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Die 1884 offiziell gegründete Nürnberger Versicherungsgruppe steht ab sofort zum Verkauf, wie der Vorstand des Unternehmens unter Konzernchef Harald Rosenberger am Freitag mitteilte. Derzeit würden bereits exklusive Gespräche mit der österreichischen Vienna Insurance Group (VIG) geführt, die die Mehrheitsanteile an der ins Wanken geratenen fränkischen Versicherungsgruppe übernehmen soll. Ob es dazu am Ende kommt, hängt nicht zuletzt ab von der sogenannten Due Diligence, also der genauen Prüfung und Analyse des zu übernehmenden Unternehmens, die jetzt beginnt.

Die Struktur des Nürnberger-Konzerns

Die Nürnberger Beteiligungs-AG ist die Obergesellschaft des Nürnberger Versicherungskonzerns. Die maßgeblichen Gesellschaften der Gruppe sind laut AfU Research GmbH die Nürnberger Lebensversicherung AG, die NÜRNBERGER Allgemeine Versicherungs-AG samt ihrer Tochter Garanta Versicherungs-AG (seit 1985 als berufsständischer Versicherer des Kfz-Gewerbes; wesentlich initiiert durch den seinerzeitigen ZDK-Präsidenten und Chef der MAHAG-Gruppe, Fritz Haberl) und die Nürnberger Krankenversicherung AG.

Die jeweiligen Einzelgesellschaften decken ein breites Spektrum von Geschäftsfeldern sowohl in der Schaden-, Unfall- und Autoversicherung, als auch auf den Gebieten der Lebens- und Krankenversicherung ab. Die Fürst Fugger Privatbank KG ergänzt die Aktivitäten um die private Vermögensberatung und -verwaltung.

Regional ist der Konzern neben Deutschland auch in Österreich (mit der 1981 in Salzburg gegründeten Nürnberger Versicherung AG Österreich) aktiv. In der Kfz-Branche bekannt wurde auch die 2007 gegründete Nürnberger Sofortservice AG und u.a. der 2021 erfolgte Nürnberger-Einstieg beim InsurTech Getsurance, einem Berliner Unternehmen, das sich auf innovative Versicherungsprodukte im Online-Vertrieb spezialisiert hatte und von dem man sich am 1. März letzten Jahres wieder trennte.

Unverwechselbares Unternehmen

Der Slogan "Schutz und Sicherheit im Zeichen der Burg" wurde übrigens erst im Jahr 1958 kreiert. Zusammen mit der Silhouette der Nürnberger Kaiserburg als (seit 1928 gültigem) Logo hat das Unternehmen ein unverwechselbares Markenzeichen geschaffen. Im Dezember 2016 erneuerte die Nürnberger ihren Markenauftritt, indem sie das Logo stilisierte und ihren Slogan nochmals nachschärfte in "Schutz und Sicherheit. Seit 1884."

Verluste, Kosten, Stellenabbau

Branchen-Insider Herbert Fromme (versicherungsmonitor.de) beleuchtete in der Wochenendausgabe der Süddeutschen Zeitung die Hintergründe der aktuellen Schieflage. So habe vor allem ein Verlust in Höhe von 57 Millionen Euro im Vorjahr die finanzielle Situation deutlich verschärft. Die Nürnberger müsse nun "eine ganze Reihe von Löchern stopfen, unter anderem beim Eigenkapital, bei den eigenen Betriebsrenten und bei den Kosten der IT-Modernisierung". Offenbar sei der Vorstand zu der Erkenntnis gekommen, dass man dies "allein kaum schaffen" kann. Das bereits beschlossene Kostensenkungsprogramm, das einen Abbau von 600 der 4300 Stellen beinhalte, "kann die Wende nicht bringen".

Massive Defizite durch Kfz- und Gebäudeschäden

Das Konzernergebnis 2024 der Nürnberger selbst weist in dem vom Unternehmen veröffentlichten Geschäftsbericht sogar ein Gesamtdefizit von 77 Mio. Euro aus, womit man die ursprünglich mit 40 Mio. Euro ausgewiesene Gewinnprognose "deutlich revidieren" musste. Der Geschäftsbericht hält für 2024 außerdem fest, dass ein "deutlich negatives Ergebnis in der Schadenversicherung zu dem erheblichen Defizit unseres Konzernergebnisses" beigetragen habe. Erneut seien "Schäden und Aufwände in der Kfz- und Gebäudeversicherung, insbesondere verursacht durch Inflation, Großschäden und Elementarschadenereignisse, überdurchschnittlich hoch ausgefallen". 

Mittelgroß = Klassischer Übernahmekandidat

Mit einem Umsatz von 3,67 Milliarden Euro gehört die Nürnberger laut Fromme ohnehin eher zu den mittelgroßen Versicherern, die in Deutschland sehr selten, dafür aber als potentielle Übernahmekandidaten umso mehr gefragt seien. Auch die Versicherungskammer Bayern (VKB), die sich bereits im Jahr 2000 den fränkischen Versicherer einverleiben wollte, gilt derzeit zusammen mit der Provinzial erneut zu den Kaufinteressenten des fränkischen Assekuranz-Konzerns. Als großer Aktionär hat die VKB sogar ein Mitspracherecht beim Verkauf. Ebenfalls Übernahme-Avancen soll die spanische Mapfre haben. 

