Nun geht es Schlag auf Schlag und neben BMW bringt auch Mercedes eine vollelektrische SUV-Mittelklasse in Stellung. Der neue GLC kommt einen Zacken konservativer daher als der BMW, aber durchaus radikal neu. ntv.de durfte bereits Probe sitzen.

Frank Sieren, langjähriger China-Korrespondent, hat kürzlich in einem Interview mit der "Welt" ausführlich erklärt, warum die deutsche Autoindustrie im Grunde gar nicht mehr aufholen könne im Kampf mit den chinesischen Autobauern. Und dass ein Porsche 911 nicht einmal mehr als Prestigeobjekt im Stau funktioniere.

Zugegeben, beim Thema autonomes Fahren geht in China deutlich mehr, was allerdings auch an der Gesetzgebung liegt. Und die Tatsache, dass Apps wie Alipay oder WeChat bei den deutschen Herstellern nicht tiefenintegriert ist, hindert mehr und mehr Kunden im Reich der Mitte am Kauf europäischer Produkte. Und generell ist ja klar: Warum sollen die Chinesen deutsche Ware kaufen, wenn heimische Produkte besser und besser werden bei günstigeren Preisen? Das nennt man wohl Binsenweisheit.

Allerdings besteht immer eine Gefahr einer Fehl- oder zumindest Halbinformation, wenn man sich nicht differenziert mit der Produktlandschaft auseinandersetzt. Daher existiert in unserer Gesellschaft das Bild der rückständigen deutschen Automobilindustrie, obwohl das mitnichten der Fall ist. Viele Menschen nehmen nämlich an, dass chinesische Hersteller beim Thema Batterie, Effizienz und Ladeperformance die Nase vorn hätten. Doch diese Auffassung ist mit Vorsicht zu genießen. Denn in Wirklichkeit sind viele Brot- und Butter-Fahrzeuge der Marken BYD, Chery oder selbst des zweifelsohne renommierten Geely-Konzerns bloß mäßige Ladeperformer.

Nur wenige Chinesen laden schnell

Besonders hohe Ladetempi oder große Stromspeicher jenseits der 120 kWh gegebenenfalls mit festen Elektrolyten werden selbst bei den chinesischen Herstellern entweder noch erprobt oder sind als Serienmodelle bisher rar. Die gerade modifizierten Xpeng-Modelle G6 und G9 mit über 500 kW Ladeleistung, Nio-Topbaureihen oder spezielle Produkte von Li Auto sind im Vergleich zur Fahrzeuggesamtheit in China rare Ausnahmen. Bei Mercedes beispielsweise ploppen ebenfalls sogar schon 800 kW am Horizont auf. AMG hat es bereits kommuniziert. Hier müssen sich die Deutschen also kaum verstecken.

Und der gerade enthüllte GLC macht analog zum neuen BMW iX3 schon mächtig Dampf beim Laden. Natürlich sind 800 Volt hier gesetzt. Auf diese Weise ist der frisch entwickelte Stromer in der Lage, die Moleküle tanzen zu lassen und den 94 kWh (netto) großen Akku innerhalb von etwas mehr als 20 Minuten auf 80 Prozent State of Charge zu boosten. Und Mercedes nennt zehn Minuten für das Nachladen von bis zu 303 Kilometern bei 330 kW maximaler Ladeleistung.

Doch das ist nur die eine Seite. Beim neuen GLC hat Mercedes alle Register gezogen auch im Hinblick auf maximale Effizienz. Ein automatisches Zweigang-Getriebe sorgt für niedrige Motordrehzahlen; kein Wunder, dass die WLTP-Reichweite bei bis zu 714 Kilometern liegt, was einem WLTP-Verbrauch von 14,9 bis 18,8 kWh entspricht. Hier muss die Praxis allerdings noch zeigen, was Sache ist.

