Im Wirecard-Prozess hat das Landgericht München mit der Vernehmung des Insolvenzverwalters begonnen. Der erste Tag verlief wie erwartet. Für Ex-Wirecard-CEO Braun ist das eine schlechte Nachricht.

Vor fast genau fünf Jahren, Ende Juni 2020, kollabierte Wirecard. Seitdem befasst sich Insolvenzverwalter Michael Jaffé intensiv mit dem Aschheimer Zahlungsdienstleister und versucht, im Interesse der Gläubiger Gesellschaften und die verbliebenen Einzelteile des früheren DAX-Konzerns zu veräußern. "Die Ausgangslage war enorm komplex", erinnert sich Jaffé, kurz nachdem er als Zeuge im unterirdischen Verhandlungssaal des Landgerichts München auf dem Gelände der JVA Stadelheim Platz genommen hat.

Über eine Milliarde für angebliche "Erfolgsgeschichte" verbrannt

Der Wirecard-Insolvenzverwalter kommt schnell zum Punkt, spricht von einem erheblichen "Cashburn", den es über Jahre gegeben habe. "Das Unternehmen hat Geld verbrannt, 1,1 Milliarden Euro." Das habe geschehen müssen, um die "Erfolgsgeschichte aufrechtzuerhalten", sagt Jaffé. Das Geld hat sich Wirecard bei mehreren Banken besorgt, die dem Konzern lange bereitwillig Kredite gewährt haben.

Jahrelang kannten die Geschäfte des Aschheimer Zahlungsdienstleisters nur eine Richtung - nach oben. Entsprechend schoss der Aktienkurs in die Höhe. Im September 2018 gelang Wirecard sogar die Aufnahme in den Kreis der damals 30 größten Aktiengesellschaften in Deutschland, in den DAX. Die Commerzbank schied dafür aus.

Eine entscheidende Rolle bei dieser Entwicklung spielte dabei das Wirecard-Geschäft mit ausländischen Drittpartnern. Die Frage, ob dieses sogenannte TPA-Business überhaupt existiert hat, ist nach wie vor der Dreh- und Angelpunkt des Wirecard-Skandals und des Strafprozesses am Landgericht München.

Braun-These - von Jaffé widerlegt?

Seit Anfang Dezember 2022 müssen sich der frühere Wirecard-Chefbuchhalter Stephan von Erffa, der ehemalige Statthalter des Unternehmens in Dubai, Oliver Bellenhaus und Ex-CEO Markus Braun unter anderem wegen des Verdachts der Falschdarstellung und des bandenmäßigen Betrugs verantworten. Braun vertritt in diesem Verfahren bis heute die These, eine Bande rund um den flüchtigen Ex-Wirecard-Vorstand Jan Marsalek sowie den Mitangeklagten Bellenhaus habe Konzern-Gelder veruntreut und Einnahmen aus dem Drittpartner-Geschäft auf Auslandskonten verschoben.

Das sei ausgeschlossen, betont Jaffé. Und: "Wir haben keine Grundlagen gefunden, die ansatzweise ein solches Geschäft dokumentieren und nachweisen." Dass der Wirecard-Insolvenzverwalter diese Meinung vertritt, ist nicht neu.

In mehreren Sachstandsberichten hat er in den vergangenen Jahren wiederholt detailliert dargestellt, dass er und sein Team für die Existenz des von Wirecard über Jahre in die Bilanzen geschriebenen Auslands-Business mit Drittpartnern keine Belege gefunden haben. Daran hielt Jaffé im Zeugenstand fest. Ein Geschäft mit einer angeblichen Größenordnung in Höhe von mehreren Milliarden? "Die werden nicht lautlos bewegt", sagt Jaffé.

 

Angeblicher Wirecard-Treuhänder - Guthaben kam dort nie an

Ähnlich deutlich wurde der Insolvenzverwalter mit Blick auf Wirecard zustehendes Treuhandguthaben in Höhe von 1,9 Milliarden Euro, das nach offizieller Darstellung auf philippinischen Konten liegen sollte. Der Zahlungsdienstleister war im Juni 2020 kollabiert, weil diese Summe nicht auffindbar war. Jaffé erzählt, er und sein Team hätten damals mit dem angeblichen Treuhänder Kontakt aufgenommen - Mark Tolentino, einem philippinischen Scheidungsanwalt.

"Wir haben lange gesprochen, und es war klar, auf den Philippinen ist das Geld nicht", erinnert sich Jaffé, der die Gespräche mit dem vermeintlichen Treuhänder zudem als "skurril" bezeichnet. Am Ende sei das Ergebnis gewesen, dass das Guthaben bei Tolentino nicht angekommen sei. "Das war völlig unstreitig." Genau wie die Tatsache, dass am Ende auch Bank-Belege gefälscht worden seien, so der Insolvenzverwalter.

Vernehmung als eine Art Zusammenfassung

Nach Aussage von Gerichtssprecher Laurent Lafleur zeigt die Vernehmung Jaffés, dass die Beweisaufnahme bereits weit fortgeschritten ist. Die Vernehmung sei eine Art Zusammenfassung. Wann mit einem Urteil zu rechnen ist, wollte Lafleur nicht sagen. Prozessbeteiligte rechnen damit für Ende dieses oder Anfang kommenden Jahres.

Die Kammer will den Insolvenzverwalter morgen weitervernehmen. Spätestens dann bekommt die Verteidigung von Braun Gelegenheit, ihm Fragen zu stellen. Es dürften viele sein, zumindest machte sich der Ex-Wirecard-Chef auf seinem Laptop mehrfach Notizen.

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