Aufschwung durch Rüstung?
Die Rüstungsindustrie boomt, immer mehr bislang zivile Unternehmen steigen ein. Selbst die Outdoorbranche beliefert jetzt die Bundeswehr. Wie stark kann das die Konjunktur ankurbeln?
Robuster, flammenhemmend, schnitt- und stichfest: So sollen sie werden, die neuen Hosen des Outdoorherstellers Schöffel. Nicht für Wanderer, sondern für Bundeswehrsoldaten. Und auch mit Oberbekleidung rüstet das bayerische Unternehmen die Kämpfer bald aus. "Wir haben Anfang des Jahres einen Auftrag von der Marine gewonnen, da geht es um ein Combat-Shirt", sagt Nicole Prell, Chefin von Schöffel Tec, der Sparte für Einsatzbekleidung. "Ende des Jahres beginnen wir auszuliefern."
Man habe sich natürlich Gedanken gemacht über die Beweggründe, in den Verteidigungsbereich einzusteigen, ob das zu den Werten des Unternehmens passt - und kam dann zu dem Schluss: Es passt. "Wir wollen ja die Leute schützen, die uns im Ernstfall beschützen würden. Und das ist so unsere Motivation, die Bekleidung an Bundeswehr und auch Polizei zu liefern", sagt Prell.
Auch Start-ups steigen ins Rüstungsgeschäft ein
Doch auch neue Gewinnaussichten spielen eine Rolle. Die Rüstungsbranche boomt. Mehr als 150 Milliarden Euro will die Bundesregierung voraussichtlich ab 2029 Jahr für Jahr in die äußere Sicherheit stecken. Der Bundestag hat die Schuldenbremse für die Verteidigung im März praktisch aufgehoben. Rüstungskonzerne rechnen mit einem Milliardengeschäft.
Auch immer mehr junge, innovative Tüftler wollen mitmischen - etwa mit Drohnen, Cybersecurity, KI-gestützter Datenanalyse und Satellitentechnik, wie Franziska Teubert, Geschäftsführerin des Start-up-Verbands, erklärt. "Das Feld wächst, und die Themen, die früher fast ausschließlich bei den großen Rüstungskonzernen lagen, werden zunehmend auch von den jungen Techfirmen aufgegriffen."
Hoffnung auf neue Arbeitsplätze
Wirtschaftsministerin Katherina Reiche von der CDU verwies kürzlich auf der Handelsblatt-Konferenz "Wirtschaftsfaktor Rüstung" auf mögliche neue Arbeitsplätze: Fast 400.000 Menschen seien derzeit in der Branche beschäftigt, Tendenz steigend. "Das sind Zahlen, über die wir in den letzten Jahren nicht gesprochen haben, sie vermutlich eher verschwiegen haben. Auch das muss sich ändern. Verteidigungs- und Sicherheitsindustrie ist ein wesentlicher wirtschaftlicher Faktor."
Der Rüstungskonzern Rheinmetall etwa plant, die Zahl seiner Mitarbeiter in den kommenden Jahren von 40.000 auf 70.000 aufzustocken. Der Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV) hat die Zahl seiner Mitglieder innerhalb eines Jahres bereits mehr als verdreifacht, auf weit mehr als 300.
Perspektive für die Autoindustrie?
Darunter sind auch Zulieferer und Dienstleister aus der Autobranche, die jetzt beispielsweise Teile für Militärfahrzeuge liefern. In manchen Fällen übernehmen Rüstungsunternehmen auch Arbeitskräfte und Produktionsressourcen, erklärt BDSV-Geschäftsführer Hans Christoph Atzpodien. "Sicherlich können wir nicht in Gänze auffangen, was in der Automobil- und Automobilzulieferindustrie an Arbeitsplätzen zur Disposition steht, aber sicherlich in einigen Bereichen."
Atzpodien verweist auf Prognosen von Wirtschaftsinstituten. Das Kiel Institut für Weltwirtschaft etwa rechnet in einer Studie mit einem EU-weiten Anstieg des Bruttoinlandsprodukts um bis zu 1,5 Prozent im Jahr, sollten die Militärausgaben auf 3,5 Prozent des BIPs erhöht werden.
Mehr Schulden könnten Standort schwächen
Allerdings warnt der Konjunkturexperte des Instituts, Stefan Koths, vor zu viel Hoffnung - vor allem mit Blick auf die wachsenden Staatschulden. "Spätestens wenn die höheren Schulden mit höheren Zinsen einhergehen, wird man höhere Abgaben dafür erheben müssen. Und das macht einen Wirtschaftsraum für sich genommen unattraktiver." Soll heißen: Um die Zinsen zahlen zu können, müsste der Staat irgendwann entweder in anderen Bereichen sparen oder die Einnahmen, also die Steuern, erhöhen - oder beides.
"Und das ist für die Wachstumsentwicklung, für die Attraktivität des Standortes - ob hier Investitionen angezogen werden, ob auch gut Qualifizierte in dieses Land einwandern - eben leider ein Nachteil. Ein notwendiger Nachteil, aber es bleibt ein Nachteil", sagt Kooths. Langfristig ein Nachteil, kurzfristig aber könnte die Konjunktur angekurbelt und die Stimmung in der Wirtschaft aufgehellt werden.
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