Die Kontrollen an den Außengrenzen sollen eigentlich die "irreguläre Migration" unterbinden. Ob sie das können, ist umstritten. In jedem Fall aber sorgen sie für Staus - und gestiegene Kosten.

Wenn man von Polen aus auf der A12 nach Deutschland fährt, wird die Autobahn kurz hinter der Grenze erst einmal einspurig. Hier kontrolliert die deutsche Polizei. Die rechte Spur ist abgesperrt, dort stehen Bundespolizisten und schauen sich jedes Fahrzeug an.

Hin und wieder halten sie die Kelle raus und schauen genauer ins Auto. Dann ist kurz Vollstopp, auch für die folgenden Autos. Manchmal wird auch jemand herausgewinkt. Das kostet Reisezeit - für alle, die dort unterwegs sind. Ein Problem nicht nur für Pendlerinnen und Pendler sowie Autofahrende, sondern auch für alle, die Waren von oder nach Polen bringen wollen.

Zeit ist Geld

Koos den Rooijen kommt aus den Niederlanden und arbeitet in Frankfurt (Oder) für das polnische Speditionsunternehmen Log Way Solution. Er kritisiert die Kontrollen scharf: "Für die Fahrer ist das nur Stress", sagt er. Und zur inzwischen regelmäßigen Wartezeit an den Grenzübergängen: "Es sind eigentlich verdeckte Kosten. Die werden uns von niemandem ausgeglichen."

Seit Polen im Gegenzug zum deutschen Alleingang auch Grenzkontrollen eingeführt hat, stehen den Rooijens Fahrer in beiden Fahrtrichtungen im Stau. Er rechnet vor, wie sich die Stunden summieren: "Montag früh: 40 bis 60 Minuten Verspätung im günstigsten Fall." Freitags, wenn wieder besonders viel Verkehr herrscht, das gleiche Spiel. Und besonders lange dauert es nach Feiertagen: "Nach Ostern sind auch schon bis zu sechs oder sieben Stunden normal gewesen."

Die Branche schlägt Alarm. Eberhard Tief von der Fachvereinigung Güterfernverkehr weist auf das Einmaleins der Betriebswirtschaft hin: "Zeit ist Geld. Wenn Fahrzeuge im Stau stehen, stehen sie unproduktiv und können an der Wertschöpfung nicht teilnehmen." Allein am Grenzübergang bei Frankfurt (Oder) gehe der so entstandene Schaden für die Branche jährlich in die Millionen oder darüber hinaus.

Brandbrief an Dobrindt

Die Industrie- und Handelskammer (IHK) Ostbrandenburg und der Verband des Verkehrsgewerbes haben sich unlängst mit einem Brandbrief an Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) gewandt. Knapp vier Millionen Lkw würden allein bei Frankfurt (Oder) pro Jahr über die Grenze rollen - oder im Moment eben vor ihr stehen. Im Brief heißt es, die Kontrollen führen zu "Störungen von Lieferketten" und Behinderungen von Arbeitspendlern. Die steigenden Kosten schwächten die Wettbewerbsfähigkeit "nachhaltig".

Auch Vorschläge für die Praxis sind dabei: beipielsweise eine Spur für Pkw und Kleintransporter, eine weitere für Busse und Lkw. Das wären dann plötzlich immerhin zwei Spuren. Das Gelände einer ehemaligen "Passkontrollanlage" aus DDR-Zeiten könnte wieder genutzt werden - um mehr Platz für die Kontrollen zu schaffen.

Die Vorschläge sind praxisnah und womöglich zeitnah umzusetzen. Sie zeigen aber auch noch einmal, wie unkoordiniert und teils planlos die Kontrollen auf deutscher Seite überhaupt eingeführt wurden. Für Monique Zweig von der IHK Ostbrandenburg, die den Brandbrief gemeinsam mit Tief unterschrieben hat, zeigt Polen, wie man es besser macht: "Die haben ja zwei Kontrollspuren eingerichtet, wir wünschen uns sowas auf deutscher Seite auch."

Experten bezweifeln Wirksamkeit

Dass ausgerechnet Polen es besser kann, ist nicht ohne Ironie. Das Land würde lieber heute als morgen wieder freien Verkehr sehen. Die eigenen Kontrollen hat Warschau nur als Reaktion eingeführt - auf die deutsche Entscheidung, seine Grenzen wieder zu kontrollieren.

In der Brandenburger Landeshauptstadt Potsdam schaute vergangene Woche Polens Botschafter Jan Tombiński zu seinem Antrittsbesuch vorbei. Er traf dort auf Ministerpräsident Dietmar Woidke. Der SPD-Politiker betont noch einmal, was hier alle wissen: dass Polen für Brandenburg das wichtigste Exportland ist. Dennoch verteidigt Woidke die Grenzkontrollen. Diese seien "ein wesentlicher Beitrag gewesen, die irreguläre Migration zurückzudrängen".

Eine Einschätzung, die viele Experten und Politiker bezweifeln. Vielmehr seien Kontrollen an den Außengrenzen sowie alle möglichen Push- und Pull-Faktoren entscheidend dafür, wie sich die Zahlen entwickelten. Die Kontrollen an den deutschen Außengrenzen hingegen hätten - wenn überhaupt - einen nachrangigen Effekt.

Polen fordert Ende der Kontrollen

Botschafter Tombiński fordert in diplomatischem Ton noch einmal ein Ende der Grenzkontrollen. Polen habe "massiv in den Schutz der Außengrenze der Europäischen Union investiert". Unter anderem hat das Land einen 186 Kilometer langen Grenzzaun zu Belarus errichtet, elektronisch überwacht. Tombiński mahnt, das sei "nur dann gerechtfertigt, wenn die Innengrenzen der Europäischen Union die Freizügigkeit im Verkehr gewährleisten."

Spediteur den Rooijen wünscht sich genau das auch. Für ihn bleiben die Kontrollen vor allem ein Kostenfaktor. "Es ist alles eine politische Entscheidung von Leuten, die hier gar nicht vertreten sind." Erst einmal aber ist ein Ende der Kontrollen nicht in Sicht.

Für den Rooijen heißt das: Jede Woche beginnt erst einmal mit einem Verlust. "Sagen wir mal, du hast 50 Lkw", rechnet er vor. Diese stünden jeden Montag im günstigsten Fall erst einmal jeweils eine Stunde im Stau. "Dann hast du jede Woche am Montag 50 Stunden Arbeitszeitverlust."

Mit Material von Ronja Bachofer und Franz Talke, rbb

Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke