An der Tel Aviver Börse herrscht Sieges-Fomo
Israels Wirtschaft hat sich vom Schock des 7. Oktober 2023 noch nicht vollständig erholt. Der Krieg gegen den Iran richtet weitere Schäden an. An der Börse in Tel Aviv wetten Investoren aber auf eine bessere Zukunft.
In der Nacht, bevor der Aktienmarkt in Tel Aviv sein jüngstes Rekordhoch erreicht, sind Dutzende iranische Raketen in Wohngebieten in Israel eingeschlagen. Mehr als 80 Menschen sind verletzt worden. Seit rund einer Woche verbringen Israelis einen großen Teil ihrer Zeit in Bunkern oder Schutzräumen. Schulen, viele öffentliche Einrichtungen und Betriebe sind geschlossen. Die Nachricht an diesem Sonntagmorgen, dass das amerikanische Militär Irans Atomanlagen angreift, lässt eine weitere Eskalation befürchten.
An der israelischen Aktienbörse wird trotzdem weiter gehandelt. Von Panik und Angst ist bei den Investoren nichts zu spüren. Im Gegenteil: Die Kurse steigen. Der Index der 35 wichtigsten israelischen Aktien, TA-35, klettert auf Rekordhoch. Seit Beginn der israelischen Luftschläge gegen den Iran am 13. Juni sind die Kurse an der Tel Aviver Börse jeden Handelstag gestiegen.
Bei den Investoren in Israel überwiegt trotz der Opfer und der Kriegsschäden durch die jüngste Eskalation die Hoffnung, dass damit die jahrzehntelange, ständige Bedrohung durch den Iran beendet werden und die gesamte Region stabiler werden könnte - mit entsprechend positiven Konsequenzen für Israels Wirtschaft. Die mutmaßliche Zerstörung der iranischen Atomanlagen sei "eine gute Entwicklung", zitiert Reuters den Chefökonomen der israelischen Bank Mizrachi-Tefahot, Ronen Menachem. Mittel- und langfristig setzten die Investoren darauf, dass sich die Sicherheitslage für Israel verbessere und die Beziehungen etwa zu Saudi-Arabien und anderen Staaten der Region vertieft werden könnten."
Diese Zuversicht, dass der Krieg in eine verbesserte Lage für Israel und seine Wirtschaft münden wird, treibt die Kurse am israelischen Aktienmarkt schon seit mehr als einem Jahr. Nach dem Schock des Massakers der Hamas am 7. Oktober 2023 war auch die Börse in Tel Aviv zunächst massiv eingebrochen. Bereits im Laufe des Jahres 2024, als Israel die Hisbollah im Libanon weitgehend ausschaltete und das syrische Regime mit seinem Militär zusammenbrach, legten die Kurse wieder um 27 Prozent zu. In diesem Jahr hat der TA-35 weitere 20 Prozent zugelegt. Zum Vergleich: Der Dax stieg in diesem Jahr bislang knapp 17 Prozent, der amerikanische Leitindex S&P nur magere 1,5 Prozent.
"Es gibt eine große Siegesgewissheit am Markt", kommentierte Ökonomin Sabina Levy von der Investmentbank Leader Capital Market in der israelischen Wirtschaftszeitung "Calcalist" die jüngsten Rekordkurse. Unter Investoren herrsche "Fomo" (Englisch "Fear of Missing Out") - die Angst, Gewinne zu verpassen.
Mit der Entwicklung der israelischen Realwirtschaft in den vergangenen Monaten und Jahren ist die Entwicklung an der Börse nicht zu erklären. Von dem scharfen Einbruch im vierten Quartal 2023 nach dem Hamas-Überfall hat sich die israelische Wirtschaft noch nicht vollständig erholt. Der private Konsum ist immer noch schwach, der Tourismus stark zurückgegangen, allen Wirtschaftszweigen fehlen Arbeitskräfte, da weiterhin viele Reservisten im Militär gebraucht werden. Zudem wurden nach dem 7. Oktober Hunderttausenden Palästinensern die Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigungen entzogen.
Die Kursgewinne der Tel Aviver Börse sind eine Wette auf einen starken Aufschwung nach Kriegsende. Selbst wenn dieser bald eintritt, könnte es allerdings zu Rücksetzern am Aktienmarkt kommen. Die positiven Folgen für die Wirtschaft dürften nach den deutlichen Gewinnen der vergangenen Wochen inzwischen eingepreist sein
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke