In ihrem Podcast „Make Economy Great Again“ diskutieren Ulf Poschardt und Daniel Stelter über Wirtschaft und Politik. Das folgende Transkript ist die komprimierte Essenz der jüngsten Folge von „Make Economy Great Again“.

Ulf Poschardt: Unser Podcast heute ist spezieller. Denn nächste Woche nehmen wir live in Berlin auf – mitten in Shitbürger-Hausen, im Osten der Stadt. Wir freuen uns sehr! Es gibt, glaube ich, noch eine Handvoll Karten. Wer will: gerne zugreifen. Dann erlebt Ihr mal die Dynamik zwischen Daniel und mir – er der Vernünftige, ich der Hitzkopf. Das ist immer ein großes Vergnügen. Wir legen gleich los mit der Rentenreform. Das Rentensystem steht meines Erachtens paradigmatisch für die unterlassenen Reformbemühungen in den Sozialversicherungssystemen der vergangenen 20 Jahre. Der Spruch, den die Deutschen vor allem mit der Rente verbinden, steht für die staatliche Garantie: „Die Rente ist sicher.“ Gesagt hat das Norbert Blüm, der die linke, sozialpolitische Seite der Union verkörperte. Dahinter stand auch Helmut Kohl – jemand, der als Vertreter der ökonomischen Vernunft der bürgerlichen Union gilt.

Jetzt aber kommt die „Junge Gruppe“ in der Unions-Bundestagsfraktion und sagt: Der Rentenreform können wir so nicht zustimmen. Es geht um die Frage der Generationengerechtigkeit. Wenn das umlagefinanzierte System in dieser Form fortgesetzt wird und die Festschreibung des Rentenniveaus bei 48 Prozent bis 2031 bestehen bleibt, dann führt das dazu, dass wir jedes Jahr zig Milliarden Euro aus Steuergeldern ins Rentensystem pumpen müssen.

Gleichzeitig wird dabei der demografische Faktor nicht ernst genommen. So aber wird die Belastung für die Jungen nicht nur größer, sondern das, was am Ende für sie selbst herauskommt, immer weniger. Das ist ein guter Punkt, finde ich, um daran das Schicksal der Koalition festzumachen. Wie siehst Du das, Daniel?

Daniel Stelter: Ich freue mich über den Protest der jungen Abgeordneten – wobei wir, glaube ich, sagen müssen: Sie protestieren ja gegen das, was über die Vereinbarung im Koalitionsvertrag hinausgeht. Festgeschrieben wurden darin diese 48 Prozent. Jetzt aber hat das Ministerium von Frau Bas eine Regelung vorgelegt, in der etwas reingemogelt wurde, während gleichzeitig die erforderliche Anpassung nicht stattfindet. So kostet uns das Programm nicht nur die festgesetzten 150 Milliarden, sondern noch einmal 150 Milliarden obendrauf – also ungefähr in dieser Größenordnung.

Eigentlich wird viel zu spät dagegen protestiert. Man hätte schon vorab sagen müssen: So einen Koalitionsvertrag dürfen wir nicht unterschreiben.

Du hast gerade Norbert Blüm und Helmut Kohl gelobt – ich sehe das natürlich anders. Helmut Kohl war nicht gerade jemand, der in wirtschaftlichen Kategorien gedacht hat. Im Gegenteil. Er trägt eine große Verantwortung dafür, dass die Schröderschen Reformen überhaupt notwendig wurden.

Und man muss auch daran erinnern, dass uns die ganze Misere im Grunde Adenauer eingebrockt hat. Das frühe Rentensystem von Bismarck war noch kapitalgedeckt. Adenauer hat dann in den 1950er-Jahren aber gesagt: Kinder kriegen die Menschen immer, also machen wir ein Umlagesystem. Das war der große Fehler.

Wir hätten längst, wie Schweden oder die Schweiz, eine kapitalgedeckte Säule einführen sollen. Dann stünden wir heute ganz anders da. Haben wir aber nicht. Und jetzt haben wir die Wahlmacht der Alten.

Die Grünen waren in der Opposition immer laut bei diesem Thema, aber als sie selbst in der Ampel-Regierung saßen, haben sie es auch nicht angepackt. Denn alle wissen: Mit den Alten legt man sich nicht an.

Ich hoffe deshalb, dass die Jungen das durchziehen – auch wenn es bedeutet, dass die Koalition zerbricht. Denn die Rente ist für mich nur ein Symptom dieser Regierung. Gleiches gilt für die Krankenversicherung – alles, was wir schon besprochen haben. Diese Systeme sind eigentlich untragbar geworden. Und es ist furchtbar, in welcher Parallelwelt unsere Regierung und viele Politiker leben.

