„Die Folgen sehen wir an jedem Flughafen in Deutschland“ – Jedes dritte Flugzeug abgezogen
Trotz einer Steigerung der Passagierzahlen im ersten Halbjahr sieht sich die deutsche Luftverkehrswirtschaft weiterhin in der Krise. Die Zunahme der Gästezahl um 2,8 Prozent auf 99,4 Millionen Menschen bedeute gleichzeitig, dass zum Vor-Corona-Niveau aus dem Jahr 2019 noch immer 15,8 Prozent fehlten, erklärt der Branchenverband BDL. In der ersten Hälfte des Vorjahres war die Passagierzahl noch um zehn Prozent gestiegen.
Im europäischen Vergleich fliegen die Deutschen hinterher, urteilt BDL-Präsident und Eurowings-Chef Jens Bischof. Er sieht vor allem die hohen staatlichen Steuern und Gebühren als Grund für die anhaltende Flaute: „Die Folgen sehen wir an nahezu jedem Flughafen in Deutschland: Airlines ziehen ihre Flugzeuge ab und setzen sie in anderen europäischen Ländern mit entsprechend wettbewerbsfähigen Kosten ein.“
Anders als im Koalitionsvertrag der Bundesregierung vorgesehen, enthält der Haushaltsentwurf für das Jahr 2026 keine Entlastung bei Steuern und Gebühren für Flüge ab Deutschland. „Die Rücknahme der jüngsten Erhöhung der Luftverkehrsteuer von Mai 2024 wäre ein erstes Signal gewesen, damit die Fluggesellschaften zurückkehren“, sagte Bischof und appellierte an die Bundesregierung: „Es ist höchste Zeit gegenzusteuern. Noch ist es nicht zu spät, dass Europas Wirtschaftsnation Nummer 1 auch bei der Luftverkehrsanbindung wieder einen Spitzenplatz erreicht. Hier lässt sich mit vergleichsweise geringen Mitteln das von der Bundesregierung gewünschte Wachstum entfesseln.“
Nach Verbandsberechnungen haben Direktfluggesellschaften wie Ryanair oder Easyjet seit 2019 fast jeden dritten vormals in Deutschland stationierten Jet ins Ausland verlagert. Von 190 Jets seien noch 130 geblieben. Damit gehe nicht nur internationale Anbindung verloren, es entstehe auch ein Milliardenschaden für die Volkswirtschaft. Jedes Mittelstreckenflugzeug sichere rund 170 Arbeitsplätze und trage rund 70 Millionen Euro Wertschöpfung zum Bruttoinlandsprodukt bei.
Bei einer typischen Europa-Verbindung müssten die staatlichen Belastungen von rund 35 Euro pro Passagier um die Hälfte sinken, sagt Bischof. Die von der Bundesregierung für 2026 bereits abgesagte Senkung der Luftverkehrssteuer wäre zumindest ein erstes Signal an die Fluggesellschaften gewesen.
Dem Verband zufolge holt der deutsche Luftverkehr auch in den kommenden Monaten kaum auf. Besonders stark ist der Rückstand bei Inlandsflügen, die im Halbjahr nicht einmal die Hälfte (49 Prozent) des Vorkrisenangebots erreicht haben. Im Winterflugplan ab Ende Oktober wachse das Gesamtangebot von den deutschen Flughäfen um acht Punkte auf rund 90 Prozent des Vor-Corona-Niveaus. In den übrigen europäischen Ländern gehe es um sieben Punkte auf 116 Prozent hoch.
Deutschland-Tourismus mit Rekord im ersten Halbjahr
Eine andere Branche liegt dagegen auf Rekordkurs: der Deutschland-Tourismus. Im ersten Halbjahr zählten heimische Hotels, Pensionen, Campingplätze und andere Beherbergungsbetriebe zusammen 223,3 Millionen Übernachtungen. Damit wurde der bisherige Höchstwert für eine erste Jahreshälfte von 2024 um 0,1 Prozent übertroffen, wie das Statistische Bundesamt am Montag mitteilte.
„Der Anstieg auf ein neues Rekordniveau für eine erste Jahreshälfte ist auf die Übernachtungen inländischer Gäste zurückzuführen“, erklärten die Statistiker. Deren Zahl stieg in den ersten sechs Monaten um 0,8 Prozent auf 187,0 Millionen. Bei den Gästen aus dem Ausland sank die Übernachtungszahl dagegen um 3,2 Prozent auf 36,4 Millionen.
Im Juni allein verbuchten die Beherbergungsbetriebe in Deutschland 50,5 Millionen Übernachtungen in- und ausländischer Gäste. Das waren 3,8 Prozent mehr als im Vorjahresmonat. Dabei nahm die Zahl der Übernachtungen von Gästen aus dem Inland um 7,4 Prozent auf 42,8 Millionen zu. „Ein Grund für den Anstieg dürften die Pfingstferien in einigen Bundesländern sein, die 2025 überwiegend im Juni lagen und 2024 im Mai gelegen hatten“, so die Statistiker.
Dagegen sank die Zahl der Übernachtungen von Gästen aus dem Ausland im Vorjahresvergleich um 12,7 Prozent auf 7,6 Millionen. „Letzteres dürfte daran liegen, dass im Juni 2024 die Fußball-Europameisterschaft in Deutschland außergewöhnlich viele ausländische Touristinnen und Touristen angezogen hatte“, so die Statistiker.
Die Stimmung im deutschen Beherbergungsgewerbe hatte sich im Juni den fünften Monat in Folge aufgehellt – von minus 16,5 auf minus 15,3 Punkte. Damit würden allerdings nach wie vor die pessimistischen Stimmen überwiegen, wie das Münchner Ifo-Institut bei seiner Umfrage herausfand. „Eigentlich profitierten viele Sparten trotz der allgemeinen Zurückhaltung im Konsum von einer stabilen Nachfrage“, sagte Ifo-Branchenexpertin Caroline Vogel. „Der Start ins Jahr 2025 verlief jedoch etwas holprig. Das wirkt weiter nach.“
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