Es fällt inzwischen nicht mehr leicht, Smartphones und Kopfhörer unterschiedlicher Hersteller voneinander zu unterscheiden. In vielen Fällen sind die Designs der Geräte austauschbar. Nach unserem jüngsten Doppeltest können wir feststellen: Das gilt nicht für die neuen Modelle von Nothing. Der Hersteller hat fast zeitgleich sein erstes Oberklassen-Smartphone und seinen ersten Kopfhörer auf den Markt geworfen. Und schon vor dem Anschalten der Geräten stellen wir fest: Es gibt keine Konkurrenten, die äußerlich auch nur in die Nähe der Nothing-Modelle kommen.

Allerdings gibt es auch keine Konkurrenten, die so sehr polarisieren. Während unseres Tests hat allein das Aussehen so sehr provoziert, dass wir ungefragte Urteile einsammeln konnten, die von „hässlich“ bis „krass“ reichen. Doch Nothing will nicht nur besonders aussehen. Zumindest die Rückseite seines Phone (3) – man bleibt bei der eigenwilligen Namensgebung mit den Klammern – hat ein eindeutiges Alleinstellungsmerkmal, das wir im Test als erfrischende Abwechslung empfunden haben.

Als „echtes Flaggschiff“ hat Nothing sein neues Phone (3) angekündigt. Bisher waren die Geräte des Herstellers von ihrer Ausstattung eine Stufe darunter. Und doch hat Nothing es geschafft, eine Fan-Gemeinde zu erschaffen. Grund dafür: eine transparente Rückseite mit auffälligen LED-Lichtstreifen, die Nothing „Glyphen“ genannt hat. Doch ausgerechnet die sind beim neuen Modell nun komplett verschwunden.

Und doch ist die Rückseite ein echter Blickfang. Immer noch transparent mit weichen Kurven und Scheiben darunter, angeordnet in einem dreispaltigen Raster. Doch die Technik im Smartphone zeigt die Rückseite nicht. Es geht also nur darum, etwas anders auszusehen. Die drei Kameras ragen deutlich hervor. Während beim Vorgänger das Aufflackern der als Glyphen bezeichneten LED-Lichtstreifen beispielsweise Anrufe von bestimmten Kontakten anzeigten, fehlen sie nun. Das dürfte einige Nothing-Begeisterte enttäuschen.

Dafür hat sich der Hersteller nun eine Glyph-Martix einfallen lassen, ein rundes monochromes Display aus 489 LEDs in der oberen rechten Ecke. Etwas darunter gibt es eine Glyph-Taste, die eigentlich hinter dem harten Gorilla Glass liegt, das sich über die Rückseite erstreckt. Die Glyph-Taste ist dadurch zwar sichtbar, aber nicht fühlbar. Wer an dieser Stelle jedoch auf die Rückseite drückt, bekommt ein haptisches Feedback, eine kurze Vibration. So können verschiedene Funktionen für das runde Rück-Display aufgerufen werden.

Zum Start sind einige Spiele verfügbar, wie Schere, Stein, Papier oder eine digitale Flaschendreh-Funktion. Welche Spiele und Tools angezeigt werden sollen, legt der Nutzer in der Smartphone-Software fest. Anschließend wechselt man mit einem kurzen Drücken auf die Rücktaste durch die Optionen. Ein längeres Drücken aktiviert die Mini-Anwendung. Für die Glyph-Matrix können Entwickler künftig eigene Anwendungen schreiben.

Derzeit gibt es für das Glyph-Display unter anderem bereits eine Stoppuhr, eine Wasserwaage, die Batterieanzeige und eine Digitaluhr. Nutzer können sich aber auch Smybole anzeigen lassen, wenn sie einen Anruf oder eine Nachricht bekommen. Für bestimmte Kontakte können individuelle Anzeigen gewählt werden. Wir sind gespannt, was hier noch kommt. Auf der Rückseite gibt es auch einen roten LED-Punkt, der zu Leuchten beginnt, wenn das Phone (3) Ton oder ein Video aufnimmt. Nutzer können das aber auch deaktiveren.

