Schluss mit teuren Rettungsgeschenken für deutschen Stahl
Seit Jahren ist Deutschlands Industrie in einem stetigen Niedergang, vor allem den Stahlherstellern geht es schlecht. Nun soll ein Gipfel bei Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) die Wende bringen. Sein Vizekanzler Lars Klingbeil (SPD) hat schon einmal eine Art Vor-Gipfel mit den Arbeitnehmervertretern aus der Branche veranstaltet, gemeinsam mit seiner Co-Parteivorsitzenden, Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD), und mit Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU).
Die Forderungen der Gewerkschaft und der Industrie liegen auf dem Tisch, die Probleme sind bekannt. Wunder sollte aber niemand von den Gipfeltreffen erhoffen. Immer neue Steuermilliarden in eine sterbende Industrie zu stecken, den Strukturwandel durch Subventionen zu bremsen – das war schon immer eine falsche Idee. Die Bundesregierung muss der Versuchung widerstehen, die deutsche Stahlindustrie um jeden Preis zu retten.
Die Stahlindustrie in Deutschland zu halten wird gerne strategisch begründet, etwa weil man das Metall für die wieder wachsende Rüstungsindustrie im eigenen Land produzieren müsse. Doch dies ist nicht mehr als ein vorgeschobenes Argument. Panzerstahl kommt bisher schon überwiegend aus Schweden. Dort wird Strom dauerhaft billiger sein als hierzulande.
Genau hier zeigt sich das Problem – und die Versäumnisse der deutschen Politik in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten. Aufgabe einer Regierung ist es, die bestmöglichen Rahmenbedingungen für einen Fortbestand der Industrie zu schaffen. An dieser Stelle hat sie leider versagt. Die Steuern und Arbeitskosten sind in Deutschland im Vergleich zu hoch, die Energie zu teuer. Überregulierung bremst die Wirtschaft aus. Dazu kommt der verkorkste Umbau der Industrie hin zu „grünem Stahl“, der nicht mehr mithilfe von Koks, sondern mit Strom oder Wasserstoff hergestellt wird. Das Ziel, das Klima zu schützen, ist richtig, doch den Weg dahin hat die Politik falsch angelegt.
Während die Stahlhersteller ihre neuen Anlagen für die Produktion mit Wasserstoff bauen, ist noch völlig unklar, ob sie das Gas überhaupt bekommen werden. Und die Strompreise werden in Deutschland absehbar höher bleiben als in anderen europäischen Ländern. Außer für Schweden gilt das beispielsweise auch für Frankreich. Kurzfristig im Übergang mit einem subventionierten Industriestrompreis zu helfen, mag richtig sein. Es ist aber auch gut, dass die EU-Kommission die Maßnahme auf drei Jahre begrenzt. Es kann nicht sein, dass der Steuerzahler dauerhaft für den Erhalt der Stahlindustrie in Deutschland bezahlen soll.
Dass Europa eine eigene Stahlindustrie braucht, ist angesichts der geopolitischen Lage völlig klar. „Am Ende dürfen wir nicht die Dummen sein“, sagt Klingbeil mit Blick auf die Zölle in den USA und chinesisches Dumping. China nutzt schon jetzt Abhängigkeiten bei Rohstoffen gnadenlos aus, um die Europäer und die USA zu erpressen. Nur ist diese Abhängigkeit bei Stahl – im Gegensatz etwa zu Lithium – nicht gegeben. Es gibt einen großen Weltmarkt für das Metall, mit vielen friedlich gesinnten Anbietern und derzeit massiven Überkapazitäten.
Stahl ist billig auf der Welt und teuer in Europa. Das wäre selbst ohne den CO2-Preis auf EU-Ebene so, weil das Eisenerz fast vollständig importiert werden muss und Energie und Arbeit in anderen Weltregionen günstiger sind. Die Industrie auf europäischer Ebene zu schützen, ist daher sinnvoll. Es ist auch viel einfacher und günstiger als Regelungen auf nationaler Ebene. Den CO2-Grenzausgleich (CBAM) und Einfuhrquoten gibt es schon. Beide Instrumente müssen noch verbessert werden.
Zu einer eigenen, deutschen Industriepolitik nur für den Stahlsektor sollte sich die Bundesregierung nicht drängen lassen. Sie muss den Rahmen für die Wirtschaft insgesamt verbessern – aber nicht Steuergeld in einzelne Branchen versenken.
Dieser Artikel wurde für das Wirtschaftskompetenzzentrum von WELT und Business Insider erstellt.
Daniel Zwick ist Wirtschaftsredakteur in Berlin und berichtet für WELT über Wirtschafts- und Energiepolitik, Digitalisierung und Staatsmodernisierung.
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