Unicredit greift nach Commerzbank – Bund verliert Mehrheit
Zuletzt schien das Szenario einer Commerzbank-Übernahme in weite Ferne gerückt, nun folgt die spektakuläre Wende: Die italienische Unicredit steigt zum größten Aktionär der Commerzbank vor dem deutschen Staat auf und zieht einmal mehr den Ärger der zweitgrößten deutschen Privatbank auf sich. Und damit nicht genug: Unicredit-Chef Andrea Orcel deutet weitere offensive Schritte an, die die Mailänder Großbank nahe an ein Übernahmeangebot für die Commerzbank bringen würden.
Entsprechend verärgert fällt die Reaktion aus Frankfurt aus: "Dieser Schritt ist erneut nicht mit der Commerzbank abgestimmt", erklärte der Dax-Konzern, der seit Monaten versucht, seine Unabhängigkeit zu bewahren.
Zuvor hatte die Mailänder Unicredit am Dienstagabend mitgeteilt, dass sie ihre direkte Aktienbeteiligung an der Commerzbank und damit ihre Stimmrechte von knapp unter 10 Prozent auf rund 20 Prozent verdoppelt hat. Dazu wandelte sie gut die Hälfte der von ihr gehaltenen Finanzinstrumente in Aktien um und überholte den Bund als bisher größten Commerzbank-Aktionär. Der deutsche Staat, der die Commerzbank in der globalen Finanzkrise mit Steuermilliarden vor dem Kollaps bewahrt hatte, hält noch gut 12 Prozent der Anteile.
Unicredit deutet schon nächste Ziele an
Die Unicredit, die bereits über die Münchner Hypovereinsbank (HVB) in Deutschland präsent ist, will nicht nachlassen: Die weiteren rund 9 Prozent, auf die die Großbank über Finanzinstrumente Zugriff hat, will sie nach eigenen Angaben "zu gegebener Zeit" ebenfalls in Aktien umwandeln.
Kommt es zur erneuten Aufstockung der direkten Beteiligung, wäre die Unicredit nahe an der Schwelle von 30 Prozent, ab der sie gesetzlich verpflichtet wäre, den übrigen Commerzbank-Aktionären ein offizielles Übernahmeangebot zu machen.
Einstieg über Umwege
Die Italiener waren im September nach dem Teilausstieg des Bundes im großen Stil bei der Commerzbank eingestiegen und hatten sich direkt über Aktien und indirekt über Finanzinstrumente Zugriff auf einen großen Commerzbank-Anteil gesichert. Erst im März hatte die Unicredit die Erlaubnis der Bankenaufsicht der Europäischen Zentralbank (EZB) bekommen, ihren Anteil an dem Dax-Konzern auf knapp unter 30 Prozent aufzustocken. Auch das Bundeskartellamt gab grünes Licht.
Den jüngsten Schritt der Unicredit hatte aber kaum jemand auf der Rechnung: Noch vor Kurzem hatte Unicredit-Chef Andrea Orcel gesagt, die Unicredit sei "weit entfernt" von einem Übernahmeangebot für die Commerzbank. Die Zukunft der Unicredit sei "sehr rosig" - mit oder ohne Übernahmen.
Das Thema schien auf die lange Bank geschoben: Die Unicredit könne sich für die Entscheidung über ein formales Kaufangebot für die Commerzbank bis 2027 Zeit lassen, so Orcel.
Nicht zuletzt ist der Aktienkurs der Commerzbank seit dem Einstieg der Unicredit stark gestiegen, was eine Übernahme verteuern würde. Auch am Mittwoch legten Commerzbank-Papiere zu, inzwischen bringt es die Bank auf einen Börsenwert von mehr als 35 Milliarden Euro.
Briefe an die Bundesregierung
Bei der Commerzbank stößt die Unicredit auf heftigen Widerstand. Sowohl das Management um Vorstandschefin Bettina Orlopp als auch die Arbeitnehmervertreter lehnen eine Übernahme ab. Die Commerzbank wirbt mit ehrgeizigen Renditezielen und dem Abbau Tausender Stellen immer wieder für einen unabhängigen Kurs.
"Die Anpassung der Position der UniCredit hat keine Auswirkungen auf unsere strategische Ausrichtung oder unsere Ambitionen", betont die Commerzbank nun. Die jüngsten Rekordergebnisse belegten, "dass unser eigenständiges Geschäftsmodell funktioniert".
Orcel beißt in Berlin auf Granit
Auch von der Politik bekommt die Commerzbank Rückendeckung. Kanzler Friedrich Merz (CDU) stellte sich in einem Brief an Commerzbank-Konzernbetriebsratschef Sascha Uebel hinter die Bank: Die Bundesregierung setze auf eine "starke und unabhängige Commerzbank".
Uebel, der auch stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender des Frankfurter Dax-Konzerns ist, bekräftigte angesichts der aktuellen Entwicklung seinen Widerstand: "Meine Haltung und die Haltung des Betriebsrates ändert sich dadurch nicht: Orcel soll von seiner feindlichen Übernahme Abstand nehmen."
Erst kürzlich hatte der Unicredit-Chef in Briefen an Merz und Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) für die Vorteile eines Zusammenschlusses von Commerzbank und Unicredit mit HVB geworben und Zugeständnisse in Sachen Filialnetz und Deutschland-Zentrale gemacht - war damit aber abgeblitzt. Nun wird Orcel erneut seinem Ruf als Taktierer gerecht: Er geht aufs Ganze.
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