"Wir haben Hausaufgaben zu erledigen"
Als neue Wirtschaftsministerin soll Katherina Reiche die "Wirtschaftswende" schaffen. Dazu seien umfassende Reformen nötig, sagt die OECD. Doch deren Vorschläge werden wohl kaum alle umgesetzt.
Katherina Reiche ist gut vorbereitet. Ihr Statement für die Journalisten liegt fein ausgedruckt vor ihr auf dem Rednerpult. Langsam und kontrolliert liest Reiche nun vor, wie sie die deutsche Wirtschaft wieder flott machen will.
Es ist eine undankbare Aufgabe - aber das war Reiche wahrscheinlich klar, als sie vor gut fünf Wochen als neue Wirtschaftsministerin vereidigt wurde. Nun muss sie also den Journalisten erklären, warum sich die Wirtschaft in der Krise befindet. Warum so viele Unternehmen insolvent gehen. Oder warum es Start-ups hier so viel schwerer haben als in den USA oder in Frankreich. Eine "Wirtschaftswende" hatte die Union im Wahlkampf versprochen. Umsetzen soll dieses große Vorhaben nun Katherina Reiche. Aber wie?
OECD mit ernüchterndem Urteil
Neue Vorschläge kommen nun von der OECD. Auf fast 200 Seiten hat die Organisation der Industriestaaten die wirtschaftliche Situation Deutschlands analysiert. Das Urteil ist ernüchternd.
Demnach erwartet die Organisation für 2025 nur ein Mini-Wachstum von 0,4 Prozent. "Eine weitere Beschleunigung von Strukturreformen ist entscheidend, um das Wirtschaftswachstum in Deutschland zu beleben", sagt OECD-Chef Mathias Cormann, der den Bericht persönlich im Berliner Wirtschaftsministerium an Reiche übergeben hat.
Weniger Bürokratie, mehr Kinderbetreuung
Laut der OECD leidet die deutsche Wirtschaft besonders unter externen Faktoren. Corona, Ukraine-Krieg, Lieferketten und Donald Trumps Handelskrieg - das alles trifft die deutsche Volkswirtschaft besonders. Aber viele Probleme sind auch hausgemacht. Penibel haben die Experten ausgerechnet, was die Bundesregierung nun tun könnte, um die Wirtschaft wieder in Fahrt zu bringen. Der Abbau von Bürokratie könnte zum Beispiel ganze 0,2 Prozentpunkte Wirtschaftswachstum bringen.
Nötig wären auch mehr Kinderbetreuungsmöglichkeiten, sodass vor allem Frauen länger arbeiten können (+0,1 Prozentpunkte Wachstum). Oder eine Kopplung der Rente an die Lebenserwartung (+0,1 Prozentpunkte Wachstum). Es sind dutzende Vorschläge, die OECD-Chef Cormann mitgebracht hat. "Wir haben Hausaufgaben zu erledigen", sagt Reiche.
"Wir arbeiten daran"
Die neue Ministerin ist vorbereitet. Minutenlang trägt sie akribisch vor, was nun alles kommen soll: Niedrige Energiepreise für die Industrie. Ein Investitionsbooster für bessere Abschreibungen. Leichtere Unternehmensgründungen. Und natürlich weniger Bürokratie. "Ihre Empfehlungen werden gehört, wir arbeiten daran", sagt Reiche zu ihrem Gast.
Dabei ist schon jetzt klar: Die neue Regierung wird nicht alle Vorschläge der Experten umsetzen. So empfiehlt die OECD zum Beispiel eine Abschaffung des Ehegattensplittings, um mehr Frauen in Arbeit zu bekommen. Im Koalitionsvertrag von Union und SPD ist das aber nicht vorgesehen. "Das ist derzeit nicht auf der Agenda", sagt Reiche kurz und knapp.
Aber reicht das für die Wirtschaftswende? Oder müsste die Bundesregierung tatsächlich nochmal nachsteuern und neue Maßnahmen beschließen? Cormann will sich nicht festlegen. Man müsse der neuen Regierung nun auch Zeit geben, sich die Vorschläge ganz genau anzusehen, sagt der OECD-Chef diplomatisch. Ein Fazit über die Arbeit der neuen Bundesregierung könne man erst mit dem nächsten Bericht ziehen.
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