Energie wird zum Schlachtfeld im Nahost-Krieg
Israel attackiert längst nicht nur das Atomprogramm des Iran. Teherans Energieanlagen sind das nächste strategische Ziel. Alles hängt nun davon ab, ob die Bomber die Öl-Arterie des Westens angreifen.
Der Rauch über Teheran war kilometerweit zu sehen. Seit Sonntagnacht brennt nach israelischen Luftangriffen das größte Treibstofflager des Iran in Sharan, einem wohlhabenden Stadtteil mit Luxuswohnhäusern. 15 Kilometer südlich der iranischen Hauptstadt steht zudem eine der größten Raffinerien des Landes in Flammen. Und in der Buschehr-Provinz am Persischen Golf griffen am Wochenende israelische Drohnen das South-Pars-Gasfeld an, wo ebenfalls Feuer in einer Raffinerie ausbrach. Es ist das größte Gasvorkommen der Welt und entscheidend für die Energieversorgung des Landes.
Mit den Angriffen erreicht Israels Luftkrieg gegen den Iran eine neue strategische Phase. Inzwischen geht es nicht mehr nur darum, das Atomprogramm des Landes auszuschalten, das Israels Existenz bedroht. Die Kampfjets nehmen neben Luftabwehrstellungen, Raketenstartrampen und Kommandozentralen der Revolutionsgarden nun auch die Energieinfrastruktur des Landes ins Visier. Denn Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu verfolgt inzwischen größere Ziele: ein Regimewechsel in Teheran "könnte sicherlich das Ergebnis" des Krieges sein, sagte er dem US-Sender "Fox News".
Die gezielten Schläge der israelischen Luftwaffe sollen die Benzinversorgung in Teheran ins Stocken bringen, Engpässe die Bevölkerung zum Sturz des Mullah-Regimes anstacheln. Der Energiesektor wird damit zum Schlachtfeld in Netanjahus Krieg gegen den Iran. Und wie in vielen Nahostkriegen zuvor könnte dies weltweite Folgen haben.
Netanjahu sendet unmissverständliche Botschaft
Die Ölpreise haben bereits deutlich angezogen: Ein Barrel der Marke Brent kostete am Montag zwischenzeitlich mehr als 78 Dollar. Vor Israels Angriff am Freitag waren es noch gut 70 Dollar. Die Angst, dass sich der Konflikt auf die gesamte Nahost-Region ausweiten könnte, treibt die Preise.
Das Szenario ist längst in Reichweite: Der Iran ist nach Saudi-Arabien und dem Irak der drittgrößte Ölproduzent des Nahen Ostens. Fällt Teheran als Lieferant aus, könnten die Preise weltweit in die Höhe schnellen. Israels Angriffe auf Irans Energieanlagen senden eine unmissverständliche Botschaft: "Es ist eine Warnung, dass nichts mehr undenkbar ist", zitiert die "Financial Times" John Raine vom Londoner Thinktank IISS. "Aber ich glaube nicht, dass sie das ganze Netz zerstören wollen."
Dass die Ölmärkte nicht noch mehr verrückt spielen, liegt nur daran, dass Israels Luftwaffe die kritische Exportinfrastruktur des Iran bislang verschont hat. Die ist nach jahrelangen Sanktionen ohnehin schon in desolatem Zustand. Teherans Ölindustrie ist daher nur wenige Bombentreffer vom Zusammenbruch entfernt.
Mehr als 90 Prozent der Exporte laufen über Charg, das zentrale iranische Öl-Depot auf einer Insel im Persischen Golf. Schon im Iran-Irak-Krieg in den 80er Jahren wurde das Terminal durch Luftangriffe stark beschädigt. Sie wäre das nächste logische Ziel für israelische Bomber, falls Netanjahu den Ölkrieg weiter eskalieren will. Danach müssen die Lieferungen durch einen weiteren Flaschenhals: die Straße von Hormus. Ein Fünftel der Ölexporte aus dem gesamten Nahen Osten passiert die nur etwa knapp 50 Kilometer breite Wasserstraße.
Nadelöhr der globalen Ölversorgung
Die US-Energie-Agentur nennt sie daher "das wichtigste Nadelöhr für den Öltransit der Welt". Die Öl-Arterie des Westens liegt in komfortabler Reichweite iranischer Raketen, Drohnen und Flugzeuge. Teheran hat schon oft damit gedroht, die Meerenge dichtzumachen und damit Saudi-Arabiens Ölexporte zu kappen. Und auch diesmal spielt Teheran mit der Gefahr: Man erwäge derzeit, die Straße von Hormus zu schließen, sagte ein Führer der Revolutionsgarden am Wochenende iranischen Medien.
Bislang sieht es noch nicht danach aus. Denn mit Angriffen auf die Energieexporte im Persischen Golf würde sich das Mullah-Regime ins eigene Fleisch schneiden. Nicht nur kämen seine eigenen Lieferungen ins Stocken und würden Deviseneinnahmen verloren gehen. Der Großteil seiner Ladungen geht nach China - und Peking hat keinerlei Interesse an höheren Ölpreisen oder einer Störung der Exporte aus dem Nahen Osten. "Sie würden damit die Hand beißen, die sie füttert", zitiert die "Financial Times" Sanam Vakil vom Thinktank Chatham House. Aber zugleich warnte die Iran-Expertin: das Kalkül in Teheran könne sich ändern, sollte das Regime "verzweifelt" werden.
Die Geschichte zeigt, was passieren kann, wenn der Druck auf Teheran zu groß wird. Schon im "Tankerkrieg" während des Iran-Irak-Konflikts in den 80er Jahren attackierten beide Seiten die Ölexporte ihres Gegners in der Straße von Hormus. Die US-Fregatte "USS Stark" wurde dabei 1987 sogar von zwei irakischen Antischiffsraketen getroffen. Und als Donald Trump 2019 die Sanktionsschrauben immer mehr anzog, reagierte Teheran mit Attacken auf Öltanker im Persischen Golf und schließlich einem Drohnenangriff auf das Herz der saudischen Ölanlagen, der von den Huthi-Rebellen im Jemen ausgeführt wurde. Fünf Prozent der weltweiten Ölforderung fielen vorübergehend aus. Und der Ölpreis machte den größten Sprung in 30 Jahren.
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