"Chef", bring die Improvisation zurück!
Heidi Klum macht das Hofbräuhaus zur Showbühne, Samuel Koch kämpft vor Gericht und Stefan Raab muss beweisen, dass Fernsehen mehr sein kann als Klamauk. Diese Promiwoche zwischen Prunk, Prozess und Pomp zeigt wieder mal, wie nah Unterhaltung und Abgrund manchmal beieinanderliegen.
Na, lieber Leser, wie geht es Ihnen am Ende dieser Woche? Mir und auch vielen meiner Bekannten raucht der Kopf. Manchmal fühlt es sich an, als läge eine bleierne Müdigkeit über allem, als bräuchte die Menschheit kollektiv 'ne Pause von sich selbst.
Einige Freunde erzählten mir jüngst, ihre Social-Media-Kanäle deaktiviert zu haben, weil der Ton in den Kommentarspalten unerträglich geworden sei. Andere flüchten sich in Streamingdienste, in Serien, in Dokumentationen über in die Jahre gekommene Skandalstars oder lassen sich vom nächsten Reality-Format berieseln. "Alles, bitte bloß keine Nachrichten mehr", sagte neulich eine gute Freundin und meinte, das Tempo, mit dem die Welt gefühlt auf den Abgrund zugaloppiert, nicht mehr auszuhalten.
Diese Stimmung ist nicht neu, doch selten war sie so spürbar wie heute. Schon vor mehr als hundert Jahren hat Jakob van Hoddis in seinem Gedicht "Weltende" beschrieben, wie apokalyptisch und banal unsere Zeit sein kann: "Dem Bürger fliegt der Hut vom Kopf, (...) die Flut steigt, (…) Eisenbahnen stürzen von den Brücken, und die meisten Menschen haben einen Schnupfen." Wenn man das liest, wirkt es wie eine Vorwegnahme des Daueralarms, in dem wir uns heute bewegen.
Und während wir noch die Apokalypse heraufdichten, absolviert US-Präsident Donald Trump in dieser Woche seelenruhig bereits seinen zweiten offiziellen Staatsbesuch in Großbritannien und läuft durch die Hallen von König Charles. Wo andere die Zeichen des Weltuntergangs wittern, fühlt sich der 79-Jährige pudelwohl unter Kronleuchtern, Goldrahmen und höfischem Pomp.
Eskalation ist vorprogrammiert
Gleichzeitig liefern unsere Promis ihre eigenen Miniaturen dieser kollektiven Befindlichkeit. Heidi Klum etwa, die das Münchner Hofbräuhaus in eine Fernsehattraktion verwandelt. Ihr "HeidiFest" war weniger Oktoberfest als ein schillerndes Rummelplatz-Spektakel, das dennoch funktionierte: Während viele rätselten, ob sie nicht in einer Dauerwerbesendung gelandet seien, war klar, dass unsere Heidi es wieder mal geschafft hatte, für Gesprächsstoff zu sorgen. Ob man es albern findet oder nicht, die 52-Jährige beherrscht wie kaum ein anderer die Kunst, jede noch so seichte Show in ein Ereignis zu verwandeln, bei dem am Ende alle darüber reden - und genau das ist schließlich ihr Erfolgsgeheimnis.
Ein ganz anderes Bild bietet uns in dieser Woche Samuel Koch. Vor 15 Jahren stürzte er bei "Wetten, dass..?" schwer und ist seitdem querschnittsgelähmt. Nun klagt er vor Gericht, dass sein Unfall als Arbeitsunfall anerkannt wird. Die bisherigen Instanzen lehnten jedoch ab, mit der Begründung, er habe sein Team selbst zusammengestellt, sei also sein eigener Regisseur gewesen. Der Fall berührt, weil er mehr ist als eine juristische Auseinandersetzung. Es geht um die Frage, ob Unterhaltung, die Millionen bindet, nicht auch Verantwortung trägt. Jemand riskiert sein Leben im Dienste einer Show, und am Ende heißt es: kein Versicherungsschutz. Wie ist Ihre Meinung dazu, lieber Leser? Lassen Sie es mich gerne wissen!
Kommen wir zu einem der TV-Aufreger dieser Woche. Hanka Rackwitz hat hingeschmissen. Nix mit Königsklasse! Sie verließ "das Sommerhaus der Stars" schon nach wenigen Tagen. Sie sagt, sie habe sich verletzt und vorgeführt gefühlt. Die Eskalation im Hause ist im Grunde genommen vorprogrammiert, und doch überrascht es jedes Mal, wie schnell die Nerven blank liegen. Im Nachhinein sagt sie: "Ich wünschte, ich hätte es anders gemacht." Und sie bedauert auch, nicht ruhiger, sachlicher und mit etwas Humor reagiert zu haben.
Reichweite ist kein Beleg für Qualität
Und dann ist da noch Fernseh-Legende Stefan Raab. Der neue "Chef bei RTL" ist zurück mit einer weiteren, neuen Show, die sofort kontrovers diskutiert wurde. Von "Pennäler-Humor" ist die Rede, von Gags, die "bemüht wirken", von einem fast "verbissenen Willen", "immer gewinnen zu wollen". Aber diese Kritik allein greift zu kurz. Raab ist einer der wenigen, die wissen, wie man Live-Momente baut und Stimmung erzeugt. Was seiner Show fehlt, ist weniger Effekthascherei, sondern mehr Raum für echte Talente, die keine fette Social-Media-Reichweite im Rücken haben. Musiker, Comedians und Tänzer, die überzeugen.
Reichweite ist eben kein Beleg für Qualität. Wäre Raab jetzt klug (ich meine klüger, als er ohnehin schon ist), er würde genau hier ansetzen: Improvisation, echte Überraschungen, kleine musikalische Fenster, die nicht glattpoliert wirken, sondern lebendig. Seine DNA ist die Musik, da macht ihm keiner was vor. Vielleicht müsste er sich selbst gar nichts mehr beweisen, sondern nur noch Gastgeber sein?
Am Ende fügt sich diese Woche zu einem Bild zusammen, das mal wieder größer ist als die einzelnen Schlagzeilen: Heidi beweist wieder mal, was für ein gutes Showgirl sie ist, Hanka Rackwitz, wie verletzlich Menschen im Reality-Licht sind, und Stefan Raab, dass auch gestandene Routiniers sich neu erfinden müssen. Genau deshalb wünsche ich mir, dass seine neue Show zündet und er wieder mehr Mut zur Improvisation hat. Platz für echtes Können, Raabigramme, Überraschungen und Talente ohne blauen Haken.
Ich habe ein paar Ideen, die ich dem "Chef" gerne unterbreite. Hoffentlich klaut er mir eine! Dann verklage ich ihn auf 90 Millionen Euro, hahaha. Bis nächste Woche.
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