Der Sachverständigenrat der Bundesregierung weist seit Jahren darauf hin, dass Deutschland an Wettbewerbsfähigkeit verliert. Die Hauptgründe dafür sind die hohen Energie- und Lohnstückkosten, also letztlich der Sozialstaat. Meine Hoffnung wäre, dass die jungen Abgeordneten der Union dieser Regierung den Stecker ziehen. Dann könnte eine Minderheitsregierung versuchen, mit wechselnden Mehrheiten Reformen durchzusetzen – das, was im Land wirklich nötig ist. Sonst, muss ich ehrlich sagen, sehe ich schwarz.

Denn ich war letzte Woche wieder unterwegs auf einer Veranstaltung und habe dort mit Unternehmern gesprochen. Dabei habe ich einiges gelernt. Erstens: Diejenigen, die im Ausland Niederlassungen haben, verlagern konsequent weiter – still und leise. Zweitens: Die, die noch nicht im Ausland sind, verlagern dorthin, suchen Auswege oder denken über Geschäftsaufgabe nach. Ein Steuerberater sagte mir, dass sein Geschäft boomt, weil seine Mandanten nach Konstruktionen suchen, um beim Ausstieg aus Deutschland die Wegzugsteuer zu umgehen.

Und dann kam die Kernaussage: Vor einem Jahr gab es noch Hoffnung, dass es nach der Wahl eine bessere Regierung geben würde. Heute ist die Stimmung noch schlechter, weil diese Hoffnung nicht mehr existiert.

Poschardt: Ich finde die Diskussion um die Rente auf mehreren Ebenen interessant. Zum einen, weil sich die jungen Leute beim Thema Generationengerechtigkeit so alleingelassen fühlen. Eigentlich sollten die älteren bürgerlichen Politiker erkennen, dass die Jungen recht haben. Wir alle haben Familien, Kinder, Enkel – und wissen, dass es so nicht weitergehen kann.

Bemerkenswert ist auch, dass der Teil der Linken, der sonst immer von Gerechtigkeit redet, bei diesem Thema komplett ausfällt. Wenn ich jetzt richtig reaktionär wäre, würde ich sagen: Das kommt vielleicht von all den non-binären LGBTQ-Familienmodellen, in denen Nachhaltigkeit familiär gar nicht mehr gedacht werden muss – und davon, dass sich unter all dem Gaslighting die jungen Abgeordneten der Linken und der Jusos quasi aus dem Staub machen.

Besonders deprimierend ist aber, dass es früher hieß: Alter macht klug, die weißen, alten Männer sind vernünftig. Jetzt ist es umgekehrt: Die Jungen sind vernünftig. Und zwar nicht die ÖRR-Jungen mit Nasenringen auf Klimademos oder die, die identitätspolitischen Gender-Schwachsinn zum Hauptthema machen, sondern jene jungen Leute, für die wir diesen Podcast machen – fleißig, ehrgeizig, ambitioniert. Deshalb hoffe ich auch sehr darauf, dass die „Junge Gruppe“ kompromisslos bleibt.

Aber diese Diskussion über den Standortfaktor eignet sich vielleicht gut als Schwenk zum nächsten Thema: die Klimakonferenz in Brasilien. Da hat Friedrich Merz eine vierminütige Rede gehalten und unter anderem versichert, dass Deutschland einen von Brasilien ins Leben gerufenen Milliardenfonds zum Schutz der Tropenwälder unterstützen werde. Unsere Kommentatoren Daniel Wetzel und Axel Bojanowski haben dazu sinngemäß geschrieben: „Das war suizidal, was da gesagt wurde.“ Wie hast Du Merz wahrgenommen, Daniel?

Stelter: Ich glaube, wir Deutschen leben immer noch in einer Traumwelt, was Klimapolitik betrifft. Auf der einen Seite sprechen wir über Wirtschaft, dann über Klima und Klimaschutz, aber wir verstehen die Zusammenhänge überhaupt nicht. Stattdessen heißt es oft: Wenn wir jetzt keinen Klimaschutz betreiben, werden die zukünftigen Kosten viel höher sein.

Dazu muss man Folgendes sagen. Erstens: Selbst wenn es uns morgen nicht mehr gäbe, wäre der Schaden fürs Klima derselbe. Denn die größten Klimasünder waren auf dieser Konferenz gar nicht anwesend – die USA nicht, China nicht, Indien nicht.

Zweitens: Was da läuft, ist eine riesige Umverteilungsorgie. Es wird sofort Druck aufgebaut, dass Deutschland voranschreiten und den Amazonas-Fonds als Erster mitfinanzieren soll, damit wir wieder allen zeigen, wie gut wir sind. Aber die eigentliche Frage ist doch: Was erreichen wir damit?

