Die Drogeriekette dm gilt als einer der beliebtesten Arbeitgeber des Landes. Doch Recherchen zeigen: Selbst in Unternehmen mit gutem Ruf greifen längst Mechanismen wie Druck, Angstkultur und Leiharbeit.

Die Drogeriekette dm ist die größte in Deutschland. Im vergangenen Jahr machte sie laut eigenen Angaben einen Umsatz von gut 12,5 Milliarden Euro. Nicht nur bei den Kunden gilt dm als vertrauenswürdig, authentisch und nachhaltig. Auch bei den Mitarbeitenden schneidet dm als Arbeitgeber regelmäßig sehr gut ab. Doch am Logistikstandort in Weilerswist mehren sich Beschwerden über systematisches Mobbing.

Menschlichkeit als Marke

"Hier bin ich Mensch, hier kauf' ich ein" prangt in großen Buchstaben in jeder dm-Filiale. Das ist nicht nur ein Werbeslogan, es ist eine Unternehmensphilosophie. Warmes Licht, breite Gänge, Wickelecken für Eltern: Bei dm fühlen sich Kunden in ihren Bedürfnissen ernst genommen.

Der 2022 verstorbene Gründer Götz Werner sah sein Unternehmen als Arbeitsgemeinschaft: Kommunikation auf Augenhöhe, Offenheit, Rücksicht. Menschlichkeit wurde dadurch zu einer Marke. dm ist in den vergangenen 18 Jahren um das Vierfache gewachsen.

"Wir setzen alle Gruppenleiter auf dich an"

Hinter dem Erfolg - für den Kunden unsichtbar - steckt eine komplexe Logistik mit Menschen, die dafür sorgen, dass nichts in den Regalen fehlt. Am Verteilzentrum in Weilerswist in Nordrhein-Westfalen scheint das Image Risse zu nehmen. Hier arbeiten gut 2.000 Menschen, die dafür sorgen, dass die Paletten je nach Bestellung gepackt werden.

Einer von ihnen ist der junge Familienvater Sven. Seinen echten Namen möchtet er nicht öffentlich machen. Seit 2011 arbeitet er bei dm. Aufgrund der schweren Arbeit hat er einen Bandscheibenvorfall erlitten. Die vielen Krankentage passten seinen Vorgesetzten zuletzt nicht mehr.

"Sie haben gesagt: Du passt hier nicht rein. Wir werden alle Gruppenleiter auf dich ansetzen, bis wir Fehler finden, oder du gehst von alleine", erzählt er gegenüber Plusminus. So wie ihm geht es auch Serhan, der eigentlich anders heißt, aber aus Angst vor Konsequenzen lieber anonym bleiben möchte. Auch er berichtet vom systematischen Zermürben.

Firmenleitung bestreitet systematisches Mobbing

Christian Harms, Geschäftsführer und Arbeitsdirektor von dm, weist den Vorwurf des systematischen Mobbings zurück: "Es ist bei der Vielzahl der Menschen sicher nicht zu vermeiden, aber es ist sicher nicht die Regel", sagt er. Betriebsratsvorsitzender Michael Betke hingegen sieht eine klare Verschlechterung der Unternehmenskultur, seitdem 2019 die Geschäftsführung wechselte: "Vor drei, vier Jahren hatten wir eine Handvoll Abmahnungen. Heute ist es das Zehnfache, oft ohne vorheriges Gespräch", sagt Betke.

Zudem sei der Einsatz von Leiharbeit deutlich gestiegen: "Niemand wird mehr übernommen, Personalmangel wird durch Leiharbeiter ausgeglichen", so Betke. Auch das belaste das Betriebsklima. Geschäftsführer Harms bestreitet einen Anstieg der Leiharbeit: Man rekrutiere sogar über externe Firmen Menschen "in eine Festanstellung". Interne Protokolle deuten jedoch auf einen strukturell gewachsenen Einsatz von Leiharbeit in den vergangenen Jahren hin.

Leiharbeit bundesweit stark verbreitet

Leiharbeit ist in Deutschland längst kein Randphänomen mehr. In den 1980er-Jahren noch die Ausnahme, arbeiten heute rund 700.000 Menschen in dieser Beschäftigungsform. Unternehmen nutzen sie zur Flexibilisierung, doch Betroffene bekommen im Durchschnitt eine geringere Bezahlung, haben meist weniger Mitsprache und eine unsichere Perspektive. Nur rund 30 Prozent der Leihkräfte würden später übernommen, sagt der Soziologe Alexander Gallas: "70 Prozent pendeln weiter zwischen prekärer Beschäftigung und Arbeitslosigkeit."

Im dm-Verteilzentrum in Weilerswist prallen Selbstbild und Realität aufeinander: Auf der einen Seite das Image des sozial orientierten Vorzeigeunternehmens, auf der anderen Seite Berichte von Druck, Angst und wachsenden Unsicherheiten - befeuert durch den steigenden Einsatz von Leiharbeit.

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