Trump wirft die amerikanische Öl-Herrschaft weg
Drill, baby, drill - das war im Präsidentschaftswahlkampf das Mantra von Donald Trump. Der 78-Jährige wollte die Öl- und Gasindustrie von den Umweltfesseln der Biden-Regierung befreien und eine Ära der US-amerikanischen Energiedominanz einläuten. Doch die Ölkonzerne jubeln nicht, sie leiden.
Donald Trump macht keinen Hehl daraus, welche Energieträger für ihn "schön und sauber" sind und welche er wertvoll wie "flüssiges Gold" findet. Im Wahlkampf war sein Mantra: Drill, baby, drill! Ölkonzerne sollen mehr Öl fördern, Gaskonzerne mehr Flüssiggas über die Weltmeere schippern - und damit eine neue Ära der US-amerikanischen Energiedominanz begründen.
Doch 100 Tage nach Beginn seiner zweiten Amtszeit passiert das Gegenteil: "Trump hat geschafft, wovon die globale Konkurrenz nur träumen konnte", schreibt das US-amerikanische Börsenmagazin "Barron's". "Er hat die amerikanische Vormachtstellung im Energiebereich eigenhändig zur Explosion gebracht."
Denn der US-Präsident will nicht nur die fossile Industrie von ihren Umweltfesseln befreien, sondern auch niedrige Benzinpreise. Und Frieden zwischen Russland und der Ukraine. Und Venezuela bestrafen. Und mit seinen Strafzöllen den Welthandel neu ordnen. Doch diese Pläne nützen den amerikanischen Ölkonzernen nicht, sie schaden ihnen.
Abschied der Schattenflotte?
Beginnen wir mit der Ukraine. Trump hatte einen sehr simplen Plan, wie er den Krieg beenden kann: Das Ölkartell Opec muss seine Förderquoten erhöhen, um den globalen Ölpreis zu senken. "Wenn der Ölpreis sinkt, würde der Krieg zwischen Russland und der Ukraine sofort enden", sagte Trump wenige Tage nach seiner zweiten Amtseinführung wiederholt. "Im Moment ist er so hoch, dass dieser Krieg weitergehen wird."
Trumps Argument lautet wie folgt: Russland verdient noch immer sehr viel Geld mit Ölexporten. Sinken die Ölpreise, verfügt Wladimir Putin nicht über ausreichend Geld, um seinen Angriff auf die Ukraine fortzusetzen.
Der 78-Jährige hat nicht unrecht, auch Russlands Zentralbankchefin Elvira Nabiullina sagt: Ein Rückgang der Ölpreise hätte einen starken Einfluss auf die russische Wirtschaft. Aber er führt nicht automatisch zu einem Kriegsende, das weiß man seit Anfang April: Vor knapp einem Monat hat Opec-Anführer Saudi-Arabien tatsächlich angekündigt, dass das Kartell ab Mai mehr Öl fördern wird - 411.000 Barrel am Tag.
Das habe in Russland durchaus zu Unruhe geführt, sagt ntv-Korrespondent Rainer Munz. Ein niedriger Ölpreis hat ihm zufolge aber auch Vorteile für die russische Wirtschaft. Denn nach wie vor schreiben westliche Sanktionen einen Ölpreisdeckel von 60 Dollar pro Barrel für russisches Öl vor. "Wenn der Ölpreis unter 60 Dollar liegt, braucht Russland nicht mal mehr seine Schattenflotte, um das Öl zu verkaufen", sagt Munz. "Mit diesem Preis kann Russland nicht mehrere Jahre umgehen, aber schon mehrere Monate."
Trump befeuert Rezession
Um Russland wirklich in Bedrängnis zu bringen, müsste der Ölpreis weiter fallen. Etwa auf 50 Dollar, das ist die Zielmarke Trumps für niedrige Benzinpreise. Das ist nicht ausgeschlossen, die US-Bank Goldman Sachs hält im Extremfall einen Preis von 40 Dollar je Barrel für möglich. So ein niedriger Preis würde aber nicht nur der russischen Wirtschaft schweren Schaden zufügen, sondern auch den amerikanischen Ölkonzernen.
