Alarmierende Quote – Zahl der Zugausfälle hat sich seit 2020 fast verdoppelt
Unpünktlich wie nie: Die Werte, die von der Deutschen Bahn in den vergangenen Monaten verkündet wurden, erreichen ein historisches Tief. Im Oktober kamen nur 51,5 Prozent der Fernverkehrszüge pünktlich am Ziel an. Eigentlich war für das laufende Jahr eine Zielmarke zwischen 65 und 70 Prozent vorgesehen. Von diesen Zielen hat sich die neue Bahnchefin Evelyn Palla bereits verabschiedet.
Was in den miserablen Pünktlichkeitswerten nicht einberechnet wird: all die Züge, die ihren Zielbahnhof erst gar nicht erreichen. In den Pünktlichkeitsstatistiken der Deutschen Bahn tauchen die ausgefallenen Züge schlichtweg nicht auf. Einen Einblick bietet dagegen die jährliche Marktuntersuchung der Bundesnetzagentur. Am Freitag wurden die Zahlen für das Jahr 2024 veröffentlicht. Und sie sind alarmierend: Die Quote der Zugausfälle steigt weiter an und liegt mittlerweile im Fernverkehr bei knapp fünf Prozent. Der Anteil der Zugausfälle hat sich somit seit 2020 fast verdoppelt. Ungefähr jeder 20. Fernverkehrszug fiel komplett aus.
In dem Bericht unterscheidet die Bundesnetzagentur nicht zwischen den einzelnen Eisenbahnverkehrsunternehmen. Die Angaben beziehen sich somit nicht nur auf Züge der Deutschen Bahn. Allerdings hatte die DB im Jahr 2024 einen Markteinteil von 93 Prozent im Fernverkehr. Etwa zwei Prozent liegen bei ausländischen Staatsbahnen wie der österreichischen Westbahn. Weitere 4,5 Prozent entfallen auf private Verkehrsunternehmen wie Flixtrain, das sein Angebot im Fernverkehr weiter massiv ausbauen will. Ab 2028 sollen rund 65 neue Züge schrittweise in Betrieb gehen.
Neben den Zugausfällen wuchs auch die Quote der Fernverkehrszüge, die auf einem Teil der Strecke ausgefallen sind, weiter an. 2024 sind 7,3 Prozent der Fahrten teilweise ausgefallen. Fast jeder 14. Fernverkehrszug fuhr damit nicht planmäßig auf der vollständigen Strecke.
Deutsche Bahn so unpünktlich wie noch nie
Zu den genauen Gründen, warum ein Zug ausgefallen ist, macht die Bundesnetzagentur keine Angaben. Auch, ob ein Ersatzzug bereitgestellt wurde, geht nicht aus den Daten hervor. Häufige Gründe für einen Zugausfall können Personalmangel, Baustellen oder technische Defekte an dem Zug oder den Gleisen sein. Das deutsche Schienennetz ist marode. In den nächsten Jahren plant die DB, die wichtigsten Streckenkorridore zu schließen und in mehrmonatigen Baustellen auf Vordermann zu bringen. Aktuell betrifft das etwa die Strecke Hamburg–Berlin.
Bei den Zügen wurde zuletzt der ICE L als neuestes Mitglied der DB-Flotte vorgestellt. Er verspricht einen stufenlosen und damit barrierefreien Einstieg in den Zug sowie mehr Platz in den Abteilen. Doch auch hier gibt es bereits die ersten Pannen: Die originalen Loks des spanischen Herstellers Talgo haben laut der DB noch keine Zulassung erhalten. Bis dahin werden die Wagen von angemieteten Vectron-Lokomotiven gezogen – und müssen langsamer fahren. Statt 230 Kilometer pro Stunde sind es also aktuell maximal 200 km/h.
In ihrer Markterhebung hat die Bundesnetzagentur auch Pünktlichkeitsquoten für den Fernverkehr im Jahr 2024 erhoben. Der Trend geht auch hier eindeutig nach unten. 2024 kamen nur 59 Prozent der Fernverkehrszüge pünktlich an. Ein neuer Tiefstand laut Bundesnetzagentur. Für dasselbe Jahr gab die DB eine Pünktlichkeitsquote im Fernverkehr von 62,5 Prozent an. Damit war die Deutsche Bahn so unpünktlich unterwegs wie seit mindestens 21 Jahren nicht.
Bahnchefin forciert Neustart
Die Deutsche Bahn ist zum Buhmann der Nation geworden – und zum Sinnbild der deutschen Infrastrukturprobleme. Seit Oktober hat mit Evelyn Palla die erste Lokführerin den Chefsessel übernommen. Sie kündigt einen Neustart an. Das kennt man auch von ihren Vorgängern. Bisher sind sie alle gescheitert.
Laut der DB-Managerin könnte das Umbaujahr 2026 zur „vielleicht größten Transformation werden, die die Bahn je erlebt hat“. Beginnen wird sie ganz oben im Konzern. Oder um es mit den Worten Pallas zu sagen: Die Bahn wird „vom Kopf auf die Füße gestellt“. Vorstände werden verkleinert, die Führungsebene halbiert und die Holding um etwa 30 Prozent verkleinert.
Die Struktur müsse nach Pallas Ansicht schlanker und dezentraler werden. Dann soll es auch wieder im Betrieb laufen. Zu große Hoffnungen dürfen sich Bahnfahrer in den nächsten Jahren jedoch nicht machen. Erst 2029 sollen wieder jährliche Pünktlichkeitswerte von 70 Prozent im Fernverkehr erreicht werden. Es bleibt zu hoffen, dass sich auch die Anzahl der ausgefallenen Züge bis dahin wieder verringert.
Dieser Artikel wurde für das Wirtschaftskompetenzzentrum von WELT und „Business Insider Deutschland“ erstellt.
Klemens Handke ist Wirtschaftsredakteur. Er schreibt über Verkehrspolitik und die Deutsche Bahn.
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