LAP Coffee: Vor Kaffee-Vollautomaten muss sich niemand fürchten
Großstädter dieser Republik haben ein neues Streitthema: Kaffee. Das mittlerweile in Berlin, Hamburg und München vertretene Start-up LAP Coffee verkauft Cappuccino für 2,50 Euro – und hat damit eine Empörungswelle ausgelöst. Manche Nutzer in sozialen Netzwerken sehen in der Kette ein neues Beispiel für Turbokapitalismus und Gentrifizierung. Einige Betreiber von lokalen Szene-Cafés fürchten angesichts der Discounter-Preise gar um ihre Existenz.
Das Konzept von LAP Coffee ist simpel: Vollautomaten statt Siebträgermaschine, digitale Prozesse statt Barista-Zauber, Pappbecher statt Keramik, kein Platz zum Sitzen, dafür lange Schlangen vor der Ladentür. Und jetzt? Wird die urbane Kaffee-Kultur von einem mit Investormillionen überhäuften Start-up zermalmt?
LAP ist auch nur Fast Food
Ganz klar: nein. Also entspannt euch! Die Filialen von LAP Coffee sind ganz sicher keine Bedrohung, sondern höchstens eine günstige Fast-Food-Variante für Koffein. Wer ernsthaft glaubt, die Seele eines hippen Kaffeeladens hinge an einem Vollautomaten, hat wahrscheinlich auch Angst, dass der Dönerwagen die gehobene Sterneküche verdrängt.

Interview Schlechte Ernte, zu viel Hype: Die Matcha-Krise spitzt sich zu
capitalNatürlich, man kann LAP Coffee einiges abgewinnen. In Zeiten, in denen Kaffeebohnen wegen des Klimawandels immer teurer werden, klingt ein Espresso für 1,50 Euro fast wie ein Geschenk. Das Konzept ist clever, effizient und trifft den Zeitgeist: günstig, schnell, digital. Für die Generation "Tap to Pay" ist LAP das, was der Coffee-to-go-Becher in den 2000ern war – ein Symbol für urbanen Pragmatismus. Und klar, die Gründer haben verstanden, dass Wagniskapital schneller fließt, wenn man "skalierbar" und "profitabel" im gleichen Satz unterbringt.
Trotzdem: LAP ist eben nicht das Ende der Kaffeewelt, sondern nur ein weiterer Player neben Starbucks & Co. Wer echten Kaffeegenuss schätzt, geht ohnehin nicht zu LAP Coffee. Dort fehlt das Herz: kein Barista, der liebevoll die Bohnen erklärt, keine Hand, die mit Hingabe den Siebträger einspannt, kein Duft, der schon beim Mahlen verspricht, was in der Tasse steckt. Und es fehlt auch der Sound. Kein Zischen der Dampfdüse, kein leises Klirren von Tassen, kein Stimmengewirr von Gästen, die in Gespräche oder ihr Macbook vertieft sind. Stattdessen: stehen, schlürfen, weiterziehen.
Kaffee-Kultur: Ein Beispiel aus Hannover zeigt, wie es geht
Auch deshalb werden Szene-Cafés fortbestehen: ihr größter Wettbewerbsvorteil bleibt die Atmosphäre. Ein gutes Café ist Wohnzimmer, Co-Working-Space und Gesprächsanlass in einem. Die persönliche Handschrift der Inhaber schafft Bindung, die kein blauer Schriftzug an der Fassade ersetzt. Das zeigt auch ein Beispiel aus Hannover: Ein kleines, inhabergeführtes Café mit Siebträgermaschine, seit anderthalb Jahren im Viertel, hat sich inzwischen als fester Treffpunkt etabliert. Dabei gibt es bei einer Bäckerkette ums Eck einen Cappuccino für fast die Hälfte des Preises.
Wer also glaubt, LAP Coffee könne auf Dauer mit Discounter-Preisen die Szene verdrängen, unterschätzt die Vielfalt des Kaffeepublikums. Es gibt die Pragmatiker, die schnell einen Koffeinschuss brauchen – und es gibt die Genieße, die dafür auch 5 Euro zahlen. Beide Zielgruppen existieren friedlich nebeneinander. Starbucks ist schließlich auch nicht daran gescheitert, dass irgendwo Filterkaffee für 99 Cent im Supermarkt steht. Kurz gesagt: LAP verkauft Koffein. Die Szene-Cafés verkaufen Kultur. Und Kultur schlägt Vollautomat – immer.
Capital ist eine Partnermarke des stern. Ausgewählte Inhalte können Sie mit Ihrem stern+ Abo sehen. Mehr aus Capital finden Sie auf www.stern.de/capital.
- Kaffee
- Gastronomie
- Startup
- Berlin
- Hamburg
- München
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke