Joseph Stiglitz kritisiert Trumps «big beautiful bill»
Das Budget- und Steuerpaket von US-Präsident Donald Trump stösst nicht nur bei Elon Musk und seinen Anhängern auf heftige Kritik, sondern auch bei vielen Ökonominnen und Ökonomen. Anfang Woche haben sechs Wirtschaftsnobelpreisträger einen offenen Brief geschrieben. Darin fordern sie den Senat auf, den Gesetzesentwurf zu kippen. Unterzeichnet hat den Brief auch Joseph Stiglitz. Am Swiss Economic Forum in Interlaken nahm er gegenüber SRF Stellung.
SRF News: Sie haben gemeinsam mit anderen einen offenen Brief zur sogenannten «big beautiful bill» verfasst. Wie würden Sie es in einem Satz beschreiben?
Joseph Stiglitz: Empörend. Es verschärft die Ungleichheit und gesellschaftliche Spaltung – eines der Hauptprobleme der USA. Es entzieht vulnerablen Gruppen den Zugang zur Gesundheitsversorgung. Schon jetzt sinkt die Lebenserwartung, und die Gesundheitsunterschiede zwischen Arm und Reich sind enorm. Dieses Gesetz verschärft das noch.
Jetzt, wo eine Konsolidierung nötig wäre, erhöht das Gesetz die Schulden weiter – und zwar nicht für zukunftsweisende Investitionen, sondern für Steuererleichterungen für Superreiche.
Auch die Staatsverschuldung wird steigen. Wie gefährlich ist das?
Das ist gefährlich. Während der Pandemie war das Defizit notwendig, um die Gesellschaft am Laufen zu halten. Aber jetzt, wo eine Konsolidierung nötig wäre, erhöht das Gesetz die Schulden weiter – und zwar nicht für zukunftsweisende Investitionen, sondern für Steuererleichterungen für Superreiche. Das stärkt nicht das Wachstum, sondern führt zu mehr Polarisierung, gefährdet die Fähigkeit der USA, bestehende Schulden zurückzuzahlen.
Die Regierung argumentiert, die Zölle, die Trump eingeführt hat, würden die Einnahmen steigern und das Defizit ausgleichen.
Dieses Argument überzeugt niemanden, der sich die Zahlen ansieht. Zölle könnten das Defizit bestenfalls minimal senken. In vielen Fällen musste die US-Regierung bereits zurückrudern, weil andere Länder mit Gegenzöllen reagierten. So war es bei China, und ich rechne damit, dass es bei Europa ähnlich sein wird.

Wenn diese Politik vielen Menschen schadet – warum unterstützen so viele, vor allem wirtschaftlich Schwache, dennoch Donald Trump?
Das ist die Folge von Jahrzehnten enttäuschter Erwartungen. Seit Carter wurde versprochen, dass neoliberale Politik Wachstum und geteilten Wohlstand bringen würde. Tatsächlich wuchs die Wirtschaft langsamer, und fast alle Gewinne gingen an die Spitze. Das erzeugte Wut und Enttäuschung, die durch soziale Medien und Desinformation weiter angeheizt wurden. Viele Menschen leben in einem Informationsumfeld, das so verzerrt ist, dass sie Wahrheit und Lüge kaum noch unterscheiden können – auch wegen gezielter Irreführung durch die Trump-Regierung.
Es ist kein schönes, sondern ein gefährliches Gesetz.
In Ihrem Brief kritisieren Sie, dass das Gesetz die zentralen Probleme der US-Wirtschaft nicht angeht. Welche wären das?
An erster Stelle steht die wachsende Ungleichheit, die unsere Gesellschaft destabilisiert. Die Pandemie hat gezeigt, wie anfällig unsere Lieferketten sind – wir müssen widerstandsfähiger werden. Und wir müssen endlich auf die Klimakrise reagieren. Die Industriepolitik unter Biden ging in diese Richtung – mit Investitionen in erneuerbare Energien, Emissionsminderung und Halbleiterproduktion. Dieses Gesetz hingegen kürzt solche Programme – es geht rückwärts und verschärft alle zentralen Herausforderungen: Resilienz, Umwelt, Gesundheit und soziale Spaltung. Deshalb ist es kein schönes, sondern ein gefährliches Gesetz.
Das Gespräch führte Damian Rast.
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