VIG will Standort, Marke und Identität beibehalten

Maßgeblich für die aktuell laufenden Verhandlungen zwischen der VIG und der Nürnberger sind nach Auskunft aus Wien "insbesondere die strategischen Optionen, die finanziellen Investmentindikatoren und die Zusagen zur Standortsicherung sowie zum Erhalt der Marke und Identität der NÜRNBERGER". Das Ergebnis der Prüfungen und der Verhandlungen über Einzelheiten einer Transaktion seien indes derzeit "ebenso offen wie deren Zustandekommen". 

Wem gehört aktuell die Nürnberger?

Der Aktionärskreis der Nürnberger Beteiligungs-AG besteht derzeit aus Erst- und Rückversicherern (ca. 66%), Banken und Fondsgesellschaften (ca. 5%) sowie aus Vertriebspartnern, institutionellen und privaten Investoren (ca. 29%). Größter Einzel-Anteilseigner ist  die SEBA Beteiligungsgesellschaft mbH mit 20,79 Prozent, gefolgt von der Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft AG (19,1%), der Versicherungskammer Bayern (16,26%) und der japanischen Daido Life Insurance Company (14,99%). Die restlichen 28,86 Prozent befinden sich im Streubesitz der vorgenannten, unterschiedlichsten Anleger.

600 Stellen sind sicher weg – wie viele werden noch folgen?

Die Vienna Insurance Group ist die führende Versicherungsgruppe in Zentral- und Osteuropa. Rund 30.000 Mitarbeitende sind in mehr als 50 Versicherungsgesellschaften und Pensionskassen in 30 Ländern für die VIG tätig. An rund 33 Mio. Kunden:innen hat die VIG im Geschäftsjahr 2024 nach eigenen Angaben insgesamt 15,23 Milliarden Euro an Prämien berechnet. Aufgrund eines deutlich geringeren Wettbewerber-Umfelds in Österreich und Osteuropa gilt die VIG laut Herbert Fromme zudem als "hoch profitabel". Um ein vergleichbares Profitabilitätsniveau auch mit einer möglichen deutschen Tochter namens Nürnberger halten zu können, hält Fromme eine "massive Kostensenkung" für unabdingbar. "Alles läuft darauf hinaus, dass es über den schon verkündeten Abbau von 600 Stellen weitere Reduzierungen der Belegschaft geben wird."

VIG oder VKB mit Provinzial – wahrscheinliche Optionen, unterschiedliche Ziele

Für den Vorstand der Nürnberger und ihren Chef müsse die Übernahme durch die VIG "nichts Schlechtes sein", sondern könne sogar "attraktiver sein, als eine Lösung mit einem deutschen Versicherer zu finden". Fromme‘s Fazit: "Ein deutscher Käufer – zum Beispiel VKB mit Provinzial – würde die Nürnberger in der einen oder anderen Form in die eigene Gruppe integrieren. Aber bei der VIG würde die Führung der Nürnberger zur Leitung der deutschen Gesellschaften eines internationalen Konzerns mutieren. Vorstandschef Rosenberg wäre VIG-Deutschlandchef. Wer weiß, vielleicht holen ihn die Österreicher auch in die Führung in Wien, schließlich repräsentiert er dann die größte Tochtergesellschaft des Konzerns." 

Für die VIG, die in Deutschland aktuell nur via Interrisk (Wiesbaden) aktiv ist, würde die Nürnberger-Übernahme den erfolgreichen Einstieg in den deutschen Markt bedeuten. Im Moment aber bleibt alles (noch) graue Theorie, solange die Prüfung der Bücher und Analyse des gesamten Unternehmens in Nürnberg läuft und sich die weiteren Interessenten noch nicht vollends in Stellung gebracht haben. Vor allem VKB und Provinzial werden ihrerseits ebenfalls alles daran setzen, Mehrheitseigner der Nürnberger zu werden. 

Was passiert mit dem "Vertriebsweg Autohaus" als "Eckpfeiler" der Nürnberger?

Völlig ungewiss ist im Moment auch, wie es mit der GARANTA als berufsständischem Versicherer des Kfz-Gewerbes und mit diversen Einzelgesellschaften wie beispielsweise der TECHNO Versicherungsdienst GmbH (TVD) und der NÜRNBERGER AutoMobil Versicherungsdienst GmbH (NAU) weitergehen wird.

Noch vor vier Jahren waren im Exklusivgespräch mit AUTOHAUS Bernhard Heusl als Geschäftsführer von TVD und NAU sowie der damalige Konzernvorstand Peter Meier stolz auf den "Vertriebsweg Autohaus", der zu den "unternehmerischen Eckpfeilern" der Nürnberger zähle: "Unser Autohaus-Konzept ist einzigartig im Markt", hielten Heusl und Meier übereinstimmend im Gespräch mit unserer Redaktion fest.

