Noch immer kein Gesetz gegen versteckte Preiserhöhungen
Inhalt des Artikels:
- Versteckte Preiserhöhungen durch weniger Inhalt
- Verbraucherzentrale Hamburg klagt gegen Mogelei bei Milka-Schokolade
- Verbraucherschützer fordern Gesetzgeber zum Handeln auf, andere Länder sind bereits weiter
- Verbraucherschützer spricht Deutschland "Armutszeugnis" aus
Versteckte Preiserhöhungen durch weniger Inhalt
1) Der Inhalt schrumpft: Shrinkflation
Weniger Inhalt, doch der Preis bleibt gleich. Fachleute sprechen hier von "Shrinkflation", auch "Schrumpflation" genannt. Denn "Shrinkflation" ist zusammengesetzt aus dem Wort "to shrink", was so viel bedeutet wie schrumpfen oder kleiner werden, und Inflation.
Ein aktuelles Beispiel sind Kaugummis der Marke Airwaves. Früher waren zwölf Stück in einer Packung, nun sind noch zehn darin. Der Preis ist gleich geblieben. Gehen wir von 99 Cent aus, ist das eine versteckte Preiserhöhung von 20 Prozent. Bei den Big Erdnuss Flippies von funnyfrisch ist der Inhalt auch geschrumpft. Früher waren 175 Gramm Flips für rund 2,19 Euro zu haben. Jetzt gibt es nur noch 150 Gramm, aber für 2,29 Euro. Der Packungsinhalt ist damit 22 Prozent teurer.
2) Hier wird an den Zutaten gespart: Skimpflation
Manche Hersteller kaschieren die geringere Füllmenge auch noch, indem sie die Packungsgröße einfach so lassen. Verbraucherschützer haben das schon lange im Blick und fordern die Politik auf, für mehr Transparenz bei den Produktpreisen zu sorgen. Die Verbraucherzentrale Hamburg kürt seit 2014 eine "Mogelpackung des Jahres", die Verbraucher aus fünf Kandidaten wählen können. 2024 bekam das Getränk Granini Trinkgenuss Orange von Eckes-Granini die Krone aufgesetzt, nachdem der Anteil an Orangensaft pro Flasche halbiert worden war.
Ein Mittel der Hersteller, an den Inhalten zu sparen, ist auch, die Zutatenrezeptur zu verändern. Fachleute sprechen hier von "Skimpflation". Das englische Wort "skimp" heißt "knausern" oder "einsparen". "Wir können nachvollziehen, dass Unternehmen versuchen, höhere Kosten an Verbraucherinnen und Verbraucher weiterzugeben. Doch schrumpfende Füllmengen und der Verzicht auf wertvolle Zutaten sind der falsche Weg, um Margen zu sichern. Statt Shrink- und Skimpflation brauchen wir mehr Preisklarheit und -wahrheit!", erklärte die Verbraucherzentrale Hamburg im Zuge der Wahl zur Mogelpackung des Jahres 2024.
Wir können nachvollziehen, dass Unternehmen versuchen, höhere Kosten an Verbraucherinnen und Verbraucher weiterzugeben. Doch schrumpfende Füllmengen und der Verzicht auf wertvolle Zutaten sind der falsche Weg, um Margen zu sichern. Statt Shrink- und Skimpflation brauchen wir mehr Preisklarheit und -wahrheit!
Verbraucherzentrale Hamburg klagt gegen Mogelei bei Milka-Schokolade
"Das Problem ist, dass die Milka-Schokolade genauso aussieht wie immer", erklärt Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg gegenüber dem MDR-Magazin Umschau. Dabei hält er eine alte Packung neben eine neue mit reduziertem Inhalt. "Auf den ersten Blick kann man keinen Unterschied erkennen. Gleich groß, gleiche Aufmachung", so Valet. Dass nun vorne auf der Packung in einer Ecke 90 Gramm stehen, wobei früher auf der Rückseite der Packungen noch 100 Gramm standen, dafür sei schon ein genaues Hinsehen nötig. Denn in der Transportverpackung im Supermarktregal ist die Mengenangabe in der Ecke nicht zu erkennen, die Tafel Schokolade muss erst herausgezogen werden.
Was sich auch geändert hat: Die Schokolade ist dünner geworden, wie eine Messung des MDR-Magazins Umschau gezeigt hat: statt 7,5 Millimeter ist sie nur noch 6,8 Millimeter dick. Früher kostete sie 1,49 Euro, inzwischen 1,99 Euro. Das ergibt zusammen einen Preissprung um 48 Prozent. Das hat der Schokolade auch den Negativpreis "Goldener Windbeutel" in diesem Jahr eingebracht. Er ist das Ergebnis von Verbrauchern bei der Online-Abstimmung der Verbraucherschutzorganisation Foodwatch. Hier standen fünf Kandidaten zur Wahl zur "dreistesten Werbelüge" des Jahres.
