EZB bleibt beim Inflationsziel von zwei Prozent
Die EZB will die Preisstabilität weiter genau im Auge behalten. Anders als erwartet bleibt sie beim strikten Zwei-Prozent-Ziel für die Inflation. Für Verbraucher ist das eine gute Nachricht.
Es war kein schönes Bild, das EZB-Chefvolkswirt Philipp R. Lane heute anlässlich der Notenbankkonferenz im portugiesischen Sintra bei herrlichem Wetter skizzierte: Die Welt werde künftig durch "hohe Unsicherheit und starke Verletzlichkeit" geprägt sein. "Wir leben nicht in einer Blase", auf die Europäische Zentralbank kämen herausfordernde Zeiten zu.
Lane und seine Kolleginnen und Kollegen wissen, wovon sie sprechen: Die vergangenen Jahre seien mit Corona, Wirtschaftseinbruch und extremer Inflation wie eine Achterbahnfahrt gewesen, betonte auch EZB-Präsidentin Christine Lagarde. Und das werde künftig auch so weiter gehen.
Tatsächlich: massive Handelsstreitigkeiten, Rückzug der Globalisierung und extreme Wetterereignisse - das alles vor dem Hintergrund einer schwachen europäischen Konjunktur - dürften die Währungshüter ganz schön auf Trab halten und es besonders schwierig machen, die Inflation in Schach zu halten.
Entscheidung entgegen Erwartungen
Umso erstaunlicher erscheint das heute vorgestellte Ergebnis der Überprüfung der EZB-Strategie. Darin enthalten ist nicht etwa eine Verwässerung des Inflationsziels von zwei Prozent, wie an den Finanzmärkten spekuliert und von so mancher anderen Notenbank weltweit angesichts der enormen Herausforderungen ins Auge gefasst. Kein Versuch, eine Bandbreite von etwa 1,5 bis 2,5 Prozent als Ziel zu propagieren, das in schwierigen Zeiten von den Währungshütern natürlich viel einfacher zu erreichen wäre.
Nein, das Gegenteil ist der Fall: Die EZB hält an ihrem Zwei-Prozent-Ziel fest. "Alle Abweichungen nach oben oder unten sehen wir als unerwünscht an", sagte EZB-Präsidentin Lagarde in der Pressekonferenz. In einer Zeit, in der weltweit alles drunter und drüber geht und Ziele nur schwer erreichbar sind, verschärfen die Notenbanker damit quasi ihre Ambitionen, das selbst gesteckte Inflationsziel von zwei Prozent zu erreichen.
Vertrauen der Verbraucher sichern
Das sind guter Nachrichten für Verbraucherinnen und Verbraucher, die in den vergangenen Monaten so manche Zweifel an der Verlässlichkeit der EZB hatten. Zwar ging die Inflationsrate im Euroraum zuletzt im Mai tatsächlich auf 1,9 Prozent und damit unter die Zielmarke von zwei Prozent herunter. Doch die Bevölkerung geht von einer wieder anziehenden Teuerung aus. Ein Warnsignal für alle Währungshüter - nicht nur, weil höhere Inflationserwartungen tatsächlich Auswirkungen auf die reale Inflation haben. Sondern auch, weil es letztendlich ein Zeichen ist, dass das Vertrauen der Bevölkerung in die Währungshüter nicht allzu groß ist.
Klima wird stärker mitgedacht
Nun also die Reaktion der EZB: das Mandat, Preisstabilität zu liefern, bleibt oberste Priorität. Damit nicht genug: Der Klimawandel wird sich künftig ebenfalls stärker in der Geldpolitik niederschlagen. Weil Dürren und Überflutungen der Landwirtschaft zunehmend Probleme bereiten und damit ein zentraler Faktor für den Preisanstieg bei Nahrungsmitteln sind, wird dieser Aspekt künftig stärker in die Geldpolitik einfließen.
Während dieser Aspekt bei der letzten Strategie-Überprüfung noch hoch umstritten war, gibt es heute kaum noch einen Notenbanker, der dagegen Einwände erhebt. Zu deutlich sind die Verschiebungen in der Wetterlage überall zu spüren - auch in Sintra, wo das Thermometer bei strahlendem Sonnenschein derzeit rund 40 Grad anzeigt.
Die Strategie-Überprüfung hatte Lagarde kurz nach ihrem Amtsantritt im November 2019 auf den Weg gebracht. Bereits 2021 wurde das Inflationsziel konkretisiert. Hatte es zuvor geheißen, die Notenbank strebe einen Wert von knapp unter zwei Prozent an, sollte er von nun an punktgenau bei zwei Prozent liegen. Jetzt wurde der Prozess abgeschlossen.
Zwar gibt es noch einige Änderungen bei einigen Details der Strategie - Gravierendes ändert sich jedoch nicht, außer dass die "grünen Aspekte" nun tatsächlich stärker in die Geldpolitik einfließen und auch anderen Entwicklungen, etwa die Auswirkungen von KI und fortschreitender Digitalisierung und ihre Auswirkungen auf Preise künftig eine stärkere Beachtung finden.
Rolle des Euro
Allerdings will die EZB künftig agiler sein und flexibler auf Veränderungen reagieren: "Wir sind gut aufgestellt, um in einer sich schnell ändernden Welt zu reagieren", so Lagarde. Damit legt die Präsidentin auch die Vorlage für die Diskussionen auf dem EZB-Forum in den kommenden Tagen: Neben den Herausforderungen für die Weltwirtschaft geht es dabei auch um die künftige Rolle des Euro als Reservewährung, die dem angeschlagenen US-Dollar zunehmend Konkurrenz macht.
Für die rund 150 geladenen Gäste aus Notenbank-Welt, Wissenschaft und Wirtschaft dürfte das nicht nur inhaltlich schweißtreibend werden. Die Hitzewelle soll nämlich auch in Portugal noch anhalten.
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