Der demografische Wandel dürfte die Sozialabgaben noch weitaus stärker steigen lassen als bislang bekannt. Das zeigen Berechnungen des Ökonomen Martin Werding für den „Spiegel“ auf Basis der neuen Bevölkerungsvorausrechnung des Statistischen Bundesamts. Die Schrumpfung der Erwerbsbevölkerung fällt darin stärker aus als zuvor angenommen – allerdings wird eine niedrigere Zuwanderung als bislang angenommen.

Wegen der geringeren Zahl potenzieller Beitragszahler würde die Summe der Sozialbeiträge deshalb bis 2050 auf 53 Prozent steigen, sollten keine Reformen erfolgen.

2050 wären im Schnitt 22,8 Prozent der Löhne und Gehälter fällig für die Rente (aktuell: 18,6 Prozent). Die vorherigen Annahmen zur Bevölkerungsentwicklung von 2022 hingegen hatten laut Werding nur einen Anstieg der Gesamtbelastung auf 52,4 Prozent wahrscheinlich erscheinen lassen. Selbst bei moderaten Annahmen könnte es bis 2070 rund zehn Millionen weniger Menschen im arbeitsfähigen Alter geben als heute, so die Berechnungen des Statistischen Bundesamts.

Der Druck auf die Beiträge dürfte sich auch nach 2050 fortsetzen. Bis zum Jahr 2080 müsste die Summe der Sozialbeiträge sogar auf 60,1 Prozent ansteigen. Unter Annahme der älteren Bevölkerungsprognosen hingegen hätte sich „nur“ ein Plus auf 57,9 Prozent ergeben.

Werding ist Professor für Sozialpolitik und Öffentliche Finanzen an der Ruhr-Universität Bochum. Er ist zudem Mitglied im Sachverständigenrat Wirtschaft, den sogenannten Wirtschaftsweisen.

Projektion geht von niedrigerer Nettozuwanderung aus

Bei Werdings Berechnung handelt es sich um eine Projektion, keine exakte Vorhersage. Je nach Entwicklung könnten die Beitragssätze auch etwas höher oder etwas niedriger ausfallen, so der Experte. „Bei allen Unsicherheiten ist allerdings klar: Die Demografie stellt uns vor massive Probleme“, warnt Werding. So hohe Sozialabgaben würden „drastische Rückwirkungen auf Wachstum und Beschäftigung haben“. Zu einer solchen Entwicklung dürfe es deshalb „auf keinen Fall kommen“.

Die Berechnungen erfolgen „nach geltendem Recht“, also so, als würde sich in der Gesetzgebung für Rente, Pflege und gesetzliche Krankenversicherung nichts ändern. Das vom Bundestag gerade erst verabschiedete Rentenpaket mit „Haltelinie und Mütterrente“ ist noch nicht in den Berechnungen enthalten. Das Renteneintrittsalter verbleibt bei 67 Jahren.

In diesem Szenario wurden jeweils die mittleren Annahmen des Statistischen Bundesamts in die Rechnung einbezogen, also eine langfristige Geburtenrate von 1,47 Kindern pro Frau und eine Nettozuwanderung (Zuwanderung minus Abwanderung) von 250.000 Menschen pro Jahr.

Die Nettozuwanderung betrug 2023 laut Bundesamt für Migration 663.000 mehr Zuzüge als Fortzüge, um Jahr 2025 waren es 430.000 Menschen. Die Nettozuwanderung aus der Ukraine lag 2024 bei 121.000 Menschen. Die Hauptasylherkunftsländer waren Syrien, Türkei und Afghanistan.

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