Smartphone-Kameras verbessert

In der Vergangenheit waren die Kameras der Smartphones keine Stärke von Nothing. Hier hat der Hersteller nachgearbeitet. Alle drei Rückkameras und die Selfie-Kamera auf der Displayseite nehmen mit einer Auflösung von 50 Megapixel und 4K mit 60 Bildern pro Sekunde auf. Zudem sind sie lichtstärker. Neben der Weitwinkel- und Ultra-Weitwinkel-Kamera gibt es noch eine Periskopkamera mit einem dreifachen optischen Zoom. Wer mehr zoomt, muss mit Qualitätseinbußen leben. Uns haben die Aufnahmen allesamt im Vergleich zu den Konkurrenten überzeugt, ohne wirklich Ausschläge nach oben zu zeigen.

Auch beim Display gibt es keine Schwächen. Es hat eine Diagonale von 6,67 Zoll (17 Zentimeter) und löst mit 460 Bildpunkten pro Zoll auf, ist also sehr scharf und auch heller als beim Vorgängermodell. Die Bildwiederholfrequenz reicht bis 120 Hertz und passt sich dem Inhalt an. Nach unten ist aber bei 30 Hertz Schluss. Andere können bis ein Hertz herunterregeln, was bei bestimmten Anzeigen den Stromverbrauch reduziert.

Nothing hat sich beim Prozessor für den Snapdragon 8s Gen 4 entschieden. Wir würden das als kleine Schwäche auslegen. So kostet das Galaxy S25 von Samsung etwa gleich viel, hat aber den leistungsfähigeren Snapdragon 8 Elite. Allerdings ist der Unterschied im Alltagsgebrauch nicht festzustellen. In unserem Test kam der Prozessor in keinem Moment an seine Grenzen.

Ein Flaggschiff-Smartphone ohne künstliche Intelligenz ist heute im Grunde nicht mehr denkbar. Doch die Hersteller setzen KI unterschiedlich in ihren Geräten ein. Nothing hatte schon im März mit dem Phone (3a) sein Essential Key eingeführt, ein eigener Knopf an der Seite des Smartphones, der den Essential Space aufruft. Dabei handelt es sich um ein digitales Notizbuch, Aufgabenliste, Terminplaner und persönliches Tagebuch in einem. Darin können Texte, Screenshots, Bilder und Audios abgelegt und mit KI analysiert. Tonaufnahmen werden transkribiert und zusammengefasst.

Wischt man auf dem Smartphone-Display von unten nach oben, öffnet sich die Essential-Suchleiste, die alles wieder auffindbar machen soll. Das funktioniert mal gut, mal weniger gut. Ein Doppelklick auf den Seitenbutton öffnet den Essential Space, wo alle Inhalte übersichtlich abgelegt und von der KI organisiert und katalogisiert werden. Ein kurzes Drücken des Essential Key nimmt einen Screenshot auf, eine langes Drücken startet eine Sprachnotiz, die ebenfalls transkribiert wird. Liegt das Smartphone mit dem Display nach unten, lässt sich über das längere Drücken des Knopfes beispielsweise ein Meeting aufzeichnen, das anschließend dann gleich zusammengefasst wird. 300 Minuten monatlich haben Nutzer derzeit dafür zur Verfügung. Vollständig transkribiert werden diese Aufnahmen unglücklicherweise jedoch nicht. Anfänglich funktionierte der Essential Space nur gut mit englischen Inhalten, inzwischen sind aber auch die deutschen Ergebnisse gut.

Wir würden den Essential Space als vielversprechend, aber derzeit noch etwas konfus bezeichnen. So werden Inhalte mal über die Suchleiste gefunden, mal nicht. Bei allgemeineren Fragen, die nichts mit den Inhalten im Essential Space zu tun haben, gibt es zwar treffende Antworten, allerdings ohne Quellenverweis, was wir im Bezug auf künstliche Intelligent für ein riskantes Unterfangen halten.

