„Teile der Union sind Weltmeister im Geldausgeben“, sagt der SPD-Chefhaushälter
Noch zwei Monate Debatte um den Bundeshaushalt 2026 liegen vor den Abgeordneten. Anders als beim verspäteten und gerade erst beschlossenen Zahlenwerk für 2025 haben die Parlamentarier jetzt wieder sehr viel mehr Zeit, sich die geplanten Ausgaben jedes einzelnen Ministeriums genau anzuschauen. Die entscheidende Sitzung des Haushaltsausschusses, die sogenannte Bereinigungssitzung, ist erst für Mitte November angesetzt. Endlich ist die Haushaltsaufstellung wieder in der Reihe nach dem Ampel-Bruch vor mehr als zehn Monaten.
Das gilt allerdings nur für den Zeitplan. Der Auftakt der Beratungen im Bundestag machte deutlich, dass inhaltlich beim Bundeshaushalt wenig in der Reihe ist. Es geht um viel Geld, das der Bund trotz Rekordschulden nicht hat – schon im Jahr 2026 nicht und erst recht nicht in den Jahren danach. Die Regierungspartner von CDU/CSU und SPD sind sich nicht einig darüber, wie mit Schulden, Lücken und Steuereinnahmen umgegangen werden soll.
Doch immerhin nimmt die dringend notwendige Diskussion darüber endlich Fahrt auf – wenn auch mit vertauschten Rollen. Nicht die Union, die bei vielen Wählern für Wirtschaftskompetenz steht, ermahnte die Sozialdemokraten, denen ein Hang zum Schuldenmachen nachgesagt wird, zum Sparen – sondern umgekehrt.
„Teile der Union in Fraktion und Regierung sind Weltmeister im Geldausgeben und Kreisliga bei der Haushaltsdisziplin“, sagte SPD-Chefhaushälter Thorsten Rudolph. Wer heute noch Milliarden-Forderungen aufstelle, müsse auch sagen, wie er sie finanzieren wolle. Als Beispiele nannte er fünf Milliarden Euro für eine Stromsteuersenkung, zwei Milliarden Euro Zuschuss für die Pflegekasse, zehn Milliarden Euro für das Gesundheitssystem, 15 Milliarden Euro für den Neubau von Straßen.
Dagegen verteidigte CDU-Chefhaushälter Christian Haase in der Debatte die geplanten Entlastungen für „Menschen und Wirtschaft“. Er erwähnte unter anderem die Übernahme der EEG-Umlage, den Zuschuss des Bundes zu den Netzentgelten der Übertragungsnetzbetreiber, die Senkung der Mehrwertsteuer auf Speisen in der Gastronomie, die Erhöhung der Pendlerpauschale auf 38 Cent ab dem ersten Kilometer. „Das gesamte Paket macht 40 Milliarden Euro aus“, sagte Haase. Diese Leistung dürfe man nicht runter reden.
Ökonomen hatten vor allem die von der CSU durchgesetzte Mehrwertsteuersenkung in der Gastronomie und die höhere Pendlerpauschale als Wahlgeschenke ohne gesamtwirtschaftlichen Nutzen kritisiert. Noch dazu wurden diese Entlastungen nur möglich, weil die Bundesregierung finanzielle Spielräume im eigentlichen Haushalt dadurch schaffte, dass sie Ausgaben für Infrastruktur in das neue schuldenfinanzierte „Sondervermögen“ verschob und auch bei den Verteidigungsausgaben nicht mehr auf die Schuldenbremse achten muss.
Konkrete Sparvorschläge fehlten zu Beginn der Debatte über den 2026er-Haushalt auf beiden Seiten. Auch Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) beließ es bei allgemeinen Warnungen. Mutige und teils unbequeme Entscheidungen stünden an. „Das dürfen keine kleinen Trippelschritte sein, sondern es müssen große Veränderungen sein“, sagte er. Schließlich drohe eine „strukturelle Schieflage“ von mehr als 30 Milliarden Euro im Jahr 2027. Um 30 Milliarden Euro übersteigen nach der aktuellen Planung die Ausgaben die Einnahmen im übernächsten Jahr.
