Günstige E-Autos - für alle?
Die SPD will einkommensschwachen Haushalten das Leasing eines Elektroautos für unter 100 Euro im Monat ermöglichen - finanziert aus einem EU-Fonds. Recherchen von FAKT zeigen: Davon dürften nur sehr wenige Menschen profitieren.
Schon länger liebäugelt die SPD mit dem Konzept des sogenannten "Social Leasing": Menschen mit niedrigen oder mittleren Einkommen könnten für um die 100 Euro monatlich ein neues E-Auto fahren - drei Jahre lang, stark subventioniert vom Staat. In Anbetracht der hohen Anschaffungskosten von Elektroautos wird das schnell zur Frage der sozialen Gerechtigkeit. Gerade Wohlhabendere können sich eher den Umstieg auf klimafreundliche Technologien leisten.
Die verkehrspolitische Sprecherin der SPD, Isabel Cademartori, wirbt daher für das Modell: "Gerade diejenigen, die sich die hohen Anschaffungskosten eines E-Autos nicht leisten können, wollen wir so unterstützen." Als Vorbild gilt Frankreich, wo Social Leasing bereits 2024 eingeführt wurde.
Im Nachbarland konnten sich Anfang 2024 Menschen mit einem Jahreseinkommen von weniger als 15.400 Euro auf das Leasing eines kleinen E-Wagens bewerben - teils mit Raten unter 100 Euro im Monat für drei Jahre. Der Andrang war enorm: Geplant waren 25.000 Verträge, nach wenigen Wochen lagen doppelt so viele Anträge vor. Das Programm musste gestoppt werden. Ab 30. September 2025 soll es unter geänderten Voraussetzungen neu aufgelegt werden.
Für die SPD ist das französische Modell aufgrund der hohen Nachfrage ein Erfolg, den man nun in Deutschland kopieren möchte. Aber gerade beim Thema der Finanzierung weicht die Idee der SPD vom französischen Modell ab. Dort zahlte man 2024 das Social Leasing aus dem Staatshaushalt, ergänzt durch einen Umweltbonus. Hierzulande möchte man einen anderen Weg gehen.
Geld aus einem Fonds - für 300.000 Autos
Dem ARD-Politmagazin FAKT liegt ein regierungsinternes Arbeitspapier vor, das unter anderem die geplante Finanzierung beschreibt: Über den Europäischen Klimasozialfonds (KSF) sollen die Mittel kommen - einen Topf, der eigentlich Millionen Haushalten helfen soll, die durch steigende CO2-Preise verursachten Mehrkosten zu stemmen, gerade beim Tanken und Heizen. Genau diese Finanzierung bestätigt auch die verkehrspolitische Sprecherin der SPD im Interview mit FAKT.
Die EU lässt den Mitgliedstaaten dabei bewusst Spielraum: Der KSF darf für strukturelle Maßnahmen wie Gebäudesanierung, sauberes Heizen und Kühlen, Integration Erneuerbarer Energien oder auch Null- und Niedrigemissions-Mobilität eingesetzt werden. Auch die Maßnahme des Social Leasings ist legitim. Nur wie sinnvoll ist das?
Um das zu beantworten, hilft eine Rechnung: Deutschland stehen aus dem KSF bis 2032 rund 5,3 Milliarden Euro zu. Dazu kommt noch ein Zuschuss aus dem Bundeshaushalt. Laut dem internen Arbeitspapier ist angedacht, bis zu 500 Millionen Euro pro Jahr für Social Leasing auszugeben. Wie viele Menschen man damit erreicht, hängt davon ab, wie viel der Staat pro Auto zuschießen muss, um auf eine monatliche Leasingrate von rund 100 Euro zu kommen.
SPD-Frau Cademartori rechnet mit Zahlen wie in Frankreich. Dort waren es bis zu 13.000 Euro pro Auto. In Regierungskreisen kursieren 10.000 Euro, eine Zahl, die sich auch in mehreren regierungsinternenen Papieren findet, die FAKT vorliegen. Nimmt man die 10.000 Euro als Basis, könnte man mit den 500 Millionen pro Jahr über die gesamte Laufzeit des Fonds maximal 300.000 Menschen mit einem Social Leasing Angebot bedienen.
Große Idee, kleiner Effekt
Ist das viel? Das ist sehr stark davon abhängig, wie man die sogenannten "vulnerable Gruppe" definiert, also die Menschen, die der EU-Klimasozialfonds entlasten möchte. Laut einer Analyse des Öko-Instituts gelten in Deutschland rund acht Millionen Menschen als mobilitätsarm. Sie sind trotz eines niedrigen Einkommens auf ein Auto angewiesen.
Stellt man diese Zahl den potentiellen 300.000 Social-Leasing-Nutzern gegenüber, ergibt sich eine vernichtende Erfolgsbilanz: Nur etwa vier Prozent der mobilitätsarmen Menschen in Deutschland könnten in diesem Fall auf eine Unterstützung durch den EU-Klimasozialfonds hoffen. Bei der SPD gibt man sich angesichts dieser Rechnung entspannt und verweist auf den damaligen Umweltbonus: Auch von dem hätten nicht alle Bürgerinnen und Bürger profitiert.
Für Jonas Becker von der Klima-Allianz ist das ein Kardinalfehler: "Social Leasing ist ein gutes Instrument - aber der Topf ist zu klein. Wenn nur 30.000 bis 50.000 Menschen pro Jahr profitieren, bleibt der Frust bei allen anderen groß." In einer gemeinsamen Stellungnahme stellen sich mehrere Sozialverbände gegen die Idee, Gelder aus dem KSF für das Social Leasing zu nutzen - gerade, weil die Maßnahme teuer ist und nur wenige Bedürftige erreicht werden.