Ungewöhnlicher Kopfhörer

Überzeugend fanden wir das Zusammenspiel des Smartphones mit dem neuen Nothing-Kopfhörer, der in der Sprachgebung des Herstellers einfach nur Headphone (1) heißt. Auf der rechten Hörmuschel gibt es einen Knopf, der eine Audioaufnahme für das Essential Space startet, wenn er gedrückt wird. Auch das Design des Kopfhörers mit den transparenten Oberflächen und gemetrischen Formen darunter ist unverwechselbar. Hier dürften sich die Designer an den Kassetten der 80er Jahre orientiert haben.

Der Ton des Headphone (1) ist angenehm ausgeglichen, obwohl der Bass kräftig wirkt. Wem das nicht gefällt, oder wer etwas mehr davon haben will, hat in der dazugehörigen Smartphone-App ein Equalizer zur Verfügung. In der App gibt es noch mehr Einstellungen. Der Transparenzmodus ist gelungen, rauscht allerdings ein wenig, was aber nur in sehr ruhigen Umgebungen auffällt.

Der Modus für die Geräuschunterdrückung ist gut, aber nicht auf dem Niveau der neueren Sony-Modelle. Doch insgesamt kommt das Kopfhörer-Debüt kaum mit Konfort-Funktionen, die es bei Konkurrenten gibt. So fehlt beispielsweise die automatische Musikausblendung, wenn der Nutzer zu sprechen beginnt.

Wir fanden den Anpressdruck nach längeren Tragen als etwas zu hoch. Beim Gehäuse hat sich Nothing für eine Mischung aus einer Aluminium-Basis in einer an Apples AirPod Max angelehnten fast rechteckigen Anmutung mit einem transparenten Kunststoffaufbau entschieden. Das macht zwar das Design interessant, aber den Kophförer mit 330 Gramm auch eher schwer.

Gut gelungen ist jedoch das Bedinungskonzept. Nothing hat für verschiedene Funktionen auch einzigartige physische Knöpfe gewählt und verzichtet ganz auf berührungsempfindliche Oberflächen. Über einen Wippschalter lassen sich Musikstücke überspringen.

Eine drehbare Walze reguliert die Lautstärke, wird sie gedrückt, wechselt der Kopfhörer vom Transparenz- zum Geräuschunterdrückungsmodus. Ein Schieberegler schaltet die Kopfhörer an und aus, ein normaler Druckknopf ruft den Assistenten auf oder startet eine Sprachaufnahme, die im Essential Space landet. Alles gut ertastbar und unverwechselbar. Wer seine Musik nicht über Bluetooth hören will, hat für die Kabelverbindung sowohl einen USB-C-Anschluss als auch einen 3,5-Millimeter-Klinkenanschluss zur Auswahl.

Fazit: Nothings Doppelaufschlag ist gelungen, vor allem was das Design angeht. Allerdings ist die Konkurrenz sowohl bei Smartphones und Kopfhörern groß und gut. Allein aus diesem Grund ist es klug, hier seine Stärken auszuspielen. Dass beim Phone (3) nicht der leistungsfähigste Prozessor verbaut ist, halten wir für verkraftbar. Die wenigsten Nutzer werden das bemerken. Wer sich jedoch für die Nothing-Modelle entscheiden will, sollte genau wissen, was er von ihnen erwartet.

Es gibt sowohl bessere Smartphones als auch bessere Kopfhörer. Ein Kopfhörer-Knopf für Sprachaufnahmen, die gleich in der KI-Analyse auf dem Smartphone landen ist zwar nett, aber kein Muss. Der Kopfhörer kostet 299 Euro, das Phone (3) je nach Speichergröße 799 Euro oder 899 Euro. In jedem Fall ist das Headphone (1) wie auch das Phone (3) von Nothing ein Design-Statement, das sich vom Mainstream abrückt. Genau das war auch einmal bei Apple der Beginn des Erfolges.

Dieser Artikel entstand in Zusammenarbeit mit „Business Insider Deutschland“.

Thomas Heuzeroth ist Wirtschaftsredakteur in Berlin. Er berichtet über Verbraucher- und Technologiethemen, Unterhaltungselektronik und Telekommunikation.

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