Wie dicht ist das deutsche Ladenetz?
Mit dem E-Auto nach Sylt, Rügen oder Oberstdorf? Dank dichter Schnelllade-Infrastruktur ist das heute meist kein Problem mehr. Eine SWR-Datenanalyse zeigt, wo es auf der Urlaubsreise noch Probleme geben kann.
Mit dem Elektroauto von Mainz nach Sylt, 740 Kilometer quer durchs Land. Viele Autofahrer plagt bei diesem Gedanken die "Reichweitenangst". Eine Analyse von SWR-Datenjournalisten zeigt: Diese Angst ist inzwischen unbegründet.
Im Durchschnitt gibt es in Deutschland alle 5.000 Meter einen öffentlichen Schnellladepunkt, an dem - je nach Auto und Lader - innerhalb von 30 bis 60 Minuten vollgeladen werden kann. Aktuelle Elektro-Autos haben laut Hersteller im Durchschnitt eine Reichweite von etwa 450 Kilometern. So müsste - zumindest in der Theorie - von Mainz nach Sylt nur einmal geladen werden.

Unterschiede im Ladenetz: So sieht es vor Ort aus
Dennoch gibt es in Deutschland noch deutliche regionale Unterschiede. Das Schnellladenetz ist in den Bundesländern Berlin und Bremen am dichtesten. Im Schnitt steht dort alle 1,7 Kilometer ein Ladepunkt. Es folgt das bevölkerungsreichste Bundesland Nordrhein-Westfalen, im dem alle 3,5 Kilometer ein Schnelllader steht.
Wer aus dem Süden zur Ostsee möchte, muss dennoch vorausschauend fahren: Schleswig-Holstein (zwölf Kilometer), Mecklenburg-Vorpommern (elf Kilometer) und Brandenburg (acht Kilometer) bilden die Schlusslichter im Länderranking. Dort stehen die die Schnelllader deutlich weiter auseinander.
ADAC-Sprecherin Katharina Lucà schreibt auf SWR-Anfrage: "Entlang der Fernstraßen ist das Angebot schon gut. Lücken sehen wir noch in dicht besiedelten Gebieten in Ballungsräumen, in sehr ländlichen Räumen und entlang wenig frequentierter Verkehrsachsen."
Das Netz soll weiter wachsen
Das Ladesäulennetz wächst stetig. 2024 stieg die Zahl der Ladesäulen in Deutschland um etwa 27 Prozent. Das Bundesverkehrsministerium erklärte auf SWR-Anfrage, dass es weiter öffentliche Ladesäulen fördern will - auch in weniger besiedelten Gebieten. Förderungen für das private Laden Zuhause seien aktuell nicht geplant. Laut einer aktuellen Umfrage des Energiekonzerns E.ON unter mehr als 1.000 E-Autofahrenden laden 71 Prozent der Befragten meist Zuhause.
Für E-Auto-Fahrende, die nicht günstig Zuhause laden können, ist das öffentliche Ladenetz im Alltag wichtig. Der aktuelle Report der Nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur zeigt, dass vielerorts mehr Ladestrom verfügbar ist, als die dort zugelassenen Elektroautos benötigen.
Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) berichtet, dass nur jeder fünfte Ladepunkt überdurchschnittlich ausgelastet ist. Der Energiekonzern EnBW hat deshalb den Ausbau öffentlicher Ladesäulen kürzlich verlangsamt.
Lade-Hürden an der Säule
Dennoch sind Autofahrende, das zeigen die aktuellen Zulassungs- und Bestandsdaten des Kraftfahrbundesamts, beim E-Auto-Kauf weiterhin zurückhaltend. Nur 17 Prozent der diesjährigen Neuzulassungen sind vollelektrische Fahrzeuge. Die SWR-Datenanalyse zeigt: Geht das E-Auto-Wachstum weiter wie im vergangenen Jahr, dann verpasst die Bundesregierung das eigens gesteckte Klimaziel für die Verkehrswende. 2030 sollen etwa 15 Millionen E-Autos in Deutschland fahren.
Nicht zuletzt ist die komplizierte Ladesituation im Land ein Hindernis für den Kauf von E-Autos. Bundesweit bieten viele Anbieter unterschiedliche Abonnements und Preise an. Ad-hoc-Laden ohne Mitgliedschaft ist teurer, und Konzepte ohne Vertrag sind noch in der Entwicklung.
ADAC-Sprecherin Lucà erklärte dem SWR, dass grundsätzlich an allen Säulen mit Karten aller Anbieter geladen werden könne. Dabei fielen jedoch höhere Roaminggebühren an. Sie kritisiert: "Leider sind die Ladekosten teilweise sehr undurchsichtig. An den Säulen steht dazu meist nichts. Und je nach Anbieter kann der Preis an ein und derselben Säule unterschiedlich hoch ausfallen." Unter rund 50 Cent pro kWh erhielten E-Auto-Fahrende unterwegs allerdings selten Strom.
Die Bundesregierung hat das Problem erkannt und kündigt im Koalitionsvertrag an, die Nutzerfreundlichkeit der Ladesäulen weiter zu verbessern.
Deutschland: Spitzenreiter bei Schnellladern
Auf langen Fahrten, finden Autofahrende europaweit in Deutschland die meisten öffentlichen Schnellladepunkte vor. 2024 waren laut der Europäischen Kommission bereits mehr als 40.000 Schnelllader installiert. Es folgen Frankreich mit rund 34.000 und Großbritannien mit 17.500 Schnellladern.
SWR-Kostenanalyse zeigt Autokauf-Dilemma
Die Ladeinfrastruktur in Deutschland ist vergleichsweise gut, trotzdem wird das Klimaziel in der Verkehrswende voraussichtlich verfehlt. Das liegt auch daran, dass Autokäufer sich immer noch am häufigsten für Benziner entscheiden.
Ein Grund: Beim Kauf eines neuen Elektroautos stehen Interessierte vor hohen finanziellen Hürden. Eine SWR-Datenanalyse des deutschen Automarktes zeigt, dass neue E-Autos - bei vergleichbarer Größe und Leistung - meist viele Tausend Euro mehr kosten als Verbrenner. Oft so viel mehr, dass der Vorteil der günstigeren Betriebskosten von E-Autos über Jahre nicht spürbar wird.
Gleichzeitig könnten bald auch Verbrenner im Betrieb deutlich teurer werden. Die SWR-Datenanalyse zeigt, welchen Einfluss politische Entscheidungen auf die Kaufentscheidung und auf die Kosten eines ganzen Autolebens haben können. Ob und wie ein Umweltbonus umgesetzt wird, ist aktuell noch unklar.
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