Warum wir Markus Braun interviewt haben
Warum führt der stern überhaupt ein Interview mit Markus Braun?
Man kann fragen, ob es richtig ist, Markus Braun eine Plattform zu bieten, wenn doch solch schwerwiegende Vorwürfe gegen ihn erhoben werden. Es kann durchaus sein, dass er versucht, das stern-Interview dafür zu nutzen, das öffentliche Bild von sich zu verbessern. Wir finden seine Aussagen im Interview dennoch relevant. Es handelt sich für uns um ein Dokument der Zeitgeschichte in einem der spektakulärsten Wirtschaftskrimis, die Deutschland je erlebt hat. Und wie alle Angeklagten hat Braun ein Anrecht darauf, dass seine Sicht auf den Skandal und die Vorwürfe gegen ihn gehört wird. Unsere Aufgabe als Journalisten und auch die des stern als Medium ist es, zu informieren, Sachverhalte zu hinterfragen und einzuordnen. Ob Braun gegen Recht verstoßen hat, bewerten am Ende Juristen. Bis das Urteil fällt, gilt die Unschuldsvermutung.
Wie lief das Interview mit Markus Braun ab?
Der Austausch fand angesichts der Untersuchungshaft unter besonderen Bedingungen statt. Zwar stimmte Braun vor Monaten einem Interview über seine Verteidigerin Theres Kraußlach zu, allerdings nur in schriftlicher Form. Also übermittelte der stern einen umfangreichen Fragenkatalog. Bevor Brauns Antworten an die Redaktion gingen, musste der zuständige Richter seine Zustimmung erteilen.

Ex-Wirecard-CEO Markus Braun "Am meisten vermisse ich meine Familie"
Wir würden ein persönliches Interview immer vorziehen. In diesem Fall wäre dann aber kein Interview möglich gewesen. Die schriftliche Form des Interviews macht es schwer, den Interviewten mit Widersprüchen oder Unklarheiten in seinen Aussagen zu konfrontieren. Deshalb haben wir versucht, Brauns Aussagen im Gesamtkontext einzuordnen, mit Darstellung der Positionen von anderen Angeklagten und Zeugen. Der Anwalt von Jan Marsalek reagierte auf unsere Anfrage allerdings nicht. Und Oliver Bellenhaus wollte sich gegenüber dem stern nicht öffentlich äußern.
Ein anderes Problem ergab sich vergangene Woche. Nachdem das Interview fertig geführt und freigegeben war, veröffentlichten "Spiegel", ZDF und die russische Plattform "The Insider" Recherchen, in denen sie Jan Marsalek in Moskau ausfindig gemacht haben. Normalerweise würden wir in so einem Fall unseren Interviewten kontaktieren und die Interview-Stelle, in der wir über Marsaleks Aufenthaltsort sprechen, aktualisieren. Das war in dieser komplexen Situation nicht möglich, weshalb die Stelle unverändert – und deshalb womöglich etwas veraltet – im Interview stehen bleiben musste.
Wie laufen Interviews normalerweise ab?
In der Regel trifft man sich zu einem Interview in Person oder telefoniert zumindest miteinander. Der Journalist oder die Journalistin stellt Fragen, der Interviewte beantwortet sie. Journalisten reagieren dann auf die Antworten, haken nach oder stellen Verständnisfragen. So entsteht ein Gespräch.
Danach schreiben die Journalisten dieses Gespräch auf, sie kürzen dabei in den meisten Fällen und bearbeiten die Fragen und Antworten so, dass der Text gut lesbar ist. In Deutschland ist es üblich, dem Interviewten den Text noch einmal vorzulegen, sodass er gegebenenfalls Korrekturen machen kann.
Wie reagiert der stern, wenn während eines Interviews Anschuldigungen gegen Dritte erhoben werden?
Besonders bei Interviews, in denen Gesprächspartner ihre Eindrücke und Erfahrungen schildern, ist es unabdingbar, alle Personen zu kontaktieren, gegen die in den Interviews Vorwürfe erhoben werden. Jeder muss die Möglichkeit haben, Stellung zu nehmen. Gerne hätten wir die Perspektiven von Oliver Bellenhaus und Jan Marsalek, denen Braun im Interview Vorwürfe macht, gehört und zu Brauns Aussagen gestellt. Auf Anfrage des stern wollten die Anwälte der beiden aber nicht öffentlich reagieren.
Warum stehen Artikel wie das Interview mit Markus Braun hinter einer Bezahlschranke?
Der stern veröffentlicht jeden Tag zahlreiche Texte, Videos, Live-Ticker, Fotostrecken und weitere Inhalte. Ein großer Teil davon, vor allem aktuelle Nachrichten und Informationen, ist für unsere Leserinnen und Leser kostenfrei. Gleichzeitig ist eine Auswahl von Artikeln nur für unsere Abonnenten und Abonnentinnen zugänglich, denn guter Journalismus kostet Geld. Weit mehr als 100 fest angestellte Reporterinnen und Redakteure schreiben für den stern, ihre Arbeit muss angemessen bezahlt werden. Hinter dem Interview mit Markus Braun stecken viele Monate Arbeit von mehreren Mitgliedern der Redaktion und einem freien Journalisten, der dafür ein Honorar erhält.
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