Denn die Prognose von Goldman Sachs beruht unter anderem auf der Annahme, dass die Weltwirtschaft in eine schwere Krise abdriftet, die Konsumnachfrage sinkt und die Ölkonzerne keine Abnehmer mehr für ihr Öl finden.
Dummerweise befeuert Trump dieses Szenario sogar, und zwar mit seinen Strafzöllen. Sie könnten das Wachstum in den USA und auch in China abbremsen. Sollten die beiden größten Volkswirtschaften in eine Rezession abrutschen, sind fallende Ölpreise garantiert.
Verliert Chevron Venezuela?
Auch Trumps Venezuela-Politik entlastet die Ölindustrie nicht. Der US-Präsident wirft dem Regime von Nicolas Maduro in Caracas unter anderem vor, gezielt Kriminelle und Mitglieder von Drogenbanden in die USA zu schleusen. Deswegen hatte Trump im März angeordnet, dass jedes Land, das Öl oder Gas aus Venezuela bezieht, einen Strafzoll von 25 Prozent auf sämtlichen Handel mit den USA zahlen muss.
Der größte Käufer des venezolanischen Öls ist China. Dank einer Sonderlizenz beutet aber auch Chevron seit 2022 die Quellen des südamerikanischen Landes aus. Jetzt muss der amerikanische Ölriese seine Förderung sehr wahrscheinlich zum 27. Mai einstellen.
Ölindustrie schaltet um
Beim Blick auf die Kapitalentscheidungen zeigt sich bereits, dass Trump den amerikanischen Ölkonzernen ein beachtliches Problem eingebrockt hat. Jeder Konzern muss regelmäßig festlegen, was er mit seinen Gewinnen macht: Schüttet er das Geld über Dividenden und Aktienrückkaufprogramme an die Aktionäre aus oder investiert er in neues Wachstum, sprich neue Öl- und Gasquellen?
In der Vergangenheit haben die großen Ölkonzerne laut dem Wirtschaftsportal Bloomberg im Schnitt zwei Drittel ihrer Gewinne in neues Wachstum investiert, ein Drittel wurde an Aktionäre ausgeschüttet. Inzwischen hat sich das Verhältnis umgekehrt: Nur noch ein Drittel fließt in Wachstum, zwei Drittel gehen an die Aktionäre.
Diese Entwicklung ist ein klares Zeichen dafür, dass sich Investitionen in neue Ölquellen aktuell kaum lohnen. Die amerikanischen Konzerne leiden unter dem Boom der günstigen Erneuerbaren, aber auch unter niedrigen Ölpreisen: Für sie ist die Erschließung neuer Quellen eigenen Angaben zufolge erst ab einem Preis von 65 Dollar je Barrel wirtschaftlich. Rutscht er stattdessen wie von Trump gewünscht auf 50 Dollar ab, könnte das Gegenteil von "drill, baby, drill" eintreten: Die amerikanische Ölindustrie diskutiert bereits, ob sie weniger Öl fördern sollte.
Riad profitiert - Peking auch
Die amerikanischen Ölkonzerne waren unter Joe Biden die weltweit größten Produzenten. Zusammen haben sie jeden Tag genauso viel Öl gefördert wie Saudi-Arabien und Russland zusammen. Ihre Preise waren stabil, ihre Einnahmen auch. Sie haben die Opec vor sich hergetrieben.
Anstatt darauf aufzubauen, macht Trump der Branche mit seinen Entscheidungen das Leben schwer - und hilft ausgerechnet der Konkurrenz: Zu den großen Gewinnern der niedrigen Preise zählt Opec-Anführer Saudi-Arabien, das so günstig wie kein anderes Land Öl fördern und der amerikanischen Konkurrenz derzeit Marktanteile wegnehmen kann.
Und auch der große geopolitische Feind China profitiert. Peking ist nicht länger auf günstiges russisches Öl angewiesen, um seine Wirtschaft am Laufen zu halten, sondern hat freie Auswahl. Die Volksrepublik hat ihre Ölimporte aus den USA inzwischen fast vollständig gestoppt und bedient sich zunehmend in Kanada. Trump wollte eine neue Ära der amerikanischen Öldominanz einläuten - stattdessen ist er dabei, sie wegzuwerfen.
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