Brüssel spielt im Zollstreit weiterhin auf Zeit
Der Handelsstreit mit den USA gerät zur Hängepartie. Mit dem 1. August steht eine neue Frist im Raum. EU-Politiker hoffen, dass sie auch für die EU gelten wird. Auch wenn die anhaltende Ungewissheit Gift für Unternehmen ist, könnte sich der Aufschub aus ihrer Sicht auszahlen.
Die USA und die EU reden noch miteinander - was sowohl eine gute als auch eine schlechte Nachricht ist. Gut, denn die Lage ist bisher nicht wieder eskaliert und US-Präsident Donald Trump hat keine neuen Zölle gegen die Europäer verhängt. Schlecht, denn die Verhandlungen und damit die Unsicherheit dauern weiter an - ein Ergebnis ist nicht in Sicht. Das sorgt bei deutschen Unternehmen für Ärger.
"Wir Familienunternehmer beobachten die laufenden Gespräche zwischen EU und US-Regierung mit wachsender Ungeduld", sagt Marie-Christine Ostermann, Präsidentin des Lobbyverbandes "Die Familienunternehmer", dem Wirtschaftsmagazin "Capital". Zwar begrüße man jede Chance, eine Eskalation zu verhindern, doch der Verhandlungsprozess ziehe sich in die Länge und schaffe Planungsschwierigkeiten. "Wir brauchen bald klare und umfassende Verhandlungsergebnisse", sagte Ostermann. "Die verlängerte Ungewissheit verzögert Investitionsentscheidungen und Auftragsvergaben."
Zölle wurden für 90 Tage ausgesetzt
In eine ähnliche Kerbe schlägt Volker Treier, Außenwirtschaftschef des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK). "Die deutschen Unternehmen leiden täglich unter dem anhaltenden Zollkonflikt der USA mit der EU, aber auch mit dem Rest der Welt", sagte Treier zu "Capital". "Die EU muss nun geschlossen und entschlossen mit den USA ein möglichst umfangreiches und ausgewogenes Abkommen verhandeln, um die Zölle abzubauen, die den transatlantischen Handel stark belasten. Dabei drängt die Zeit."
Darum geht es: Anfang April verhängte US-Präsident Donald Trump hohe Zölle gegen fast die ganze Welt. Die EU bedachte er mit pauschalen Einfuhrzöllen von 20 Prozent. Als daraufhin die Börsen einbrachen und der Druck wuchs, verkündete Trump, die Zölle zunächst für 90 Tage auszusetzen. Die USA und die EU verhandeln währenddessen über ein Handelsabkommen.
Diese Frist würde am Mittwoch auslaufen - doch es scheint eine neue Kehrtwende zu geben. Am Montag kündigte Trump an, neue Einfuhrzölle sollten erst ab dem 1. August in Kraft treten. Damit verlängert sich die Frist für ein Handelsabkommen um rund drei Wochen. Allerdings gelten jetzt schon pauschale Zölle in Höhe von 10 Prozent, außerdem spezifische Zölle für Stahlprodukte (50 Prozent) sowie für Autoteile und Autos (27,5 Prozent).
Und die entfalten ihre Wirkung. "Die derzeitigen US-Zölle treffen die Unternehmen der Hersteller und Zulieferer extrem hart", sagt eine Sprecherin des Verbands der Automobilindustrie (VDA) zu "Capital". "Sie bekommen die starken finanziellen Konsequenzen der Zölle jeden Tag durch hohe Zusatzkosten zu spüren. Geschwindigkeit spielt deshalb bei den Verhandlungen eine entscheidende Rolle, die Unternehmen brauchen Planungssicherheit." Tatsächlich sind die USA ein wichtiger Markt für die deutsche Autoindustrie: Laut VDA gibt es über 2000 Standorte deutscher Autohersteller in den Vereinigten Staaten mit rund 138.000 Mitarbeitern. Der Verband fordert entsprechend "rasche, pragmatische Lösungen", um die Zollbelastung für die Autoindustrie "spürbar und nachhaltig" zu reduzieren.
Wenig Erfolg bei Handelsabkommen
Eigentlich wollte Trump die Frist bis zum 9. Juli nutzen, um weltweit Handelsabkommen zu schließen - war aber bisher wenig erfolgreich. Zustande gekommen seien gerade einmal ein Rahmenvertrag mit Großbritannien, ein Abkommen mit Vietnam und ein Deal mit China, der "mehr als Waffenstillstand zu werten ist", sagte Commerzbank-Analyst Volkmar Baur der Nachrichtenagentur Reuters.
Und auch mit der EU geht es nur schleppend voran. "Es sah eine Zeit lang ganz gut aus, als wir über konkrete Sektoren sprachen", sagte Bernd Lange (SPD), Vorsitzender des EU-Handelsausschusses, zu "Capital". Doch gerade bei Fragen wie unterschiedlichen Lebensmittelstandards werde es schwieriger. Und letztlich könnten die US-Verhandler keine Entscheidungen treffen - das mache Trump. "Das ist schon sehr ungewöhnlich", sagte Lange.
Zudem ist unklar, ob die Fristverlängerung auch wirklich für die EU gilt. In den Verhandlungen soll bisher nur von der Frist bis zum Mittwoch die Rede gewesen sein. Sollte die Verlängerung nicht gelten, käme es am Mittwoch zum Showdown: Abkommen oder neue Zölle. Die könnten dann noch höher ausfallen als zuvor angekündigt - im Mai hatte Trump mit 50 Prozent auf Importe gedroht. US-Finanzminister Scott Bessent sagte am Montag, in den kommenden 48 Stunden werde es "handelspolitische Ankündigungen" geben.
Droht ein schlechter Deal?
Wie ein mögliches Abkommen oder eine Rahmenvereinbarung zwischen den USA und der EU aussehen könnten, ist allerdings noch unklar. Die EU könne Zugeständnisse machen und mehr LNG-Flüssigerdgas aus den USA kaufen, heißt es. Zuletzt sollen sich die Dinge aber eher schlecht für die Europäer entwickelt haben. "Das, was sich abzeichnet, ist ein schlechtes Abkommen für Europa", zitiert das "Handelsblatt" einen EU-Diplomaten.
Das würde wohl einige EU-Parlamentarier erzürnen. "Ein vages Rahmenabkommen der EU mit den USA darf sich nicht nur gut anhören, sondern es muss vor allem die bestehenden US-Zölle aussetzen und für die Zukunft ausschließen", sagte Anna Cavazzini (Grüne), Vorsitzende des EU-Binnenmarktausschusses, zu "Capital". "Sonst ist es das Papier nicht wert." Gesetze in der EU dürften keine Verhandlungsmasse werden. Den Ist-Zustand, in dem EU-Importeure die Zölle zahlten, dürfe man nicht akzeptieren, sagte Cavazzini. Ähnlich sieht das DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier. "Es geht darum, fairen Wettbewerb zu sichern und Handelskonflikte dauerhaft zu entschärfen - nicht darum, kurzfristigem politischen Druck nachzugeben."
Gesucht wird also ein schnelles Abkommen, das aber auch nicht zu schnell kommen soll - während unklar ist, wie viel Zeit noch bleibt. Am Sonntag habe EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) mit Donald Trump telefoniert, teilte ein Sprecher mit. Das Gespräch sei gut verlaufen, man sei am "Anfang der Schlussphase". Wie realistisch ist also ein Deal zwischen der USA und der EU vor Mittwoch? "Ich würde sagen 50:50", sagte Bernd Lange.
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