Der Traum von 800.000 E-Autos
Der europäische Lobbyverband T&E sieht hingegen noch mehr Potenzial: Social Leasing könne den Markt beleben und damit langfristig auch den Gebrauchtwagenmarkt füllen - bis zu 800.000 Fahrzeuge seien möglich, bei einer staatlichen Förderung von gerade einmal 5.000 Euro pro Fahrzeug. Das begeistert auch SPD-Verkehrspolitikerin Cademartori: "Wenn wir 800.000 E-Autos in den Markt bringen, wäre das enorm. Das würde einen extrem großen Effekt auch haben im Markt selber. Und das ist vor allem für die Hersteller auch wichtig."
Wie realistisch ist das? Im Kleingedruckten findet man einen entscheidenden Hinweis: T&E geht von einer massiven Mehrwertsteuersenkung von neunzehn auf sechs Prozent für E-Autos aus - Steuerverluste in Milliardenhöhe, ohne die Idee einer Gegenfinanzierung. Und noch etwas wirft Fragen auf: Eine von T&E in Auftrag gegebene Studie des Öko-Instituts konterkariert auch die Aussage des florierenden E-Auto-Markts. Laut der Studie hat Social Leasing nur geringe Markteffekte und ist nicht primär auf die schnelle Steigerung der Produktion von E-Autos ausgerichtet.
T&E verweist auf Nachfrage von FAKT jedoch darauf, dass die Studie durchaus "relevante Effekte in bestimmten Teilmärkten" sieht - etwa bei günstigeren Kleinwagen, die bisher kaum gefördert wurden. Könnte das aber auch daran liegen, dass solche Autos von deutschen Herstellern bisher nicht hergestellt werden?
Leasing-Anbieter sind skeptisch
Laut Cadematori ist man auch im Austausch mit den Herstellern. Bisher habe sie nur positives Feedback erhalten. Eine Nachfrage beim Bundesverband Deutscher Leasing-Unternehmen zeichnet ein anderes Bild. Dort warnt Hauptgeschäftsführerin Claudia Conen: "Die Mittel aus dem Klimasozialfonds der EU sind auch zu wichtig, als dass man sie ineffizient einsetzt. Und das französische Modell des Social Leasings war ineffizient, weil nur eine kleine Gruppe von Menschen erreicht wurde." Sie plädiert daher für Förderinstrumente, die sozial treffsicherer seien und wirbt für eine Mobilität, die mehr Teilhabe ermöglicht, wie etwa Carsharing oder ein Mobilitätsbudget, das viele Angebote klug verknüpft. Die Vorgaben des KSF lassen solche Maßnahmen ebenfalls zu. Ob andere Maßnahmen als Alternative zum Social Leasing vorbereitet wurden, wollte man bei der SPD auf Nachfrage nicht beantworten.
Der Klimasozialfonds soll nicht nur einkommensschwache Haushalte entlasten, sondern auch spürbar CO2 einsparen. Was das Social Leasing betrifft, sei die Einsparung stark vom Programm-Design abhängig, stellt die Studie des Öko-Instituts fest. Grob gesagt gilt: 100.000 zusätzliche E-Autos bringen etwa so viel Reduktion wie der Jahresausstoß einer mittelgroßen Stadt - vorausgesetzt, die alten Verbrenner werden endgültig aus dem Verkehr gezogen. Ob das verpflichtend wird, ist noch offen. Falls ja, bedeutet das aber, dass Leasingnehmer nach drei Jahren das geleaste E-Auto zurückgeben müssen und dann ohne Anschlussförderun ganz ohne Auto da stehen.
Für SPD-Verkehrspolitikerin Cademartori ist das kein Problem: "Am Ende ist ja niemand gezwungen, an so einem Programm teilzunehmen. Manche werden vielleicht einen Verbrenner fahren, der ohnehin eher gegen Ende seiner Laufzeit ist, und hätten sowieso vor der Frage gestanden: 'wie mache ich weiter?'" Aus Sicht der SPD geht es darum, den einkommensschwachen Menschen ein "Ausprobieren der Technologie" zu ermöglichen.
Was sagt eigentlich der Koalitionspartner?
Bei CDU und CSU ist man von dem Vorhaben überrascht. Verkehrspolitiker Alexander Jordan betont, er kenne die Pläne nur aus den Medien - und ist skeptisch: "Ich halte das für eine teure Maßnahme, die den Zwecken des Klimasozialfonds nur eingeschränkt hilft und unserer Automobilindustrie sowie den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern dort auf gar keinen Fall weiterhelfen wird." Dafür große Teile der Klimasozialfonds-Gelder auszugeben, hält man bei der CDU für wenig nachhaltig.
Damit stehen sich also in der Bundesregierung zwei sehr unterschiedliche Erzählungen gegenüber: Die SPD sieht im Social Leasing ein Versprechen von Teilhabe und Klimaschutz. Die Union sieht darin eine milliardenteure Wette auf ein Nischenmodell - das sozial wenig treffsicher ist und die falschen Anreize setzt. Ob Social Leasing tatsächlich Realität wird, dürfte sich also nicht nur an den Zahlen entscheiden, sondern auch an der Frage, welches politische Narrativ in Berlin am Ende stärker trägt.
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