Das Jahr der Superintelligenz? „Bis 2030 tun Modelle Dinge, die wir selbst nicht können“
Macht künstliche Intelligenz (KI) unser Leben leichter oder kostet uns KI am Ende den Job? Bringt KI Fortschritt in Bereichen wie Forschung und Medizin oder bedroht KI möglicherweise sogar unsere Existenz? Und wie tickt der Mann, der mit seiner Erfindung ChatGPT die Welt und auch unser Leben verändert hat? Ein Gespräch mit dem Träger des Axel Springer Awards 2025, dem Gründer und Vorstandschef von OpenAI, Sam Altman, am Rande des WELT KI Summit im Berliner Axel-Springer-Gebäude.
WELT: Sam, Du bist ein Pionier der künstlichen Intelligenz, giltst als Genie. Welche Eigenschaft von Dir wird künstliche Intelligenz niemals ersetzen können? Die künstliche Intelligenz entwickelt sich ja rasant. Und wann genau, glaubst Du, wird es eine Superintelligenz geben, die in allen Eigenschaften schlauer ist als der Mensch?
Sam Altman: Ich denke, in vielerlei Hinsicht ist GPT-5 bereits klüger als ich und als viele andere Menschen auch. GPT-5 kann sehr viele Dinge tun, aber viele Dinge, die Menschen ganz leicht fallen, kann es nicht. Und ich denke, so wird es einige Jahre lang bleiben: Wir werden sehen, dass KI-Systeme Dinge sehr gut können, und Menschen werden diese Werkzeuge nutzen und ihre menschlichen Fähigkeiten und ihren Einfallsreichtum einbringen, was auf viele Arten sehr wichtig ist. Ich erwarte, dass die Entwicklung der Fähigkeiten und des Fortschritts bei KI extrem steil bleibt. Wir haben in den zwei oder drei Jahren seit dem Start von ChatGPT – ist es wirklich schon drei Jahre her? – gesehen, wie viel leistungsfähiger die Modelle geworden sind.
WELT: Hast Du eine genaue Vorhersage, in welchem Jahr Du die Superintelligenz erwartest?
Altman: Eine Sache, die ich immer wieder gelernt habe, ist: Auch wenn wir sagen können, dass die Kurve sehr steil sein wird, sind sehr präzise Vorhersagen – es passiert in diesem Monat jenes Jahres – schwierig. Aber ich würde auf jeden Fall sagen: Bis zum Ende dieses Jahrzehnts, also bis 2030, wäre ich sehr überrascht, wenn wir bis dahin keine Modelle haben, die außerordentlich leistungsfähig sind und Dinge tun, die wir selbst nicht können. Ich wäre auch überrascht, wenn wir 2026 nicht ein ähnliches Tempo des Fortschritts sehen würden wie 2024 und 2025. Das heißt, dass ich bis Ende 2026 Modelle erwarte, die – wenn wir sie heute hätten – ziemlich erstaunlich wären.
WELT: Viele Experten glauben ja, dass ganze Berufsbilder verschwinden werden, vom Buchhalter bis zum Bankberater. Wie viel Prozent der Jobs, die es heute gibt, werden aus Deiner Sicht in absehbarer Zeit einfach verschwinden?
Altman: Innerhalb von 30 Jahren erwarte ich sehr viel Veränderung. Aber in 30 Jahren verändern sich Jobs ohnehin ständig. Wenn man an Tätigkeiten denkt, die wir vor 30 Jahren gemacht haben und die es heute vielleicht gar nicht mehr gibt, oder an neue Berufe, die vor 30 Jahren schwer vorstellbar waren und heute alltäglich sind – ich erinnere mich an eine Statistik, die besagte, dass sich etwa alle 75 Jahre die Hälfte der Jobs in einer Gesellschaft austauscht – und das sogar ohne KI. Ich erwarte, dass das jetzt schneller passieren wird. Ich finde es hilfreich, über den Prozentsatz der Aufgaben nachzudenken, die sich ändern, nicht über den Prozentsatz der Jobs. Es wird viele Berufe geben, bei denen sich vieles daran verändert, was diesen Job ausmacht. KI kann Dinge viel besser erledigen. Sie kann Menschen die Freiheit verschaffen, zusätzliche und andere Aufgaben zu erledigen. Es wird natürlich völlig neue Jobs geben. Und viele bestehende Jobs werden vollständig verschwinden und durch diese neuen ersetzt. Aber interessanter finde ich, wie hoch der Anteil der alltäglichen Aufgaben in allen Jobs sein wird, der von KI erledigt wird. Ich kann mir leicht eine Welt vorstellen, in der 30 bis 40 Prozent der Aufgaben, die heute in der Wirtschaft anfallen, in nicht allzu ferner Zukunft von KI erledigt werden.
