Der Ölmulti Shell steht einem Medienbericht zufolge vor einer möglichen Übernahme seines Rivalen BP. Shell führe erste Gespräche mit BP über einen Kauf, berichtete das „Wall Street Journal“ am Mittwoch unter Berufung auf mit dem Vorgang vertraute Personen. Die Übernahme hätte einen Wert von rund 80 Milliarden Dollar.

Shell reagierte kurze Zeit später zwar mit einem Dementi: Man befinde sich „nicht in aktiven Übernahmegesprächen“, verlautete der Konzern. Allerdings könnte es durchaus um Vorgespräche und Sondierungen gehen. Denn entsprechende Übernahmegerüchte hatte es zuletzt immer wieder gegeben. BP gilt schon geraume Zeit als geschwächt: Die wirtschaftliche Performance blieb hinter seinen Wettbewerbern weit zurück. Nach Bekanntwerden der Übernahmegerüchte stieg der Aktienkurs von BP zunächst um rund acht Prozent an.

BP hatte sich bereits früh auf weitgehenden Umwelt- und Klimaschutz eingestellt und das Geschäft mit erneuerbaren Energien stark ausgebaut. Schon vor rund zwanzig Jahren hatte der Konzern seinen Konzernnamen „BP“ von „British Petroleum“ in „Beyond Petroleum“ umgedeutet: „Jenseits des Erdöls“ wollte man saubere Energiequellen für die Menschheit suchen.

Konkurrenten, die auf Öl setzten, stehen besser da

Das kostete jedoch viel und brachte den Aktionären eher wenig. Unternehmen wie ExxonMobil oder Shell, die nah am Kerngeschäft – der Produktion von Kohlenwasserstoffen in Form von Erdgas oder Erdöl blieben – profitieren von der globalen Energiepreis-Entwicklung deutlich besser.

Denn die Geschäfte etwa im Solarbereich entwickelten sich enttäuschend, in jüngster Zeit zerschlugen sich auch die großen Hoffnungen in Bezug auf den klimaneutralen Energieträger Wasserstoff. Das Raffinerie-Geschäft gerade auch auf dem für BP sehr wichtigen deutschen Markt erforderte hohe Investitionen in die Transformation bei zugleich unsicheren Zukunftsaussichten. Der aktivistische Investor Elliott zog bei BP ein und drängte das Management zu drastischen Kurskorrekturen.

Zuletzt weitete BP seine Pläne für Erdöl-Exploration deshalb auch wieder aus, doch kam die Wende womöglich zu spät. Die jüngsten Ereignisse im Iran könnten zu einer Annäherung von Shell und BP beigetragen haben: Der BP-Konzern ist unter anderem im Irak stark exponiert und vom Krieg zwischen Iran und Israel indirekt betroffen. Die geopolitischen Entwicklungen könnten Übernahmegespräche nun noch attraktiver erscheinen lassen. Laut „Wall Street Journal“ seien die Übernahmegespräche noch am Anfang, doch werde das Angebot von Shell „sehr ernsthaft“ geprüft, berichtet das Blatt.

Durch eine Fusion von Shell und BP könnte Europa Sitz eines Energiemultis werden, der auf Augenhöhe mit den globalen Marktführern wie ExxonMobil oder ConocoPhilips aus den USA spielt, aber auch besser gegenüber den staatlichen Multis wie Saudi-Aramco mithalten könnte.

Daniel Wetzel ist Wirtschaftsredakteur in Berlin. Er berichtet über Energiewirtschaft und Klimapolitik. Er wurde 2007 vom Verein Deutscher Ingenieure (VDI) mit dem Robert-Mayer-Preis ausgezeichnet und vom Energiewirtschaftlichen Institut an der Universität Köln 2009 mit dem Theodor-Wessels-Preis.

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