Die Verbraucherzentrale Hamburg wirft dem Hersteller Mondelez Irreführung vor, wie Armin Valet dem MDR-Magazin Umschau sagt. "Deshalb haben wir ihn verklagt und werden beim Landgericht Bremen diesen Fall ausfechten", führt er aus. Mendelez teilt auf MDR-Anfrage dazu mit: "Damit die Veränderung auf einen Blick erkennbar ist, ist die neue Grammatur jeder entsprechenden Tafel deutlich sichtbar auf der Verpackung angegeben."
Verbraucherschützer fordern Gesetzgeber zum Handeln auf, andere Länder sind bereits weiter
Per Gesetz ist in Deutschland bislang nicht festgelegt, wann davon ausgegangen werden kann, dass eine Produktaufmachung Kunden über den tatsächlichen Inhalt täuschen könnte. In Frankreich ist das seit Juli 2024 anders. Wird der Packungsinhalt verringert, muss am Supermarktregal darauf hingewiesen werden, damit Kunden das auch gleich sehen. Angestoßen wurde das Ganze auch durch die Supermarktkette Carrefour. Dort wurden Verbraucher schon seit 2023 durch Hinweisschilder vor "Shrinkflation" gewarnt. Darauf zu lesen ist: "Bei diesem Produkt ist der Inhalt weniger geworden und der von unserem Lieferanten berechnete Preis hat zugenommen." Wie die Verbraucherzentrale Bundesverband berichtet, gibt es eine Pflicht zu Warnhinweisen vor Mogelpackungen auch in Ungarn bereits seit März 2024.
Österreich will bis Ende 2025 ein Gesetz gegen Shrinkflation auf den Weg bringen. "Vor rund vier Jahren sind in größerem Maß Fälle aufgetreten von dieser Shrinkflation" sagt Teresa Bauer vom österreichischen Verein für Konsumenteninformation zum MDR-Magazin-Umschau. Es gebe auch "immer mehr Meldungen von Konsumentinnen und Konsumenten". Dass es in Österreich bald ein Gesetz geben soll, liegt auch an einer erfolgreichen Klage der Verbraucherschützer am Oberlandesgericht Wien gegen den Produzenten Iglo. Iglo Austria hatte seinen Atlantik-Seelachs 2023 von 250 Gramm auf 220 Gramm reduziert, bei gleicher Packungsgröße. Der Preis von 14,99 war geblieben und führte zu einer versteckten Preiserhöhung von 14 Prozent. Das Oberlandesgericht Wien verurteilte das und die Packungsmenge wurde wieder angehoben. "Diese Klage hat auf jeden Fall Signalwirkung für den gesamten Markt", sagt Verbraucherschützerin Bauer. Man merke, dass "einige Hersteller vorsichtiger geworden sind, Füllmengen zu verändern".
Verbraucherschützer spricht Deutschland "Armutszeugnis" aus
2023 war ein Verbot von "Mogelpackungen" auch Thema in der Bundespolitik. Diskutiert wurde, eine Füllmengen-Reduzierung bei gleichbleibender Verpackungsgröße im deutschen Handel zu unterbinden. Doch dabei blieb es. Im Koalitionsvertrag der aktuellen Regierung findet sich zum Thema nur dieser kurze Satz: "Wir setzen uns für mehr Transparenz bei versteckten Preiserhöhungen ein." Was ist geplant? Über eine neue EU-Verpackungsverordnung sollen auch Mogelpackungen eingedämmt werden. Allerdings erst ab 2030. Eine Mogelpackungs-Kennzeichnung soll es hingegen nicht geben. Verbraucherschützer Armin Valet spricht von einem "Armutszeugnis". Es sei "sehr frustrierend", weil die Verbraucherschützer damit weiter die "Arbeit der Überwachung übernehmen" müssten. Ein Lichtblick: Einzelne Hersteller kennzeichnen mittlerweile geschrumpfte Inhalte. Bei einem Schoko-Müsli von Kölln heißt es etwa gut sichtbar auf der Packung "Weniger Inhalt, gleiche Qualität". Und derartige Hinweise wünschen sich Verbraucher auch laut einer Studie des Portals Lebensmittelklarheit aus dem Jahr 2024 mit einer deutlichen Mehrheit von 87 Prozent. Das Portal Lebensmittelklarheit ist ein Projekt der Verbraucherzentrale Bundesverband.
MDR (cbr)
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