Wie man vermögenswirksame Leistungen anlegt
Vermögen ist in Deutschland ungleich verteilt, stellte Unionsfraktionschef Jens Spahn (CDU) unlängst fest. Diese Erkenntnis ist nicht neu. Und schon früh in der Geschichte der sozialen Marktwirtschaft in der Bundesrepublik wollte die Politik Abhilfe schaffen, die Ungleichheit zumindest verringern. Per Gesetz anno 1961 ist es der Arbeitnehmerschaft möglich, sich am sogenannten Produktivkapital zu beteiligen, also selbst Vermögen zu bilden. Das klingt sperrig, ist aber vergleichsweise vernünftig geregelt. Eine echte Errungenschaft – die alle Arbeitnehmer nutzen sollten.
Vermögensbildung staatlich gefördert
Arbeitgeber in Deutschland müssen ihren Belegschaften ermöglichen, einen Teil ihres Einkommens anzulegen, also Vermögen zu bilden. Bis zu 40 Euro im Monat werden gefördert. Entweder als Abzug vom Gehalt oder als teilweise oder vollständige Zugabe zu Einkommen. Der Fachbegriff dafür: vermögenswirksame Leistung, kurz "VL" oder "VwL". Arbeitnehmer müssen dafür einen gesonderten Vertrag abschließen, in den das Geld fließt. Der Staat fördert solche Einzahlungen seit 1970 mit der sogenannten Arbeitnehmersparzulage. Seit vergangenem Jahr gilt: Wer weniger als 40.000 Euro (Verheiratete 80.000 Euro) Jahreseinkommen zu versteuern hat, erhält jährlich bis zu 470 Euro staatliche Zulage für seinen VL-Vertrag. Das Finanzamt errechnet auf Antrag in der Einkommensteuererklärung etwaigen Anspruch um Höhe der Förderung.
Die Einzahldauer für solche Verträge beträgt sechs Jahre. Nach einem Jahr Ruhezeit ist das Guthaben, im Mittel rund 3000 Euro, dann frei verfügbar. Sei es zum fortgesetzten Anlegen oder zum Ausgeben. Mit Arbeitnehmersparzulage kann annähernd das doppelte Guthaben zusammenkommen, was besonders Beziehern kleiner bis mittlerer Einkommen bei der Vermögensbildung hilft. Kniff: Man kommt sieben Jahre lang nicht an das entstehende Guthaben heran. Aber man kann einen Vertrag jederzeit stilllegen, und sodann auch einen neuen abschließen.
Vier Schritte sollte man vorher durchdenken.
Schritt 1: Zahlt mein Arbeitgeber vermögenswirksame Leistungen?
In Betrieben mit Tarifbindung wird die Antwort zumeist Ja lauten. Möglich auch, dass eine Betriebsvereinbarung dazu besteht. Gibt es beides nicht, lassen sich vermögenswirksame Leistungen auch individuell im Arbeitsvertrag vereinbaren. Lässt sich der Arbeitgeber auf keinerlei VL-Zahlung ein, muss er zumindest bei Vorlage eines Vertrages bis zu 40 Euro monatlich vom Einkommen des Mitarbeiters dorthin überweisen.
Wichtig: Wer keinen Vertrag vorlegt, erhält keine VL. Die bis zu 40 Euro monatlich spart dann der Arbeitgeber. Schätzungen zufolge ist das bei rund sieben Millionen Beschäftigten der Fall – was an Unwissenheit oder Scheu vor Finanzverträgen liegen könnte.
Weniger wahrscheinlich ist das bei Beamten, Richtern, Berufs- und Zeitsoldaten: Sie haben einen Rechtsanspruch auf vermögenswirksame Leistungen. Der Dienstherr fragt daher stets nach einem Vertrag für die Überweisung.
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Schritt 2: Investieren oder Sparen?
Es mag etwas haarspalterisch klingen: Aber als Vermögen gilt Grund- und Firmenbesitz, nicht aber Geld auf Bankkonten. Um Vermögen zu bilden, muss man der Wirtschaftslehre nach also nicht sparen, sondern investieren. Deshalb gibt es die staatliche Arbeitnehmersparzulage nur für VL-Anlagen in Aktien, also Firmenanteile, und in Immobilien. Korrekter wäre also, die Staatshilfe "Arbeitnehmerinvestitionszulage" zu nennen.