Wenn man sich seriöse Studien anschaut, dann heißt es darin: Ja, es wird wirtschaftliche Schäden durch den Klimawandel geben, und es wird deshalb auch Verluste an Wirtschaftsleistung geben. Gleichzeitig aber wächst die Weltwirtschaft weiter, selbst wenn all der Schaden eingerechnet wird. Und eine reichere Welt kann besser mit dem Klimawandel umgehen.

Ist das ein Plädoyer fürs Nichtstun? Nein. Aber wir müssen wirtschaftlich voranschreiten, damit wir ein positives Beispiel geben. Und genau das tun wir nicht. Wenn wir weiter an wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit verlieren, dann ist das existenzbedrohend. Dann haben wir zwar enormen Schaden angerichtet, aber ohne dem Weltklima auch nur im Ansatz zu helfen.

Mir ist völlig unverständlich, warum wir immer noch in dieser Klimatraumwelt gefangen sind. Die wahre Antwort auf den Klimawandel – und das hören Klimaschützer ungern – wird eine technologische sein: sich mit neuen Technologien dem Klimawandel anzupassen und damit umzugehen, statt zu glauben, man könne ihn aufhalten. Andere Länder machen es längst vor.

Poschardt: Wir haben eine kulturelle Dominanz von shitbürgerlichen Themen, die dazu führt, dass man auf die Realität nicht mehr schaut.

Stelter: Du musst es so sehen: Wir befinden uns längst in einem globalen Wirtschaftskrieg. Die Amerikaner und die Chinesen treten gegeneinander an – wir haben schon ausführlich darüber gesprochen. Die Amerikaner haben erkannt, dass sie die Herausforderung annehmen müssen. Trump hat das sicher nicht immer smart gemacht, aber er hat verstanden, dass China sich strategisch hervorragende Positionen sichert – Stichwort Seltene Erden, Technologie, Rohstoffe.

In diesem Konflikt ist Europa bloß Spielmasse. Denn es ist nicht so, dass die Amerikaner sagen: „Oh, wir passen auf Europa auf.“ Im Gegenteil. Wenn die Amerikaner ihre eigene Wirtschaft stärken können, werden sie keine Sekunde zögern, das auch auf Kosten Europas zu tun.

Die Chinesen freuen sich über den Krieg in der Ukraine: Er schwächt Russland, macht es abhängiger von China – und gleichzeitig schwächt er die Europäer. China fordert seit Jahren, dass der Westen beim Klimaschutz voranschreiten soll. Sie haben das in Paris getan, und sie tun es weiter – mit gigantischen Förderungen, hunderten Milliarden Dollar für Thinktanks. Wozu? Um den Wettbewerb zu schwächen. Denn bei uns steigen die Kosten, die Industrie wandert ab, während China neue Absatzmärkte schafft. Das ist das Spiel, das gerade läuft.

Wer in diesem Spiel weiter naiv bleibt und sagt: „Ich will das Klima retten“, anstatt zu sagen: „Meine erste Aufgabe ist, wirtschaftlich stark zu bleiben“ – der ist einfach selten dämlich. Wenn Deutschland, wenn Europa in Zukunft eine Rolle spielen will, dann braucht es erstens wirtschaftliche Stärke, damit Du zweitens militärische Stärke bekommst. Und erst dann hast Du politischen Einfluss. Wir aber laufen weiter um die Welt und tun so, als wären wir relevant, obwohl wir es nicht mehr sind – weder beim Bruttoinlandsprodukt noch bei der Verteidigungsfähigkeit, noch technologisch. Und das regt mich auf. Diese Selbsttäuschung!

Stattdessen heißt es: „Uns geht’s doch so gut.“ Nein, geht’s uns nicht. Wir werden durchgereicht – beim BIP pro Kopf, bei den Technologien, bei der industriellen Substanz. Unternehmen reden über Abwanderung, nicht über Investitionen. Wir erhöhen die Renten, tabuisieren jede Sozialreform, diskutieren Gendersternchen. Wir glauben, wir könnten im Alleingang das Weltklima retten, während wir uns selbst ins Knie schießen.

Und wenn Du mich jetzt fragst, was ich von Herrn Merz halte, dann antworte ich: Für mich ist Merz ein Totalausfall! Er kann Reden halten, die immer aufs jeweilige Publikum zugeschnitten sind – das kommt an. Aber Reden sind Schall und Rauch. Immer, wenn ich ins Büro fahre, gibt es da so einen Spruch: „Reden ist cool, Machen ist cooler.“ Und genau das fehlt. Merz macht nichts.

