Ruinöser Preiskampf auf dem chinesischen Automarkt
Es ist ein Symptom des überhitzten Automarkts in China - fabrikneue Fahrzeuge werden wegen Überkapazitäten billig bei Gebrauchtwagenhändlern angeboten. Der Preiskampf droht die Branche ins Wanken zu bringen.
"Das hier ist eines dieser Autos - null Kilometer auf dem Zähler!" Gebrauchtwagenhändler Wang Jianjun deutet auf einen weißen chinesischen Elektro-Kleinwagen in seinem Laden in Peking. 100.000 Yuan, umgerechnet gut zwölftausend Euro kostet er als regulärer Neuwagen. Hier in Wangs Laden ist er ebenfalls fabrikneu, aber um ein Drittel billiger.
"Ein neues Fahrzeug als Gebrauchtwagen - das gibt es bei Euch sicher nicht", sagt Wang und lacht. "Das gibt es nur in China. Das liegt an den politischen Maßnahmen in der Autoindustrie."
Autohersteller können Zahlen aufhübschen
Was Wang meint, sind die vielen Kaufprämien, die der chinesische Staat verteilt, um die Autoindustrie zu stützen. Teils sind es Abwrackprämien, bei denen man alte Autos gegen neue eintauscht. Teils schießen Lokalregierungen Käufern noch zusätzliches Geld zu oder es gibt Preisnachlässe der Fabriken.
Händler wie Wang sammeln diese Zuschüsse ein, kaufen einen neuen Wagen und bieten ihn billiger an. "Ich mag solche Tricks eigentlich nicht", sagt Wang. "Aber was soll ich tun? Die Geschäfte laufen nicht gut. Ich muss überleben. Andere machen es auch - Geld stinkt nicht."
Viele Autoherstellern spielt das in die Karten. Mit solchen Geschäften können sie ihre Verkaufszahlen vor Investoren und Banken aufhübschen, auch wenn die verkauften Autos erstmal in einem Gebrauchtwagenladen stehen. Es ist ein Symptom des überhitzten Automarkts.
Preiskampf vor allem auf dem heimischen Markt
Die kommunistische Führung hat vor Jahren den Aufbau einer E-Autoindustrie zum Ziel gesetzt - und staatliche Hilfen verteilt. Viele neue Hersteller sind entstanden, mehr als 100 gibt es mittlerweile. Viele sind innovativ, haben moderne Modelle nach dem Geschmack chinesischer Kunden entwickelt, einige große haben effektive Lieferketten für die E-Autoproduktion aufgebaut, von denen sich nun auch deutsche Hersteller viel abschauen.
Eine Nebenwirkung ist aber: Es gibt inzwischen zu viele Autohersteller, die weit mehr Fahrzeuge produzieren als nachgefragt werden. Die Folge ist ein Preiskampf, vor allem auch auf dem heimischen Markt. Der ist so heftig geworden, dass sich viele Experten die Frage stellen, wer bei diesen Preisen überhaupt noch Geld verdienen kann.
Ein neues Evergrande?
Im Frühjahr hatten zahlreiche große Hersteller weitere 30 Prozent Rabatt auf ihre Fahrzeuge angekündigt. Für den Chef des chinesischen Autokonzerns "Great Wall", Wei Jianjun, war das der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Chinas Unternehmer sind mit öffentlichen Äußerungen meist vorsichtig. Umso bemerkenswerter, dass er die Wettbewerber offen kritisierte und den Zustand der Autoindustrie mit der Immobilienwirtschaft verglich.
Die war bereits vor Jahren in eine heftige Krise geschlittert, nachdem zu viel gebaut worden war - die Wirtschaft hat sich bis heute nicht davon erholt. In Anspielung an den insolventen chinesischen Immobiliengiganten Evergrande sagte Wei, es gebe auch in der Automobilindustrie ein "Evergrande", es sei aber noch nicht zusammengebrochen. Weis Konkurrenten wiesen das vehement zurück.
Zulieferer warten lange auf ihr Geld
Ein weiteres Symptom für die Krise: Viele Zulieferbetriebe der chinesischen Autobauer müssen lange auf Ihr Geld warten. "Im Moment dauert es etwa sechs bis acht Monate, bevor die Zulieferer bezahlt werden. Die Ausstände in der Branche belaufen sich auf etwa 400 Milliarden Yuan", sagt der Sachverständige des Verbands der Autohändler, Li Yanwei. Das sind umgerechnet rund 50 Milliarden Euro, auf die dann die Zulieferer warten müssen, obwohl ihre Kosten weiterlaufen.
Der Autoexperte sieht eine weitere Gefahr des Preisdrucks: dass die Rabattschlacht letztlich zu schlechteren Autos führt. "Wenn man sich die Bilanzen der Auto-Zulieferbetriebe anschaut, stellt man fest, dass ihre Profite bei etwa zwei Prozent liegen. Aber wenn die Autofirmen von den Zulieferern dann Preisnachlässe von zehn Prozent verlangen - wie bekommst Du das hin? Das geht nur auf Kosten der Produktqualität."
Inzwischen versucht die chinesische Regierung einzugreifen. Autokonzerne sollen unter anderem zu einer besseren Zahlungsmoral verpflichtet werden und künftig innerhalb von 60 Tagen bezahlen. Fraglich ist, ob das auf dem Riesenmarkt überall durchgesetzt wird. Auch die Praxis der fabrikneuen Gebrauchtwagen soll enden.
Firmen setzen Hoffnung auf Exporte
Autobauer, die in finanziellen Schwierigkeiten sind, dürften die neue Zahlungsregeln zusätzlich unter Druck setzten. Experten erwarten, dass auf lange Sicht viele der 100 chinesischen Hersteller schließen müssen. Übrig bleiben dürften die Unternehmen, die einen langen finanziellen Atem und ihre Produktion am effektivsten aufgestellt haben. Es ist dieser Druck, den die chinesischen Autobauer auch an die ausländische Konkurrenz im In- und Ausland weitergeben.
Ihre Hoffnung setzen Chinas Konzerne auf den Export. China verkauft inzwischen so viele Autos ins Ausland wie sonst kein anderer Staat. Auch Europa ist ein wichtiger Markt. In Deutschland, wo die chinesischen Hersteller noch nicht richtig Fuß gefasst haben, kommen nun trotz der EU-Zölle Elektro-Kleinwagen für etwa 20.000 Euro auf den Markt.
In China kosten solche Modelle derzeit umgerechnet etwa 7.000 Euro. Denn der Druck auf die Hersteller, sie an die Kunden zu bringen, ist groß.
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