Bouldern statt Beten
Seit Jahren verlieren die Kirchen Mitglieder, die Gebäude zu unterhalten wird stetig teurer. Gotteshäuser landen zum Verkauf auf Immobilienplattformen. Ideen, wie man sie gut nutzen kann, gibt es viele.
Die Evangelische Kirche Mitteldeutschland (EKM) betreibt für die gesamte evangelische Kirche ein eigenes Online-Portal: Kirchengrundstuecke.de. Dort werden nicht nur ungenutzte Pfarrhäuser oder Gemeindezentren gelistet, sondern auch Kirchen.
Verkäufe sind aufgrund von Denkmalschutzauflagen und oft maroder Bausubstanz eine Herausforderung. Der Verkaufsdruck werde weiter steigen, sagt EKM-Baureferatsleiterin Elke Bergt. Eine Umfrage unter Bauamtsleitungen der EKD habe ergeben: "Die Hälfte aller Kirchen brauchen wir als Kirche nicht mehr und dafür müssen wir andere Möglichkeiten finden."
Teilen statt schließen: Simultankirchen
Eine Option ist die Simultankirche: Evangelische und katholische Gemeinden nutzen ein gemeinsam ein Gebäude - oder feiern gelegentlich ökumenisch gemeinsam. Am Rande des Ruhrgebiets, in Krefeld, ist das bereits Alltag. Weil die evangelische Gemeinde ihre Kirche aus den 1960er-Jahren nicht weiter sanieren wollte, zog sie als Mieterin in die benachbarte katholische Kirche. Am alten Standort entstand ein Neubau für altersgerechtes Wohnen.
Fünf Jahre nach dem Umzug sagt der evangelische Pfarrer Christoph Tebbe, der Abschiedsschmerz lasse nach, die Entscheidung erweise sich angesichts des wachsenden Kostendrucks als richtig: "Statt das vorhandene Geld in Steine und Gebäude zu investieren, haben wir die Mittel für die Arbeit mit den Menschen zur Verfügung."
Teure Gebäude, schrumpfende Basis
Den Unterhalt einer Kirche können - und wollen - sich immer weniger Gemeinden leisten. Experten schätzen die reinen Betriebskosten auf durchschnittlich 26.500 Euro pro Kirche und Jahr - Renovierungen nicht eingerechnet. Bei etwa 47.000 Kirchen summiert sich das auf rund 1,2 Milliarden Euro jährlich.
Zugleich sinkt die Zahl der Kirchenmitglieder seit Jahren: von etwa 57 Millionen zu Beginn der 1990er-Jahre auf aktuell rund 39 Millionen. Durch Austritt und Demografie dürfte sich der Trend fortsetzen. Im Jahr 2060 könnte es nur noch 23 Millionen katholische und evangelische Christen geben, die Kirchensteuer bezahlen, so eine eher vorsichtige Schätzung.
Wenn Verkaufen die letzte Option ist
Auch der katholische Pfarrer Mario Lukes im nordhessischen Eschwege spürt den Mitgliederschwund. Seine Gemeinde bietet derzeit drei Kirchengebäude im Internet zum Verkauf an - zu Preisen zwischen 50.000 und 220.000 Euro.
Auch wenn ein Verkauf angesichts der finanziellen Situation aus Sicht des Priesters der richtige Weg ist, so bleibt es ein schmerzhafter Prozess: "Wir als Priester möchten doch keine Kirchen schließen", so Lukes. "Wir wollen eigentlich den Glauben zu den Menschen bringen."
Klettergriffe im Kirchenschiff
Was wird aus Kirchen, wenn die Gemeinde zu klein wird? Nicht jedes Gebäude eignet sich als Kulturzentrum oder Seniorentreff. Mancherorts entstehen neue Ideen - etwa in Bad Orb zwischen Frankfurt und Fulda. Dort eröffnete vor einem halben Jahr die "Boulder Church": Kinder und Erwachsene trainieren an Kletterwänden, wo früher gepredigt wurde.
"Der Pfarrer war einer der Ersten an der Wand", erzählt Inhaber Marc Ihl lachend, der mit einem Geschäftspartner knapp eine halbe Million Euro investiert hat. Die angrenzende Kapelle ist weiterhin geweiht, dort finden wieder Gottesdienste statt.
Neues Leben an der Mosel
An der Mosel hat eine Kirche auf ganz andere Weise zu neuem Leben gefunden. Vor 150 Jahren war sie für die wachsende Gemeinde Bernkastel-Wehlen zu klein. Nach einer wechselvollen Geschichte hat Anke Nuxoll-Oster dort mit ihrer Familie einen Ort für Familientreffen und Firmenevents geschaffen. "Ich möchte allen, die sich das vorstellen können, viel Mut machen", so die Inhaberin. Eine Kirche sei nun einmal ein besonderer Ort, von dem Besucher viel mitnehmen könnten.
Noch nie gab es für Interessenten mit Ambitionen so viele Gelegenheiten. Denn immer mehr Kirchengemeinden werden sich in Zukunft von ihren Kirchen trennen - oder auch trennen müssen.
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke