Tech-Bros ködern KI-Genies mit astronomischen Gehältern
Im Silicon Valley tobt ein erbitterter Wettkampf um KI-Talente. Meta-Chef Zuckerberg bietet noch nie dagewesene Rekord-Gehälter, um Experten von Konkurrenten abzuwerben. Auch das deutsche KI-Startup Aleph Alpha bekommt die Auswirkungen der Gehaltsspirale zu spüren.
Das Rennen um die KI-Dominanz erreicht in den USA absurde Ausmaße. Das zeigt sich nicht zuletzt an der aggressiven Einstellungspolitik großer Tech-Firmen. Meta, Google und Co sind bereit, Gehälter zu zahlen, die sonst allenfalls im Profisport üblich sind. Mitarbeiter werden mit dreistelligen Millionenbeträgen von Konkurrenten oder aus ihren eigenen Startups abgeworben. "In dieser Intensität hat es das bislang so noch nicht gegeben", sagt KI-Experte Teo Pham auf Anfrage von ntv.de. Gehälter in einer Größenordnung von einer Million Dollar pro Jahr seien zwar in der Vergangenheit nicht unüblich gewesen. "Seit Kurzem ist die Entwicklung aber regelrecht eskaliert."
Die aktuellen Gehälter zeigen vor allem eins: Für die Unternehmen steht enorm viel auf dem Spiel. Laut dem Gründer des Heidelberger KI-Startups Aleph Alpha ist Künstliche Intelligenz längst nicht mehr nur ein Forschungsthema - es geht um nichts Geringeres als die technologische Vorherrschaft der nächsten Jahrzehnte. "Wer heute die besten Köpfe gewinnt, kann morgen Standards setzen, Märkte dominieren und ganze Wertschöpfungsketten verändern. In diesem globalen Wettrennen um Marktdominanz sind Spitzengehälter ein Ausdruck davon, wie hoch die Einsätze sind", sagt Jonas Andrulis ntv.de.
Um nicht den Anschluss zu verlieren, ist in den USA besonders Meta-Chef Marc Zuckerberg bereit, tief in die Tasche zu greifen. Obwohl er wiederholt seine Absicht erklärt hat, das Unternehmen zu einem "KI-Führer" zu machen, hat Meta Mühe, mit seinen Konkurrenten Schritt zu halten. Das Unternehmen musste mehrere Rückschläge hinnehmen. Auch deswegen dürfte Zuckerberg das Anwerben neuer Experten zur Chefsache gemacht haben. Der Facebook-Gründer soll zuletzt KI-Talenten des ChatGPT-Entwicklers OpenAI Einstellungsprämien in Höhe von 100 Millionen US-Dollar und höher in Aussicht gestellt haben. Die Reaktion von OpenAI-Chef Sam Altman? In einer Slack-Notiz, die dem Magazin "Wired" vorliegt, hat er die Abwerbungsversuche von Meta scharf kritisiert - und im gleichen Atemzug angekündigt, das Unternehmen arbeite an einer Anpassung der Gehälter.
Wang brachte es mit Scale AI zum Milliardär
Gerüchten zufolge hat Zuckerberg eine Liste von KI-Experten, die er von der Konkurrenz abwerben will, um die Entwicklung einer künstlichen Superintelligenz voranzutreiben. Die "Künstliche Allgemeine Intelligenz" (Artificial General Intelligence, AGI) gilt als der Heilige Gral der Branche. Diese Programme können Aufgaben selbstständig lösen und sind nicht auf menschliche Anweisungen angewiesen. Tendenziell sollen sie die intellektuellen Fähigkeiten des Menschen erreichen oder sogar überflügeln.
Auf Zuckerbergs Liste von KI-Genies stand anscheinend auch der Chef des KI-Datenspezialisten Scale AI Alexandr Wang. Meta übernahm im Juni für 14,3 Milliarden Dollar einen Anteil von 49 Prozent an dem Startup. Es war die zweitgrößte Transaktion seit der Übernahme von Whatsapp für 19 Milliarden Dollar im Jahr 2014. Insidern zufolge war Metas Hauptziel dabei die Verpflichtung des 28-jährigen Wang. Er leitet jetzt die Abteilung für die Entwicklung der "Künstlichen Allgemeinen Intelligenz". Der in den USA geborene Sohn chinesischer Einwanderer ist kein KI-Entwickler, hat aber ähnlich wie OpenAI-Chef Sam Altman aus dieser Technologie ein Geschäftsmodell gemacht. Wang, der sein Studium an der renommierten Universität MIT abgebrochen hatte, brachte es mit Scale AI zum Milliardär.
Die 2016 gegründete Firma zählt unter anderem die US-Regierung zu ihren Kunden. Das Startup bietet Unmengen an Datensätzen an, die von Menschen mit Schlagworten versehen wurden – essenziell für das Training von ChatGPT, Gemini & Co. Scale AI wird im Rahmen dieser Transaktion mit 29 Milliarden Dollar bewertet – eine Verdoppelung im Vergleich zur Finanzierungsrunde vor rund einem Jahr.
