Schmeichel-Diplomatie im Weissen Haus: «Mehr als eine Geste»
Bei seinem Besuch im Weissen Haus hat Israels Premierminister Benjamin Netanjahu US-Präsident Donald Trump einen Brief überreicht und ihn für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen. Netanjahu ist nicht der Erste – und wohl auch nicht der Letzte –, der Trump bei seinem Besuch umgarnt. USA-Kenner Hendrik Ohnesorge ordnet die Szene im Weissen Haus ein.
SRF News: Was fällt Ihnen auf, wenn Sie sich die Szene zwischen Trump und Netanjahu anschauen?
Hendrik Ohnesorge: Das ist wohl mehr als eine kleine Geste, da steckt Taktik oder eine Strategie dahinter. In der Diplomatie hängt sehr viel von menschlichen Beziehungen ab. Auch das Schmeicheln spielt eine Rolle. Das Überreichen des Briefes – eine sehr symbolische Geste – und auch die Worte Netanjahus können als Versuch verstanden werden, Trump zu umgarnen. Dies nicht nur aus Selbstzweck, sondern auch mit dem politischen Ziel, weiterhin die Unterstützung der USA für die eigene Politik zu bekommen.
Was konkret erhofft sich Netanjahu?
Grundsätzlich, sich mit Donald Trump gut zu stellen. Wohl wissend, dass die USA eine wichtige Grösse in allen weltpolitischen Fragen, gerade aber auch im Nahen Osten sind. Und Netanjahu weiss, dass er weiterhin auf die Unterstützung Trumps angewiesen ist.
Bereits in der ersten Amtszeit Trumps konnte Netanjahu gut mit ihm zusammenarbeiten. Die jetzige Geste ist sehr gut auf Trump zugeschnitten. Seit vielen Jahren spricht er davon, den Friedensnobelpreis bekommen zu wollen oder verdient zu haben. Der grosse Kontrahent von Trump, Barack Obama, hat diesen Preis bereits erhalten.
Warum scheinen die Schmeicheleien bei Trump zu funktionieren?
Wir kennen Trump seit den 70er-Jahren, anfangs als TV-Persönlichkeit und Geschäftsmann. Wenn wir uns seine Persönlichkeitsstruktur anschauen, sehen wir, dass Trump sehr grossen Wert darauf legt, wie er von anderen wahrgenommen wird.
Dass Trump sehr grossen Wert auf sein Image legt, öffnet Tür und Tor fürs Schmeicheln.
Wir haben Berichte darüber, dass er sich schon in den 70er-, 80er-Jahren jeden Morgen Zeitungsausschnitte hat präsentieren lassen, um zu sehen, wie über ihn berichtet wird. Dass Trump sehr grossen Wert auf sein Image legt, öffnet Tür und Tor fürs Schmeicheln.

Wenn man Trump nicht schmeichelt, kann es einem übel ergehen, wie wir beim ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski gesehen haben.
Absolut. Das birgt Gefahren. Das Setting spielt auch immer eine Rolle, also ob man Gast oder Hausherr ist. Niemand sieht es gerne, wenn einem im eigenen Wohn- oder Arbeitsraum widersprochen wird. Dass Trump damals so reagiert hat, war in vielerlei Hinsicht aber ein Tabubruch.
Dies ist wohl auch ein Grund dafür, weshalb sich nachfolgende Besucher im Weissen Haus gesagt haben: «Wir sollten eine andere Strategie fahren.» Wie nachhaltig dieser Erfolg ist, bleibt abzuwarten. Kurzfristig sind sie damit aber viel besser gefahren als mit der Konfrontationsstrategie.
Ist das nur noch eine Inszenierung, eine Art Theaterstück, in dem jeder seine Rolle spielt, aber nicht mehr wirklich fundamentale Entscheidungen getroffen werden?
Besteht nicht die Gefahr, dass die Staats- und Regierungschefs «nur» noch ins Weisse Haus reisen, um zu schmeicheln?
Absolut. Die Gefahr besteht auf allen Ebenen und auch auf beiden Seiten. Einerseits muss man sich fragen: Wird das in den USA oder von Trump überhaupt noch ernst genommen? Oder ist das nur noch eine Inszenierung, eine Art Theaterstück, in dem jeder seine Rolle spielt, aber nicht mehr wirklich fundamentale Entscheidungen getroffen werden? Auf der anderen Seite birgt es auch Gefahren, wenn man sich unterwirft und von Anfang an ganz klein macht.
Das Gespräch führte Raphaël Günther.
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