Der Cross-Selling-Ansatz

Als einzige Assekuranz Deutschands sei man zudem "berufsständischer Versicherer des Kfz-Gewerbes" und besitzt damit sowohl beim ZDK, als auch bei mehr als 2.300 Partner-Autohäusern eine erstklassige Reputation. Betreut werden die Autohaus-Partner (Unternehmen, MItarbeiter und Kunden) von rund 500 Versicherer-eigenen Experten deutschlandweit mit gewerblichen und privaten Versicherungslösungen. Zielstellung sind stets die sogenannten Cross-selling-Geschäfte, bei der die Kfz-Police im Autohaus als Türöffner betrachtet wird, um weitere Policen (Leben, Kranken, Sach/Haft/Unfall etc.) bei den Kfz-Kunden mit vermarkten zu können.

Schadensteuerung in eigener Hand

Wie auch bei anderen, markeneigenen Versicherungsdiensten, sollen möglichst hohe Penetrationsraten dazu beitragen, dass Unfallschäden idealerweise aktiv in den vermittelnden Kfz-Betrieb zurückgeführt und nicht durch eine "fremde" Assekuranz in deren Partnerbetrieb ausgesteuert werden. 

Kennzahlen zum TECHNO Versicherungsdienst (TVD)

■ 1972 durch eine Kooperation der Techno Einkauf GmbH und der Nürnberger Versicherung gegründet; Start als Techno Rechtsschutz Versicherungsvermittlungs-GmbH mit stetiger Ausweitung der Geschäftsfelder zum umfassenden Portfolio des heutigen TVD.
■ Zielstellung von Anfang war die Verfügbarmachung attraktiver Versicherungsangebote für Autohaus-Kunden auch außerhalb der klassischen Kfz-Versicherung im privaten Bereich.
■ stetige Angebotsausweitung des TVD auch für die gewerblichen Belange der Gesellschafter (z. B. Multirisk-Police u. a.) und deren Beschäftigte (z. B. Pensions-Management/Betriebsrente, weitergehende Vorsorgesysteme wie z. B. betriebliches Krankenversicherungsmanagement, Gruppentarife ohne Gesundheitsfragen, Mitversicherung von Angehörigen etc.).
■ seit 2016 stehen den 150 Techno-Gesellschaftern mit ihren rund 1.900 Betriebsstätten zwei verschiedene TVD-Modelle zur Verfügung:
– Kunden-Betreuung durch einen (fest von der Nürnberger, jetzt NAU, angestellten) Versicherungsexperten oder
– Ausbildung von eigenen TVD-Experten, die ihrerseits als Versicherungs-Vermittler vor Ort auftreten.
■ Mehr-Erträge durch permanent wachsendes Cross-Selling-Versicherungsgeschäft mit Provisionen für Neu- und Bestandskunden. 
■ höherer Werkstattumsatz durch daraus resultierende intensivere Kundenbindung.
■ Sicherstellung der Schadenrückführung in das mit dem TVD kooperierende Autohaus.
■ damit Absicherung von Umsatz und Rendite im Geschäftsbereich Karosserie- & Lack/Unfallin-standsetzung.

Kennzahlen zum NÜRNBERGER AutoMobil Versicherungsdienst (NAU)

■ im Oktober 2020 neu gegründete Gesellschaft (intern abgekürzt als „NAU“).
■ nahezu sämtliche 400 Mitarbeiter aus dem zuvor bekannten „Vertriebsweg Autohaus“ der Nürnberger-Garanta wurden auf der Grundlage von § 613 a BGB mitsamt aller Rechte in die NAU übergeführt.
■ vermittelt im Kraftfahrtgeschäft Produkte der Nürnberger bzw. Garanta Autoversicherung oder im Rahmen von direkten Hersteller-Kooperationen auch für markenspezifische Captives.
■ Risikoträger des vermittelten Geschäfts ist entweder die Nürnberger Allgemeine Versicherungs-AG oder die Garanta als berufsständische Versicherung des Kfz-Gewerbes.
■ die Versicherungs-Experten der NAU treten in den Autohäusern als sogenannte Mehrfach-Vermittler auf und können jetzt auch – DSGVO-konform – Kunden von herstellereigenen Captives zusätzliche Produkte aus allen Versicherungssparten (Leben, Kranken, Sach) anbieten und vermarkten.
■ speziell auf die betrieblichen und kundenspezifischen Belange angepasste Versicherungs-Lösungen (z. B. Multirisk-Police für die Immobilie und Gruppentarife für beschäftigte Mitarbeiter).
■ Mehr-Erträge durch permanent wachsendes Cross-Selling-Versicherungsgeschäft mit Provisionen für Neu- und Bestandskunden. 
■ höherer Werkstattumsatz durch daraus resultierende intensivere Kundenbindung.
■ Sicherstellung der Schadenrückführung in das mit der NAU kooperierende Autohaus und damit Absicherung von Umsatz und Rendite im Geschäftsbereich Karosserie- & Lack/Unfallinstandsetzung.

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