WELT: Du bist dieses Jahr Vater geworden. Zu welcher Ausbildung würdest Du denn Deinem Sohn raten, damit sein Job in 30 Jahren nicht einfach von der KI ersetzt wird?
Altman: Es wird auf die Meta-Fähigkeiten ankommen, man muss lernen zu lernen, sich anzupassen, widerstandsfähig gegenüber viel Veränderung zu sein, herauszufinden, was Menschen wollen, wie man nützliche Produkte und Dienste für sie macht, wie man mit der Welt interagiert. Ich bin sehr sicher, dass Menschen füreinander weiterhin im Mittelpunkt stehen werden. Ich denke, das wird eine großartige Welt sein. Und ich bin genauso sicher, dass das menschliche Verlangen nach Neuem, der Wunsch, für andere nützlich zu sein, der Wunsch, unsere Kreativität auszudrücken – all das ist grenzenlos. In all den bisherigen technologischen Revolutionen haben sich die Menschen zu Recht gefragt: Was werden wir alle tun? In der Industrialisierung kamen die Maschinen, wir sahen ihnen dabei zu, wie sie die Dinge taten, die wir früher taten, und fragten: Welche Rolle bleibt für uns? Und jede neue Generation nutzt ihre Kreativität, neue Ideen und all die Werkzeuge, die die vorherige Generation gebaut hat, um uns zu verblüffen. Und ich bin sicher, meine Kinder werden das auch tun.
WELT: Du klingst sehr optimistisch, aber es gibt natürlich auch KI-Kritiker, die vor allem die dunkle Seite und die Gefahren sehen – zum Beispiel der bekannte KI-Forscher Eliezer Yudkowsky. Er sagt, das Verhältnis der Superintelligenz zum Menschen wäre ungefähr so wie das Verhältnis des Menschen zu einer Ameise. Wir denken nicht darüber nach, ob wir einen Ameisenhaufen zerstören. Wir tun es einfach, sofern er uns im Weg ist. Wie groß ist Deine persönliche Angst, dass die KI uns irgendwann wie Ameisen betrachtet und uns einfach zerstört?
Altman: Ich habe viele unterschiedliche Beschreibungen gehört, wie die Beziehung zwischen einer KI und der Menschheit aussehen wird. Meine liebste stammt von meinem Mitgründer Ilya Sutskever: Er sagte einmal, er hoffe, dass eine oder mehrere AGIs (Allgemeine künstliche Intelligenz/Superintelligenz, die Red.) die Menschheit so behandeln würden wie ein liebevoller Elternteil. So wie Du die Frage gestellt hast, kam mir das in den Sinn. Ich finde, das ist eine besonders schöne Perspektive. Ich glaube, dass wir, wenn wir diese Frage überhaupt stellen, AGI ein Stück weit vermenschlichen. Und ich glaube, dass dies ein Werkzeug sein wird, das enorm leistungsfähig ist. Und selbst wenn die AGI keinen eigenen Willen hat, kann sie, wenn wir sie um etwas bitten, Nebenwirkungen haben, Konsequenzen, die wir nicht verstehen. Deshalb ist es sehr wichtig, sie an menschliche Werte auszurichten.
WELT: Kritiker werfen Dir ja vor, dass Du OpenAI von einer gemeinnützigen Organisation, die die Risiken von KI erforschen sollte, zu einem kommerziellen Unternehmen umgebaut und dabei auch teilweise die Sicherheitsrisiken außer Acht gelassen hast. Trifft Dich diese Kritik? Stört Dich das? Oder denkst Du, man muss einfach manchmal vorangehen, wenn man Fortschritt erziehen will?
Altman: Erstens: Wir haben weiterhin eine gemeinnützige Organisation, und das wird immer so sein. Ich hoffe und glaube, dass wir die am besten ausgestattete und hoffentlich wirkungsvollste gemeinnützige Organisation aller Zeiten haben werden. Das ist für unsere Mission sehr wichtig. Ebenfalls wichtig ist die Governance-Rolle dieser Organisation und sicherzustellen, dass wir unserer Mission treu bleiben und Sicherheit, das Wohlergehen und den maximalen Nutzen für die Menschheit priorisieren. Wir haben offensichtlich Fehler gemacht, während wir diese neue Technologie entdeckt haben – und wir werden in Zukunft weitere machen. Aber insgesamt bin ich äußerst stolz auf die Bilanz unseres Teams: Darauf, dass wir herausfinden, wie man diese Dienste sicher, breit nützlich und weit verbreitet anbietet. Eine unserer Kernüberzeugungen ist, dass es großartig für die Welt ist und zutiefst unserer Mission entspricht, wenn wir es schaffen, dieses Werkzeug zu bauen, es mit menschlichen Werten auszurichten und es dann in die Hände der Menschen zu geben, damit sie all das ausdrücken können, was sie damit tun wollen.
