Einnahmen im Staatshaushalt nieder: Im Juni vervierfachten sich die Zolleinnahmen nach Daten des US-Finanzministeriums auf einen Rekordwert von rund 27 Milliarden Dollar brutto. Damit überschritten die Einnahmen aus Zöllen in den ersten neun Monaten des laufenden Haushaltsjahrs – das in den USA immer von Oktober bis September reicht – erstmals die Marke von 100 Milliarden Dollar.
Für das gesamte Kalenderjahr 2025 stellte US-Finanzminister Scott Bessent in der vergangenen Woche Einnahmen von bis zu 300 Milliarden Dollar aus Importzöllen in Aussicht. Dazu passte ein Zitat seines Chefs, US-Präsident Trump. Der sagte mit Blick auf die neue Frist, "das ganz große Geld“ sei mit den deutlich höheren Zöllen zu erwarten, die er zum 1. August in Kraft setzen werde. Klar ist aber, dass aus diesen absoluten Zahlen nicht abzuleiten ist, wer die Zölle überhaupt bezahlt. Es könnte auch sein, dass die Unternehmen die Zölle im nächsten Schritt an die amerikanischen Konsumenten weitergeben. Das würde sich später in der Inflation niederschlagen. Bislang haben sich die Inflationszahlen kaum bewegt. Es könnte aber auch sein, dass die Unternehmen erst einmal abwarten, was passiert, und später dann ihre Preise erhöhen.
Wie regiert die EU auf Trumps Ultimatum?
Schon seit Monaten liegt die Antwort der EU auf Trumps Zollkrieg in der Schublade. Dabei handelt es sich um zwei Pakete mit Gegenmaßnahmen, die Zölle oder Abgaben für US-Produkte in einem Volumen von 21 beziehungsweise 73 Mrd. Euro umfassen. Doch solange Trump noch Aufschub für das Inkrafttreten seiner Anfang April angekündigten Zusatzzölle gewährte, verzichtete die EU-Kommission bislang auf Gegenmaßnahmen und setzte auf direkte Verhandlungen.
Tatsächlich bereitet die EU nun zusätzliche Gegenzölle auf Importe aus den USA im Wert von 72 Milliarden Euro vor. Das kündigte der zuständige EU-Kommissar Maros Sefcovic nach einem Handelsministertreffen in Brüssel am Montag an. Es soll aber weiter verhandelt werden.
Ökonomen wie Jens Südekum, Chefberater von Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD), gehen davon aus, dass Trumps Brief vom Wochenende nicht das letzte Wort sein dürfte. "Trump ist bekannt dafür, immer wieder starke Ansagen und dann Rückzieher zu machen“, sagte er der "FAZ“. In den USA und an den Finanzmärkten hat sich für den Zickzackkurs ein Bonmot etabliert: Trump always chickens out, kurz TACO. In anderen Worten: Wenn es ernst wird, zieht der US-Präsident zurück – nicht zuletzt aus Sorge vor der Reaktion der Finanzmärkte, die nach dem heftigen Kursrutsch zu Beginn des Zollstreits Anfang April wohl auch wegen der TACO-These inzwischen ziemlich entspannt wirken.
Wie geht es jetzt weiter?
Dass Trump am Ende komplett einknickt und es einfach beim Status Quo bleibt, gilt auch bei den Europäern als unwahrscheinlich. Denn für Trump und seine Regierung geht es bei den Zöllen nicht mehr nur darum, ein Wahlversprechen einzulösen, sondern auch um die Einnahmen selbst. "Er braucht Geld, ganz einfach“, zitierte die Nachrichtenagentur Reuters einen Vertreter der Bundesregierung. Das Ziel der EU ist es demnach, Schadensbegrenzung zu betreiben: Statt bei einem Basiszoll von 30 Prozent auf EU-Waren, so die Hoffnung, könnte man bei einem Korridor zwischen zehn und 15 Prozent landen. Auch Insider, die Einblicke in die Verhandlungen mit der US-Seite haben, halten diesen Ausgang für möglich: "Man ist in den Gesprächen eigentlich weit fortgeschritten", sagt ein EU-Diplomat. Für einen möglichen Deal haben Washington und Brüssel noch etwas mehr als zwei Wochen Zeit.
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