Neuinterpretation des Grills

Was Mercedes jedenfalls schon mal vorab zeigt, ist Grill. Und zwar ganz schön viel davon. Auf das üppige Stück mit wilder Beleuchtung sind die Untertürkheimer immerhin so stolz, dass sie es bereits eine ganze Weile vorher präsentiert haben. Jetzt weiß die Öffentlichkeit auch, dass das Heck nicht ganz so fancy aussieht, sogar ein bisschen gewöhnungsbedürftig mit dem dicken Leuchtband samt stilisierter Sterne, aber das ist eben Geschmacksache.

Interessanter ist der Blick auf die inneren Werte. Und hier erwartet den vorderen Passagier rund einen Meter gestochen scharfes Display, während die Fondpassagiere viel Platz genießen dank 2,97 Metern Radstand. Apropos Display: Hier läuft das neue MB.OS "Superhirn", wie der Hersteller es selbst nennt. Ob das auch die Chinesen überzeugen kann, muss sich noch herausstellen.

Inwieweit Bedienkomfort und die KI-Unterstützung, mit der die Anlage arbeitet, auch Europäer überzeugt, muss sich ebenfalls noch herausstellen. Eindrucksvoll ist der Monitor jedenfalls schon mal. Und so darf der User zwischen der geballten Anzeige-Dröhnung wählen und dem dagegen eher dezenten System der BMW-Neuen-Klasse. Was aber nehmen? Vielleicht das mit einem Schuss Nutzwert. Den erzeugt Mercedes qua mechanischer Bedienelemente auf dem Lenkrad, die wieder richtig klicken und rasten. Ist zurück auf Basis von Kundenkritik, wer hätte das gedacht.

Und während der BMW iX3 mit seiner Retro-Optik schmeichelt, haut der etwas ungelenker aussehende Benz künftigen Besitzern ein Gadget nach dem anderen um die Ohren. Wie ntv.de bereits im Zuge der Entwicklungsfahrten erfühlen durfte, soll der GLC vor allem Benchmark beim Fahrkomfort sein. Daher sind Features wie Hinterachslenkung und Luftfederung vom Start weg im Spiel.

Und etwas für die Sinne hat Mercedes auch noch spendiert, also neben dem Riesen-Display. So gibt es ein Panoramadach mit beleuchtetem Sternenhimmel, das abendlichen Fahrten einen Hauch von Magie bescheren soll. Die Pragmatiker würden sich schon über Sitzkomfort freuen. Den sollen Sessel mit AGR-Gütesiegel besorgen. Spannend, dass Mercedes jetzt ebenfalls auf diesen Zug aufspringt - als erster Hersteller hatte sich Opel schon vor Jahren seine Sitze durch den Verein "Gesunder Rücken e.V." zertifizieren lassen.

In Kombination mit dem 489 PS starken Antrieb soll hier also ein souverän-komfortables Langstrecken-Tool entstanden sein (210 km/h Topspeed). Eins, das mit 1740 Litern Kofferraumvolumen und 2,4 Tonnen Anhängelast obendrein noch praktisch anmutet. Challenge accepted - ob es geklappt hat, müssen dann spätere Tests zeigen.

Zu den Preisen verrät Mercedes zwar noch nichts, aber zumindest für das Topmodell GLC 400 4Matic wird man sich wohl auf rund 70.000 Euro gefasst machen müssen. Allerdings haben die Schwaben bereits angekündigt, vier weitere Varianten zu bringen. Und zwar solche mit weniger Akkukapazität und Motorleistung. Analog zum CLA dürfte es sich bei den Batterien um LFP-Ausgaben handeln, die freilich weniger schnell laden (um 200 kW). Hier könnte der Blick nach China dann doch nicht schaden, denn Xpeng schafft ultraschnelles Charging auch mit LFP zum fairen Kurs.

Dafür weht dem User bereits bei der Sitzprobe ein Hauch von Mercedes-Präzision entgegen. Mal sehen, ob dieser Eindruck bei den ersten Testrunden bestätigt werden kann. Dass dieser GLC mit inhouse entwickelter Permanent-Synchronmaschine besser ankommen dürfte als sein eher blasser Vorgänger EQC, darf angenommen werden. Bis zum Verkaufsstart laufen sich die Teams in Bremen schon mal warm, denn dort wird das SUV gebaut. Bestellung und Auslieferung dürften 2026 erfolgen.

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