WELT: In Europa diskutiert man ja gerade sehr lebhaft über den AI Act, um künstliche Intelligenz zu regulieren. Wie ist Dein Blick darauf? Sind die Regeln gut? Sind es zu viele Regeln oder sollte man die einfach wegwerfen? Du hast Dich gestern ja auch mit Bundeskanzler Friedrich Merz getroffen. Was hast Du mitgenommen aus diesem Gespräch?
Altman: Ich war sehr beeindruckt. Wir hatten eine großartige Diskussion über die Notwendigkeit, in Deutschland Infrastruktur aufzubauen, um in Deutschland KI-Dienste anbieten zu können – von Deutschland, für Deutschland. Wir sind sehr begeistert über unsere Ankündigung gestern mit SAP und Microsoft, eine souveräne Cloud für den deutschen öffentlichen Sektor anzubieten, damit dieser neueste Modelle nutzen kann, bei gleichzeitiger Wahrung der digitalen Souveränität. Darüber haben wir auch ausführlich gesprochen.
WELT: Du sagst, er will Infrastruktur in Deutschland bauen. Das Problem ist, der Strom ist in Deutschland ungefähr dreimal so teuer wie in den USA und fünfmal so teuer wie in China. Ist Deutschland überhaupt ein attraktiver Standort für OpenAI?
Altman: Energiekosten sind für KI sicherlich eine Herausforderung. Wir hatten jedoch auch eine gute Diskussion darüber, wie man den Energiebedarf von KI adressiert. Und darüber hinaus denke ich, dass der Einsatz von KI eine der besten Nutzungen von Energie sein wird – ob er nun in Deutschland stattfindet oder auf Servern, die irgendwo anders stehen, weil man die Rechenzentren hier nicht bauen möchte, was eine sehr valide Entscheidung wäre. Die Bereitstellung von KI in Deutschland für deutsche Unternehmen und deutsche Verbraucher ist sehr wichtig. Deutschland ist unser größter Markt in Europa, es ist unser fünftgrößter Markt weltweit. Praktisch alle jungen Menschen in Deutschland nutzen ChatGPT. KI ist also da, die Menschen ziehen Nutzen daraus, und wir werden das weiterhin tun und die Energie-Herausforderungen angehen.
WELT: Was wäre denn Deine Empfehlung für Deutschland, wie man die Energiepreise senken könnte? Ist nicht zum Beispiel der Atomausstieg aus Deiner Sicht vollkommen irre?
Altman: Das ist die Sache der Menschen in Deutschland, und ich verstehe nicht alle lokalen Abwägungen. Ich persönlich glaube, dass Kernenergie – fortgeschrittene Kernspaltung, das ganze Spektrum an Ansätzen – eine der vielversprechendsten Energiequellen ist, und dass die Welt dem stärker nachgehen sollte.
WELT: Im Rennen um künstliche Intelligente dominieren ganz klar die USA und China. Deutschland hinkt ziemlich hinterher. Was müsste Deutschland tun, um aufzuholen im KI-Wettrennen?
Altman: Ich war gestern von meinen Treffen mit deutschen Vorstandschefs sehr beeindruckt. Ich denke, die Unternehmen hier planen wirklich, mutig auf KI zu setzen und sie in großem Stil einzusetzen. Sie glauben, dass KI dem, was sie tun, enormen Wert hinzufügen kann. Dasselbe habe ich von der Regierung über ihre KI-Ambitionen gehört. Was wir bei der KI-Einführung in Deutschland sehen, ist unglaublich stark. Ich glaube, sie ist in den letzten 12 Monaten um das Fünffache gestiegen. Unglaublich. Ich bin diesbezüglich optimistisch.
WELT: Die ganze Welt schaut ja auf die Innovationen aus dem Hause OpenAI. Es soll demnächst auch eine Hardware geben, ein OpenAI-Gerät. Du hast dafür früheren Apple-Stardesigner Jony Ive eingestellt. Das heißt, wir gehen davon aus, das Gerät wird auf jeden Fall gut aussehen. Aber was wird das OpenAI-Gerät können? Erzähl uns doch ein bisschen was.
Altman: Das wird gut. Ich denke, wir haben seit Langem nur ein oder zwei große Revolutionen darin erlebt, wie wir Computer benutzen. Wir hatten die Maus und die Tastatur und die Idee des Monitors mit einem Fenstersystem—das war sicher ein Durchbruch. Dann hatten wir Touch-Geräte, die das adaptiert haben, die Maus wegnahmen, es Ihnen erlaubten, einfach den Finger zu benutzen und dieses sehr persönliche Gerät zu haben. Und das ist super, aber grundsätzlich hatten wir noch nie etwas so Mächtiges wie KI. Computer können jetzt wirklich verstehen, was wir wollen, können denken – das hat uns erlaubt, neu zu überlegen, was es bedeuten könnte, einen Computer zu benutzen. Wir erkunden das noch, es wird eine ganze Weile dauern. Aber im Laufe der Zeit erwarte ich, dass wir eine kleine Familie von Geräten bauen werden. Sie werden sicher gut aussehen, aber das ist nicht die Hauptsache. Ich hoffe, wenn wir hart arbeiten, wenn wir einen wirklich großartigen Job machen, werden sie verändern, was es heißt, einen Computer zu benutzen – wie man arbeitet und wie man spielt und sein Leben lebt. Aber es liegt noch viel Arbeit vor uns und es gibt viel zu entdecken bis dahin.
WELT: Jetzt hast Du mich natürlich neugierig gemacht, da muss ich nachfragen: Sag mir eine Eigenschaft oder eine Fähigkeit, die so ein Gerät haben könnte, ein Beispiel.
Altman: Heute muss man herumklicken, wenn man auf einem Computer eine Aufgabe erledigen will. Man muss zwischen vielen Anwendungen wechseln. Wenn es eine schwierige Aufgabe ist, kann das eine Weile dauern. Eines der Versprechen von KI ist, dass man etwas Komplexes sagen kann, das über den Verlauf eines Tages oder eines Monats oder sogar eines Jahres erledigt werden muss, und man kann einfach darauf vertrauen, dass der Computer es versteht, es erledigt und sich meldet, wenn er Hilfe braucht. Man kann sich vorstellen, dem Computer eine sehr nuancierte, komplexe, aber kurze Anweisung zu geben und dann darauf zu vertrauen, dass er das Richtige tut und sich meldet, wenn er Hilfe braucht. Und das würde völlig verändern, wie sich die Nutzung des Computers anfühlt – statt eine Menge Apps zu starten und ständig Benachrichtigungen zu bekommen.
WELT: In der Tech-Industrie, in den USA, herrschte lange ein liberal-demokratischer Grundton. Jetzt fällt auf, viele Tech-Gurus, Tech-Bosse zeigen sich auch mit Donald Trump. Du warst ja auch direkt am Tag nach seiner Amtseinführung schon im Weißen Haus, hast da eine große Initiative verkündet. Wie erklärst Du Dir diesen politischen Vibeshift in der Tech-Industrie? Warum sind jetzt plötzlich alle doch ganz gerne mit Trump zu sehen?
Altman: Erstens denke ich, die Tech-Industrie sollte immer mit dem jeweiligen amerikanischen Präsidenten zusammenarbeiten. In diesem speziellen Fall gab es, wie ich finde, einige willkommene politische Veränderungen. Die Möglichkeit, Infrastruktur in den Vereinigten Staaten zu bauen, was ziemlich schwierig war und für Unternehmen wie unseres sehr wichtig ist, hat Präsident Trump in bemerkenswerter Weise unterstützt. Und ein allgemein unternehmens- und technologiefreundlicheres Klima ist ebenfalls eine willkommene Veränderung, denke ich. So würde ich das beschreiben.
WELT: Die USA sind sehr polarisiert, geradezu gespalten. Ich habe selbst ein paar Jahre dort gelebt und das miterlebt, wie aufgeheizt die Stimmung ist. Wie findest Du die Idee, statt eines US-Präsidenten künftig einfach eine künstliche Intelligenz regieren zu lassen?
Altman: Ich glaube nicht, dass die Menschen das in absehbarer Zeit wollen. Ich erwarte allerdings, dass Präsidenten und Führungspersonen weltweit KI zunehmend nutzen werden, um ihnen bei komplexen Entscheidungen zu helfen. Aber ich denke, wir alle wollen am Ende dennoch einen Menschen, der das abzeichnet.
WELT: Du hast vorhin erwähnt, wie viele Menschen in Deutschland ChatGPT schon nutzen. Ich habe mir das mal im Detail angeschaut. Viele Deutsche holen sich sogar Beziehungstipps von ChatGPT. Hast Du Deinen eigenen Bot auch schon mal um Hilfe gebeten in Beziehungsfragen?
Altman: Ich nutze die KI dafür nicht so stark wie andere. Ich habe es ausprobiert, aber nein, das ist nicht einer meiner großen persönlichen Anwendungsfälle. Es ist ganz offensichtlich etwas, wofür viele Leute es verwenden.
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