Unterwegs im neuen Mazda 6e - Solitär in der Autolandschaft
Da zügig Elektrofahrzeuge hermüssen, nutzt Mazda seine langjährige Kooperation mit Changan, um in Europa einen Mittelklasse-Stromer zu platzieren. Der ist außergewöhnlich schön geworden. Doch nicht nur das.
Die erste Begegnung mit dem Mazda 6e hatte ich weder bei der statischen Präsentation im europäischen Mazda-Entwicklungszentrum Oberursel noch bei der Fahrvorstellung in Leverkusen. Sie liegt nämlich schon länger zurück - als schlicht ein damals frisch enttarntes Entwicklungsfahrzeug vor mir fuhr. Soll das jetzt eine neue Aston-Martin-Limousine sein, dachte ich scherzhaft. Nein, es ist Mazdas neuer Mittelklässler. Vollelektrisch. Auch Mazda muss nämlich sein gesetzliches CO2-Ziel schaffen, wenngleich die Japaner bei der Elektromobilität zaghaft agieren. Warum also nicht in einem Segment starten, das hierzulande nicht ganz so stark besetzt ist - in Deutschland regiert das SUV.
Ich habe also lange auf den Moment gewartet und konnte gar nicht erwarten, endlich im Mazda 6e zu sitzen und auch zu fahren. Die zweite Begegnung war keine Enttäuschung, dieser Mazda weckt Emotionen. Der flache (1,49 Meter) Viertürer, hier im stylisch-urban anmutenden "Melting Copper" lackiert, löst Sehnsucht aus. Er hat definitiv einen Hauch Sportwagen in der Design-DNA - mit dem großen Grill samt LED-Lichtspielerei, den schmalen Leuchten sowie vor allem rahmenlosen Türen. Ohne Umschweife geht es auf den Fahrersitz; schicke beigefarbene Mikrofaserpolster gemischt mit Leder erzeugen in Kombination mit den Wildleder-Einlagen samt Ziernaht auf der Armaturentafel in der Tat einen piekfeinen Eindruck. Mittelklasse mit einer Prise Luxus? Kommt hin.
Fahrdynamisch bleibt der 6e hinter der Optik zurück
Aber spätestens an dieser Stelle muss man den Interessenten eine gewisse Wahrheit vermitteln, die nicht ganz zum Fahrzeug passen mag. Vielleicht ist es aber auch gar nicht so schlimm. Wer sich ein bisschen auskennt, weiß, dass elektrische Antriebe meist wahre Kraftbündel sind. Und da kommt dieser emotional gezeichnete Mazda um die Ecke mit der Leistungsfähigkeit noch unterhalb eines braven Skoda Enyaq. Was ist denn da bitte los? Es gibt zwei Antriebsstränge mit 245 respektive 258 PS - aber das ist eigentlich halbwegs erfrischend, denn es muss ja nicht immer die ganz große Leistungskeule sein. Nur passt der Antrieb irgendwie nicht so recht zur äußeren Erscheinung der Limousine. Doch dazu später mehr. Zunächst einmal drängt sich die Frage auf, warum es zwei Varianten gibt mit so einem marginalen Unterschied im Output.
Die Differenzierung liegt schlicht im Akku. Und jetzt wird es skurril. Ausgerechnet die Long-Range-Variante mit 245 PS und 80 kWh Brutto-Kapazität patzt bei der Ladeperformance. Gerade mal 90 kW Peak-Ladeleistung nennt der Hersteller für den Nickel-Mangan-Kobalt-Akku - somit dauert das Laden von 10 auf 80 Prozent laut Werk 47 Minuten. Das ist eindeutig zu lange. Dann doch lieber zum 69 kWh (brutto) großen Stromspeicher greifen und mit 165 kW laden, was Mazda ebenso sieht - der Variante mit großem Stromspeicher traut das hauseigene Marketing bloß zehn Prozent Verkaufsanteil zu. Und die kombinierte Reichweite von 479 (statt 551 beim großen Akku) Kilometern ist ja auch bei der Basis nicht von schlechten Eltern. Und in der Realität? Ist für große Ladeversuche keine Zeit, aber bei 71 Prozent State of Charge stehen immerhin 335 Kilometer auf der Uhr. Und 18 kWh Verbrauch je 100 Kilometer gehen in Ordnung. Damit liegt der Hecktriebler zwei kWh über dem kombinierten WLTP-Verbrauch, aber absolut im grünen Bereich.
Solider Tourer
Allerdings animiert der Antrieb auch kaum zur wilden Autobahn-Jagd. Demnach setzt sich das knapp zwei Tonnen schwere Gefährt fein moduliert in Bewegung, wirkt eher zurückhaltend als rasant. Souverän? Natürlich. Immerhin stehen 320 Newtonmeter Drehmoment stets zum Abruf bereit. Das reicht für einen 7,6-Sekunden-Spurt auf 100 km/h, und 175 Sachen Topspeed kann man sich in diesem Segment gerade noch gefallen lassen. Was indes die fahrdynamischen Fertigkeiten angeht, ist der Mazda ein bisschen mehr Changan. Ist das schlimm? Mitnichten, nur dass die Limousine eben zum loungigen Gleiter als zum ungestümen Racer tendiert. Mit einer etwas behäbigen Lenkung, aber einem für typische Autobahnstrecken prädestinierten Fahrwerk. Hier schwingt der mit 2,90 Metern Radstand gesegnete Mazda sanft, während Querfugen mehr Eindruck im Innenraum hinterlassen.
Eindruck macht dieser Innenraum in vielerlei Hinsicht. Analog zum neuen CX-5 gibt es auch einen Touchscreen, aber mit anderer Oberfläche. Schriftart und Menü sind typisch Chinastyle, wenn man genau hinschaut. Das tut der Funktionalität jedoch keinen Abbruch. Es gibt etliche Assistenten, die fleißig warnen - lässt sich aber mit ein paar wenigen Moves auf dem Monitor abstellen. Und generell kommt man gut durchs Menü, das erweist sich nämlich als weitgehend selbsterklärend.
Fast verrückt ist beim Mazda 6e der Preis. Schon ab 44.900 Euro ist der 4,92 Meter lange Tourer zu haben und bietet dabei quasi schon alles, was das Autofahrerherz begehrt. Assistenz (mehr als nötig), elektrische Heckklappe, Head-up-Display, LED-Scheinwerfer, Navi, Panorama-Glasdach, schlüsselloses Schließsystem, klimatisierte Sitze, Soundsystem mit 14 Lautsprecherboxen, Wärmepunkte sowie Tempomat samt adaptiver Steuerung sind serienmäßig. Was soll man denn hier bitte noch verbessern können? Okay, für die anschmiegsamen Fauteuils (im Testwagen verbaut) werden nochmal 2000 Euro zusätzlich fällig. Ganz ehrlich? Ja, man kann feiner, präziser und schneller Elektroauto fahren als mit dem Mazda 6e. Aber einen bodenständigen Tourer mit maximalem Hingucker-Faktor, grundsoliden Fahreigenschaften sowie umwerfendem Preis-Leistungsverhältnis? Da ist der Mazda 6e derzeit ein Solitär in der vielfältigen Autolandschaft.
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