Da die Deutschen aber viel lieber "Sparen" als zu investieren, oder zumindest das Wort lieber mögen, haben viele VL-Verträge das entsprechende Etikett: "VL-Sparen". So bietet etwa die größte Direktbank hierzulande, die ING, VL-Anlagen nur per Sparkonto an. Das mag daran liegen, dass das Frankfurter Institut 1965 genau dafür gegründet wurde. Auf Initiative von Gewerkschaftern. Das angelegte Geld ist zwar sicher, die Anlage kostenfrei, doch die Verzinsung ist mit rund einem Prozent jährlich eher bescheiden, und staatliche Zulage gibt es dafür nicht. Das gilt auch für VL-Anlagen in Lebensversicherungen.
Letztlich ist es eine persönliche Entscheidung, ob man lieber spart oder investiert. Nur so viel: Wer langfristig Vermögen, reale Werte, bilden will, kommt um Investieren kaum herum.
Schritt 3: In Aktien oder Immobilie investieren?
Wer sich ernsthaft mit dem Gedanken trägt, Immobilieneigentum zu erwerben oder zu modernisieren, bietet die VL-Anlage in einen Bausparvertrag, einen Einstieg, einen Finanzierungsbaustein – als VL mithin (teil-)finanziert vom Arbeitgeber. Je nach Einkommen kann man neben der Arbeitnehmersparzulage auch noch staatliche Wohnungsbauprämie erhalten. Ob und wie sich ein Angebot rechnet, ist detailreich. Die größte private Bausparkasse hierzulande, Schwäbisch Hall, rechnet vor, mit einer monatlichen Einzahlung von knapp 100 Euro plus aller staatlichen Zulagen auf eine verfügbare Summe von rund 25.000 Euro zu kommen, davon etwa 11.000 als Darlehen.
Deutlich einfacher ist das Investieren in Aktien. Insbesondere Genossenschaftsbanken und Sparkassen bieten zur VL-Anlage diverse Investmentfonds an. Auch in das Finanzvehikel "ETF", Kürzel für Exchange Traded Funds, können VL fließen. Sie gelten, verglichen mit Aktienfonds, gemeinhin als kostengünstig. Was am Ende der Einzahldauer herauskommt? Hängt von der Entwicklung an der Börse ab. Bei einer VL-Vertragsdauer von sieben Jahren hält sich das Verlustrisiko historisch betrachtet in Grenzen. Und im Fall der Fälle lassen sich die erworbenen Fondsanteile so lange halten, bis ein etwaiger Verlust überstanden ist.
Schritt 4: Welchen VL-Vertrag auswählen?
Es gilt der Grundsatz, dass die Rendite umso höher ist, je geringer die Kosten einer Anlage sind. Tatsächlich langen Banken, Sparkassen und deren Fonds-Anbieter bei VL-Aktienfonds-Anlagen durchaus zu. Und auch ETF-Anlagen sind nicht kostenlos, ein Vergleich bekannter Anbieter wie Comdirect, Fidelity, Finvesto oder Oskar ist empfehlenswert – aber sicher nicht jedermanns Sache. Dasselbe gilt für VL-Bausparangebote.
Und so könnte man auf einen zweiten, durchaus guten Gedanken kommen, nämlich einfach bei seiner Bank oder Sparkasse nach deren VL-Angeboten fragen, abschließen, das Infoblatt des Anbieters bei der Lohnbuchhaltung im Betrieb abgeben – fertig. Die Erfahrungswerte nach sieben Jahren werden beim Abschluss des anschließenden VL-Vertrages helfen.
Die folgende Tabelle gibt eine Übersicht über grundsätzliche Konditionen, Vor- und Nachteile der Anlagemöglichkeiten:
| VL-Anlage-Möglichkeiten | Staatliche Förderung | Eigenschaften |
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weltweit anlegende Aktienfonds (oder ETF) bieten einen überschaubaren Einstieg in die Geldanlage an der Börse. Kosten und Kursschwankungen sollten bedacht werden |
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nur sinnvoll bei Immobilienerwerbsabsicht oder Modernisierungsvorhaben |
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keine Förderung | kostenfreie und sichere Anlage, je nach Zinsniveau aber nicht allzu rentierlich |
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keine Förderung | als kurzlaufender Einzelvertrag kaum geeignet, allenfalls als langfristig besparter „Ketten-VL-Vertrag“ zu Firmenkonditionen |
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