„Es wird anstrengend, es wird herausfordernd“, sagte der Vizekanzler und SPD-Chef. „Ich bin mir aber sicher, die Menschen in unserem Land spüren längst, dass wir weitreichende Veränderungen brauchen und dass durchmogeln oder zögern oder zurücklehnen nicht funktionieren wird.“
Wobei gerade die Vertreter der Opposition große Zweifel äußerten, ob es auch diese Bundesregierung nicht mit „durchmogeln“ versuchen wird. Der AfD-Haushälter Michael Espendiller prophezeite, das Land werde bei dieser Haushaltsführung „in eine nicht endende Schuldenspirale eintreten, deren Zinszahlungen uns und künftige Generationen erdrücken werden“.
Der Linken-Haushaltsexperte Dietmar Bartsch begrüßte zwar, dass der Etatentwurf hohe neue Investitionen vorsehe. Allerdings offenbare der Entwurf die falschen Prioritäten, kritisierte Bartsch. „Es gibt nur eines, was bei Ihnen schneller wächst als die Rüstungsausgaben, das sind die Schulden.“
Der oberste Grünen-Haushälter Sebastian Schäfer warf der Regierung aus Union und SPD Konzeptlosigkeit vor. „Sonntagsreden, Kommissionen, Widersprüche in der Koalition: Bisher vor allem Bullshit und nichts Konkretes“, kritisierte er die Arbeit der Regierung. Schäfer forderte mehr Transparenz und Ehrlichkeit in der Haushaltspolitik.
Geplante Ausgaben von 630 Milliarden Euro
Im nächsten Jahr möchte Klingbeil mehr Geld ausgeben als in diesem: Konkret sollen es nach 502,5 Milliarden Euro im nächsten Jahr 520,5 Milliarden Euro sein. Hinzu kommen Ausgaben aus schuldenfinanzierten Sondertöpfen für die Infrastruktur (48,9 Milliarden Euro), die Bundeswehr (25,5 Milliarden Euro) und das Klima (35,7 Milliarden Euro). Insgesamt addieren sich die geplanten Ausgaben im kommenden Jahr auf 630,6 Milliarden Euro.
Dies sieht nicht nur die Opposition, sondern das sehen auch die Experten des Bundesrechnungshofs, der höchsten behördlichen Prüfinstanz des Bundeshaushalts, überaus kritisch. Staatliche Kernaufgaben könnten dauerhaft nicht mehr aus den Einnahmen finanziert werden, heißt es in einem in der Vorwoche veröffentlichten Gutachten. „Vielmehr lebt der Bund strukturell über seine Verhältnisse.“ Wer plane, fast jeden dritten Euro „auf Pump“ zu finanzieren, sei von einer soliden Finanzwirtschaft weit entfernt. Es bestehe die Gefahr einer Schuldenspirale. Die Prüfer verlangten größere Sparanstrengungen von Klingbeil und den anderen Ministern der schwarz-roten Regierung.
Die ersten Konflikte zwischen dem SPD-Finanzminister und CDU-Ministern traten in den vergangenen Tagen bereits zutage. Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) will mehr Geld und warnt vor einer nochmaligen Erhöhung von Zusatzbeiträgen. Verkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) verlangt Geld nicht nur für die Sanierung bestehender Straßen und Brücken, sondern auch für den Neubau.
Das Verkehrsministerium sieht für Autobahnen und Bundesstraßen für den Zeitraum 2026 bis 2029 ein Defizit von rund 15 Milliarden Euro. Für zahlreiche Projekte bei den Bundesfernstraßen, für die bis 2029 Baurecht erwartet wird, könne auf Basis der aktuellen Finanzplanung keine Freigabe erteilt werden. Das betrifft etwa Lückenschlüsse von Autobahnen oder Umgehungsstraßen.
Klingbeil hatte Schnieder dagegen in einem Brief mit der eher kühlen Anrede „Sehr geehrter Herr Kollege“ deutlich gemacht, dass dieser die ihm zugeteilten Mittel effektiv einsetzen müsse. Klingbeil lehnte milliardenschwere Mehrforderungen ab. Diese Zurechtweisung will Schnieder allerdings nicht akzeptieren. Daran ließ der Verkehrsminister bei der Einbringung seines Etats in die Debatte keinen Zweifel. „Ich begrüße es, dass wir im parlamentarischen Verfahren über diese Dinge sprechen werde“, sagte er. Die Debatte über Schulden, Lücken und Steuereinnahmen hat gerade erst begonnen.
Dieser Artikel wurde für das Wirtschaftskompetenzzentrum von WELT und Business Insider erstellt.
Karsten Seibel ist Wirtschaftsredakteur in Berlin. Er berichtet unter anderem über Haushalts- und Steuerpolitik.
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