Und deshalb bin ich auch genervt von diesen Stahlgipfeln und ähnlichen Symbolveranstaltungen. Wir leben immer mehr in einer Welt, die mich an die DDR erinnert. Wir glauben, alles durch staatliche Steuerung und Subventionen lösen zu können, also mit Geld – excuse my french – zuzuscheißen. Aber das funktioniert nicht. Die Politiker glauben aber immer noch, das ginge so.

Frau Reiche sagt die richtigen Dinge, sie benennt, was getan werden muss. Aber wo ist Herr Merz, der sagt: „Genau, das ist meine Ministerin. Das ziehen wir jetzt durch“? Stattdessen lässt er andere über sie herfallen. Und dann siehst Du unseren Bundesumweltminister Carsten Schneider im Fernsehen, der sagt: „Wir haben die Verträge unterschrieben. Wir müssen 2045 klimaneutral sein.“ Ich gebe Dir heute schriftlich: Das werden wir nicht sein. Stattdessen werden wir uns – neben den Knien – auch noch in die Oberschenkel, die Oberarme und vielleicht in den Kopf geschossen haben. Aber klimaneutral sind wir nicht.

Poschardt: Du hast natürlich recht. Ich fand nicht nur Carsten Schneider interessant, sondern auch die Entwicklungsministerin, die gesagt hat: „Klimaschutz ist sozial.“ Aber dann kommt auch noch Wadephul und sagt: „Unsere Klimapolitik ist auch Außenwirtschaftsförderung.“ Und das ist echt Realsatire.

Dazu passt ja auch die aktuelle Diskussion über grünen Stahl und die geplanten Subventionen. Lieber Daniel, wird grüner Stahl nicht ein Renner in der globalisierten Ökonomie?

Stelter: Nein. Im September 2025 lag der europäische Preis für Warmbandstahl bei rund 615 Euro. In China kostet dieselbe Menge rund 480 Dollar, also etwa 500 Euro. Wir haben also schon heute einen massiven Kostennachteil.

Und dieser Kostennachteil wird beim „grünen Stahl“ noch größer – das sagen alle Studien. Grünen Stahl kannst Du eigentlich nur dort herstellen, wo es kostengünstige, CO₂-arme Energiequellen gibt. Es ist kein Zufall, dass das große Wasserstoffprojekt, das wir angestoßen haben, seinen Wasserstoff künftig aus Frankreich bezieht. Dort wird er mit Atomkraft produziert, was das Ganze günstiger macht.

Früher hatten wir die unschlagbar billige Kohle. Dann kam die Ära von Öl und Gas. Mit dem russischen Pipeline-Gas hatten wir sogar einen zusätzlichen Vorteil: günstige Energie, direkt vor der Tür. Wenn Du jetzt aus dieser Welt aussteigst – aus globalem Preis plus Transportkosten – und in eine Welt gehst, in der Du von erneuerbaren Energien abhängig bist, dann wandert logischerweise jede energieintensive Produktion dorthin, wo diese erneuerbaren Energien im Überfluss vorhanden sind.

Und auch wenn das bei uns gerne geleugnet wird: In Deutschland sind die Voraussetzungen für Erneuerbare einfach schlecht. Wir haben wenig Sonne, auch beim Wind sieht es nicht berauschend aus. Damit stehen wir vor der Situation, dass eine energieintensive Produktion wie Stahl in Deutschland niemals funktionieren kann, wenn sie auf erneuerbare Energien und Wasserstoff setzt. Die Frage lautet also: Wie viele Jahrzehnte will man den Stahl subventionieren?

Poschardt: Ich beantworte die Frage mal ganz schlank: überhaupt nicht. Ich glaube an keine Art von Subvention.

Stelter: Das war auch eher eine rhetorische Frage. Jetzt kann man natürlich fragen: Ist es überhaupt sinnvoll, eine Stahlbranche in Europa zu haben? Sicherlich. Schon für Verteidigungszwecke ergibt das durchaus Sinn. Aber dann stellt sich die eigentliche Frage: Wie kann Stahl in Europa wettbewerbsfähig hergestellt werden?

Ich bleibe bei meiner alten Aussage: Wer die Energiewende will, sollte erst für billige Energie sorgen – und dann die Energiewende machen. Nicht umgekehrt. Das gilt auch für diese Branche. Was jetzt an Maßnahmen geplant ist – Stichwort Industriestrompreis –, das ist absurd: Du bekommst ein paar Jahre Subvention, musst aber gleichzeitig nachweisen, dass die Hälfte in CO₂-Einsparungen fließt, also wieder Bürokratie. Wer glaubt, dass auf dieser Grundlage Unternehmen in Deutschland langfristig investieren, hat einfach keine Ahnung vom Einmaleins der Wirtschaft.

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