Neue Taktik hat im Silicon Valley Schule gemacht
Mit einem Gehalt von angeblich 200 Millionen US-Dollar hat Zuckerberg außerdem Anfang dieses Monats Ruoming Pang zu Meta gelockt. Pang leitete zuvor das KI-Team des iPhone-Herstellers Apple. Auch er soll künftig für das Superintelligence-Team arbeiten. Laut Tech-Analyst und Investor Philipp Klöckner treibt Zuckerberg die Erkenntnis darüber an, wie eminent wichtig die Chance zur Entwicklung der ersten Superintelligenz auch rein wirtschaftlich ist. Die Vehemenz, mit der Zuckerberg vorgeht, überrascht ihn nicht. Der Facebook-Gründer sei dafür bekannt, geradezu mit einer rücksichtslosen Entschlossenheit seine Prio-1-Ziele zu verfolgen.
Doch nicht nur Meta, auch Google hat Angst, im Wettkampf gegen OpenAI ins Hintertreffen zu gelangen. Der Konzern hat laut Informationen des "Wall Street Journals" für 2,4 Milliarden US-Dollar den Chef des KI-Startups Windsurf und mehrere seiner Mitarbeiter eingestellt. Klöckner kann zwar nachvollziehen, dass die jüngste Eskalation der Gehälter absurd klingen mag. Gleichzeitig gibt er zu bedenken: "Einzelne Talente können den Werdegang eines Produkts oder eines Unternehmens so beeinflussen, dass sie diese Gehälter auch wieder einspielen", sagt der Host des Podcasts "Doppelgänger" ntv.de. Die Aussicht, eine "letzte Technologie", die selbstständig forscht, zu schaffen, rechtfertige beinahe alle Mittel.
Das Vorgehen, Spitzenkräfte abzuwerben, anstatt kleinere Unternehmen komplett zu übernehmen, hat im Silicon Valley zuletzt Schule gemacht. Diese Taktik wird auch "Acquihire" (eine Kombination aus den Wörtern acquire und hire) genannt. Laut KI-Experte Pham erlebt die Branche gerade eine Weiterentwicklung dieses Konzepts. "Wegen regulatorischer Einschränkungen durch die Kartellbehörden können große Konzerne derzeit nicht mehr so leicht andere Unternehmen übernehmen – oder die Prozesse würden schlicht zu lange dauern." Statt das Unternehmen als Ganzes zu übernehmen, würden Teams – oft gegen sehr hohe individuelle Vergütung – direkt zum Wechsel bewegt. "Dieser Mechanismus erlaubt es Konzernen, schnell Know-how zu sichern, ohne langwierige Übernahmen und regulatorische Risiken."
Aleph-Alpha-Gründer Andrulis gibt außerdem zu bedenken: "Es geht um das gezielte Absichern von Fähigkeiten, die sich manchmal nicht so einfach über einen Unternehmenskauf einkaufen lassen." Zudem sei kulturelle und strukturelle Integration bei Akquisitionen ein oft unterschätzter Faktor. "Da verspricht die gezielte Abwerbung einzelner Köpfe manchmal schnellere Wirkung."
Fehlendes Verständnis in Europa
Für Europa als KI-Standort der Zukunft haben die astronomischen Gehälter in den USA potenziell große Nachteile. "Solche Gehaltspakete sind hier kaum vorstellbar. Auch wenn es in Europa viele hervorragende KI-Forscher gibt, ist der Anreiz, in die USA zu wechseln, nun größer denn je", sagt Pham. In Europa – und speziell in Deutschland – fehle bisher auch das Bewusstsein dafür, dass ein einzelner Forscher mehrere Millionen US-Dollar im Jahr wert sein kann.
Auch Aleph Alpha in Heidelberg bekommt die aktuellen Turbulenzen zu spüren. Mit den gestiegenen Gehaltsvorstellungen wird auch Andrulis in Einstellungsverfahren konfrontiert. Er beobachtet aber gleichzeitig: "In Interviews fragen Bewerber zunehmend nach anderen Faktoren: Forschungsfreiheit, die Möglichkeit zu publizieren und der gesellschaftliche Impact ihrer Arbeit spielen eine immer größere Rolle." Inzwischen würden sich auch immer mehr Bewerber aus den USA bei ihnen melden. "Das hat nicht unbedingt mit der Gehaltsspirale zu tun."
Wie viel das KI-Startup seinen KI-Experten zahlt, will Andrulis nicht verraten. Nur so viel: Man befinde sich im internationalen Wettbewerb. Für Bewerber aus den USA spielen zum Glück aber offenbar auch noch andere Faktoren eine Rolle. "Europa bietet eine hohe Lebensqualität, eine höhere politische Stabilität und zunehmend attraktive Forschungsbedingungen. In Zeiten, in denen sich das politische Klima in den USA verändert und sich der Wettbewerb um Talente zuspitzt, gewinnen europäische Standorte an Attraktivität – nicht nur als Arbeitsplatz, sondern als Lebensumfeld."
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