Tagelang war Suweida von der Aussenwelt abgeschottet. Niemand kam rein, niemand kam raus. Das Internet funktionierte nur sporadisch. Blutige Zusammenstösse zwischen Beduinen, Regierungstruppen und drusischen Milizen forderten Hunderte Tote und noch mehr Verletzte. Auch Israel griff zeitweise militärisch ein und goss damit Öl ins Feuer.

Nur langsam kommt Licht ins Dunkel der Geschehnisse in der südsyrischen Provinz. Die Gewalt begann mit einem Übergriff auf einen Gemüsehändler aus Suweida auf dem Weg nach Damaskus. Dies löste eine Gewaltspirale zwischen Beduinen und Angehörigen der drusischen Minderheit aus. Fehden sind eigentlich keine Seltenheit in den ländlichen Gebieten Syriens.

Leichen auf den Strassen, Menschen, die willkürlich und kaltblütig getötet wurden.
Autor: Englischlehrer aus Suweida

Doch noch nie sei die Gewalt dermassen eskaliert wie in den letzten zehn Tagen, beschreibt ein drusischer Englischlehrer aus der Stadt Suweida per Sprachnachricht: «Leichen auf den Strassen, Menschen, die willkürlich und kaltblütig getötet wurden.»

Legende: Beduinen-Kämpfer zirkulieren in der Umgebung der Provinzhauptstadt Suweida nach den blutigen Zusammenstössen vom 18. Juli 2025 mit Drusenmilizen. Keystone/EPA/AHMAD FALLAHA

Auch der Englischlehrer hat einen Cousin verloren. Beduinische Milizen, wohl mit Unterstützung von Truppen, die der Regierung nahestehen, hätten in der Provinzhauptstadt Suweida regelrecht Jagd auf Drusen gemacht, Häuser geplündert und in Brand gesetzt, während sich die Anwohnerinnen und Anwohner in Kellern oder in benachbarten Quartieren zu verstecken versuchten. Ihm fehlen die Worte.

Beduinen erlebten auch Gewalt

Auf der anderen Seite, bei den Beduinen, ein ähnliches Bild, wie der sunnitische Imam Sheikh Mohammed al Baddah schildert. Granaten hätten die Wände seines Hauses durchbrochen – drusische Milizen hätten ein gutes Dutzend Gebäude in seinem Viertel am Stadtrand von Suweida bombardiert, mit 27 Todesopfern.

Hinzu kamen die Schüsse von Scharfschützen, wie der Imam erklärt: Als die Regierungstruppen die Strassenblockaden aufhoben, wollte er mit seiner Familie nach Damaskus fahren, doch wurden ihre Autos bereits auf einem Platz im Stadtzentrum mit Schüssen eingedeckt. Ein Bruder und einer seiner Söhne starben. «Erst 24 Stunden nach der Tat konnten wir die von Kugeln durchsiebten Leichen einsammeln», berichtet der Imam.

Wir fühlen uns von den Regierungstruppen im Stich gelassen.
Autor: Sheikh Mohammed al Baddah Sunnitischer Imam in Suweida

Der sunnitische Imam sieht drusische Milizen als Hauptverantwortliche für die Geschehnisse und fühlt sich von den Regierungstruppen im Stich gelassen. Die Drusen auf der anderen Seite unterstellen Angehörigen der Regierungstruppen, bei den Massakern an ihrer Religionsgemeinschaft an vorderster Front mitgewirkt zu haben. Niemand kennt zurzeit das genaue Ausmass der Massaker.

Irreparable Spaltung befürchtet

Im Damaszener Viertel Jaramana sorgt sich Yanal um seine Verwandten in Suweida. Beduinen hätten das Haus seines Bruders gestürmt und ihn mitsamt seiner Familie wohl umgebracht, wäre da nicht ein beduinischer Nachbar dazwischengekommen. Dieser habe die Familie gerettet. Andere Familien im selben Haus seien massakriert worden.

Sheikh Mohammad al-Baddah berichtet umgekehrt von Beduinen, die von drusischen Nachbarn gerettet wurden. Doch die Gewalt an Zivilisten spaltet die Volksgruppen. Für manche ist ein Zusammenleben nicht mehr vorstellbar. Und mit jeder weiteren Gewalteskalation wird es schwieriger, die Risse im Mosaik der syrischen Gesellschaft zu kitten.

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