Sitzprobe im europäischen Lucid Gravity - schwer dynamisch
Nach der Limousine findet nun auch ein SUV den Weg in das europäische Lucid-Modellprogramm. Seine Publikumspremiere feierte die hiesige Variante des Gravity jüngst auf der IAA Mobility in München. ntv.de ist mit dem Brocken auf Tuchfühlung gegangen.
Es ist ja ganz charmant, dass Lucid zunächst eine Limousine eingeführt hat. Nicht noch so ein fahrdynamisch behäbiger SUV-Brocken mit hohem Stromverbrauch. Aber hey, was zählen schon Einzelmeinungen, der Markt schreit eben nach Nutzwert, während er die klassische Limousine eher verschmäht - das gilt auch für Deutschland.
Jetzt liegen die Dinge beim neuen Lucid Gravity aber leicht anders. Optisch kommt der wuchtige Ami ein bisschen mehr wie ein Van und ein bisschen weniger wie ein SUV daher, was ihm in puncto Political Correctness vielleicht Punkte einbringt - falls SUV-Gegner das überhaupt erkennen sollten. Auf der anderen Seite ist der Name "Gravity" Programm, denn Schwere oder Gravitation (beide Übersetzungen sind möglich) spielt eine Rolle im Kontext mit diesem Newcomer.
So ist der Gravity nicht bloß ein langweiliger batterieelektrischer Familientransporter mit rund 3400 Litern Laderaumvolumen und 2,5 Tonnen Anhängelast, sondern ein brutal auf Antriebskompetenz getrimmter Nutzwert-Performer. Bei der ab 116.900 Euro lieferbaren Version "Grand Touring" wüten 839 PS an den Rädern des rund 2,7 Tonnen wiegenden Aluminiumchassis, um die 5,03 Meter lange Fuhre mit Schmackes auf 250 Sachen zu wuchten. Bis zur 100-km/h-Marke sollen bloß 3,6 Sekunden vergehen.
Und wer trotz des hohen Schwerpunkts (1,66 Meter) möglichst querdynamisch unterwegs sein möchte, bekommt gegen Aufpreis beispielsweise eine Allradlenkung, die das Auto obendrein deutlich handlicher macht in der City dank des Wendekreises von 11,7 Metern. Zudem lässt sich eine Dreikammer-Luftfederung bestellen mit einer großen Spanne zwischen komfortabler und sportlicher Abstimmung.
Raum im Überfluss
Und währenddessen sollen sich die Passagiere wohlfühlen auf feinen Sitzen mit Massagefunktion in einer üppig geschnittenen Umgebung. Spannend ist das Packaging des Gravity; so liegt dieser abmessungstechnisch auf dem Level einer Businessklasse und hält doch markant viel Platz bereit. Demnach nennt das Werk selbst unter der Benutzung aller drei Sitzreihen immer noch 780 Liter Gepäckraumkapazität. Andererseits: In der letzten Reihe möchte man dann auch nicht mehr verreisen, wenngleich es dort vergleichsweise weitläufig zugeht.
Fahrer und Beifahrer sind außerdem im wahrsten Sinne des Wortes mit geballter Displaymenge konfrontiert, wobei man auf der linken Seite auch noch ein Head-up-Display zusätzlich genießen kann.
Und wie steht es um andere langstreckenrelevante Skills? Energie hat der große Gleiter jedenfalls in großem Umfang dabei, und zwar bunkert das Batteriepack 123 kWh. Und weil der Hersteller dem Gravity einen mit 18,2 kWh moderaten Stromverbrauch unterstellt, werden 748 Kilometer WLTP-Verbrauch kommuniziert. Ob das Schwergewicht damit auskommt, müssen spätere Tests ans Tageslicht bringen.
Wobei fast noch spannender sein wird, wie schnell der Speicher wieder aufgefüllt werden kann. Nominal klotzt Lucid jedenfalls und kleckert nicht. Daher haben die Ingenieure eine 900-Volt-Architektur entwickelt, um die Moleküle besonders schnell fließen zu lassen. Demnach verspricht das Datenblatt 400 kW Peakladeleistung. Doch ein anderer Wert ist vielleicht noch anschaulicher: Lucid gelobt, dass der Gravity binnen 14 Minuten 400 Kilometer Reichweite nachlädt. Feine Sache, wenn das klappte.
Gravity soll komfortabel sein
Für den nötigen Fahrkomfort haben die Techniker ebenfalls alle Register gezogen und dem Edellaster ein Luftfahrwerk mit auf den Weg gegeben. Das macht jedenfalls Hoffnung auf eine ordentliche Verarbeitung langwelliger Asphaltdellen.
Apropos Verarbeitung. Interessant ist der Blick auf die Innenraum-Materialien sowie die Sorgfalt bei ihrer Zusammenfügung. Und hier ist Lucid analog zum Air ein Achtungserfolg gelungen. So wirkt das Interieur erstaunlich wertig - erstens für einen jungen Automobilproduzenten und zweitens auch noch für einen US-Hersteller. Selbst ikonische amerikanische Marken wie Dodge oder auch das Luxuslabel Cadillac nehmen es hier nicht immer so genau.
Ein Blick in das Register des Kraftfahrtbundesamts zeigt übrigens: Der Gravity fährt schon auf deutschen Straßen herum, 14 Exemplare wurden bereits im August zugelassen. Offiziell beginnt die Auslieferung aber erst Anfang 2026. Wer ganz schnell am Drücker ist, könnte aber vielleicht mit dem Gravity Weihnachten feiern. Etwas später wird Lucid noch eine Einstiegsversion zu 99.900 Euro nachreichen. Exakt eingepreist, um Dienstwagenfahrern und Selbstständigen das 0,25-Prozent-Glück zu bescheren. Das dürfte die Chance auf Absatz signifikant erhöhen.
Und noch etwas anderes könnte den Absatz erhöhen: Händlerbetriebe. Doch hier sei der Hersteller dran, wie Interims-CEO Marc Winterhoff im Interview beteuert. Schwer vorzustellen allerdings, dass Deutschland jetzt mit noblen Lucid-Studios überzogen wird wie in Düsseldorf oder München. Allerdings wolle man von derzeit 4 auf 15 stationäre Locations wachsen. Insgesamt soll das Land mittelfristig allerdings 50 bis 60 sogenannter "Touchpoints" bekommen - das können ebenso Pop-up-Erlebnisse wie Servicecenter oder Showrooms sein.
Dass der analoge Handel beim Verkauf nicht unwichtig ist, lernen ja auch die Chinesen gerade. Doch für Lucid ist der Aufbau eines solchen Netzwerks wichtig. Denn schon Ende nächstes Jahr möchten die Amerikaner eine Mittelklasse-Baureihe auf den Markt bringen. Und dann geht es um richtig viel Volumen mit dem Ziel, das Label zu etablieren und sichtbar zu machen.
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