Die Politik debattiert darüber, wie Deutschland vor Drohnenangriffen geschützt werden kann. Dabei könnten eigene Drohnen eine wichtige Rolle spielen. Die Industrie dafür in Deutschland wächst.

Für die Passagiere am Münchener Flughafen ist die abstrakte Bedrohung aus der Luft sehr konkret geworden. An zwei Abenden hintereinander legten in der vergangenen Woche Drohnensichtungen den Flugverkehr lahm, zahlreiche Menschen mussten auf Feldbetten übernachten.

"Wir haben in Deutschland alles da"

Die Vorfälle haben ein altbekanntes Defizit offengelegt: Deutschland ist auf Drohnenangriffe kaum vorbereitet. Nun will die Politik eilig gegensteuern. Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) hat "Härte und Hightech" im Kampf gegen Drohnen angekündigt, Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) will "abschießen statt abwarten" - und die Bundespolizei soll nach einem Kabinettsbeschluss neue Kompetenzen auch in der Drohnenabwehr erhalten.

Um diese Pläne in die Tat umzusetzen, wird der Staat in Verteidigungssysteme investieren müssen, unter anderem in Abwehrdrohnen.

Waldemar Geiger sieht die Industrie in Deutschland dafür gut aufgestellt. Der ehemalige Bundeswehroffizier betreibt die Internetseite hartpunkt.de, ein Fachportal für Sicherheitsthemen.

"Wir haben in Deutschland alles da - etablierte Rüstungsunternehmen, aber auch viele Startups", sagt Geiger. "Hinzu kommen spezialisierte Unternehmen in Bereichen, die für die Drohnenindustrie wichtig sind, zum Beispiel in der Sensorik." Gefehlt habe bisher die Bereitschaft, Drohnenabwehrsysteme in großer Stückzahl zu beschaffen. Genau das ändere sich gerade aber.

Bundeswehr beschafft Abfangdrohnen

In dieser Woche hat das Beschaffungsamt der Bundeswehr bekannt gegeben, dass das Münchner Unternehmen Tytan Technologies mit einem Konzept für die Drohnenabwehr an Bundeswehrliegenschaften beauftragt wurde. Dabei sollen KI-gestützte Abfangdrohnen zum Einsatz kommen.

Außerdem hat die Bundeswehr beim niedersächsischen Hersteller Argus Interception Drohnen gekauft, die gegnerische Drohnen mithilfe eines Netzes in der Luft einfangen können. Offiziell ist nicht bekannt, um wie viele Systeme es geht, der Spiegel hatte im Juni unter Verweis auf interne Bundeswehrdokumente über zunächst 24 "Netzwerferdrohnen" berichtet, bis 2027 sollen demnach 136 weitere folgen.

Um sämtliche Kasernen und Einrichtungen der kritischen Infrastruktur in Deutschland zu schützen, bräuchte es allerdings Tausende solcher Systeme, so Verteidigungsexperte Geiger.

"Häufig nicht neueste Technologie"

Geringe Stückzahlen seien ein grundsätzliches Problem für die Drohnenindustrie in Deutschland, meint Robert Polok. Sein Unternehmen AirRobot aus dem nordrhein-westfälischen Arnsberg beliefert die Bundeswehr seit 2008 mit Aufklärungsdrohnen, in diesem Jahr waren es bisher hundert Stück. "Wenn ich hundert Drohnen produziere, ist der Stückpreis natürlich viel höher als wenn ich tausend Drohnen produziere", sagt der Geschäftsführer.

Hinzu kämen die langen Entscheidungszeiträume. "Das Beschaffungssystem in Deutschland ist so bürokratisch, dass häufig nicht die neueste Technologie zum Einsatz kommt", so Polok.

Abwehrdrohnen hat sein Unternehmen bisher nicht im Portfolio, er beobachtet aber aufmerksam die Debatte, die in der Öffentlichkeit und in Sicherheitskreisen geführt wird. "Der Bedarf ist durch die Drohnensichtungen sehr stark gestiegen", so Polok. "Das merken wir in Gesprächen mit Vertretern von Bundeswehr und Polizei."

Zur Frage, ob sein Unternehmen künftig auch in die Produktion von Abwehrdrohnen einsteigen will, hält er sich bedeckt. Wachstum erlebt AirRobot derzeit aber ohnehin. Das Team von aktuell 42 Mitarbeitern wird gerade erweitert.

Während die Industrie in Deutschland insgesamt in der Krise steckt, erleben Drohnenhersteller einen Boom. Laut dem Branchenmonitor des Bundesverbands der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie verzeichneten die Unternehmen im vergangenen Jahr ein Umsatzplus von neun Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Beschäftigtenzahl legte demnach sogar um 23 Prozent zu.

Wie aufwändig darf die Abwehr sein?

Die Drohnenabwehr ist unter anderem deshalb so komplex, weil verschiedene Verteidigungssysteme notwendig sind. "Gegen kleine 'Baumarkt-Drohnen' können Jammer helfen, also Geräte, die Störsignale aussenden", sagt Luca Manns, Geschäftsführer der Forschungsstelle Nachrichtendienste an der Universität zu Köln. 

Bei größeren Drohnen, die gezielt so umgerüstet sind, dass sie nicht auf Störsignale reagieren, sei allerdings gegebenenfalls ein Abschuss notwendig. "Drohnen mit Raketen abzuschießen ist unvernünftig teuer und verursacht unter Umständen großen Schaden", so Manns. "Aktuell ist der Aufwand für die Abwehr, wenn sie überhaupt gelingt, um ein Vielfaches höher als die Kosten für den Angreifer."

Geeignete Abfangdrohnen wären eine kostengünstige Alternative, so die Hoffnung. Erschwerend kommt allerdings hinzu, dass sich die Angreifer den Verteidigungssystemen anpassen. Das lasse sich in der Ukraine beobachten, wo Russland seine Angriffsdrohnen permanent weiterentwickle, sagt Verteidigungsexperte Waldemar Geiger. "Die Art der Bedrohung ändert sich ständig, deshalb müssen sich die Abwehrmaßnahmen auch ständig ändern", so Geiger. Die Drohnenabwehr sei ein Prozess, mit einer Maßnahme allein werde sich der Schutz nicht herstellen lassen.

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