Inhalt des Artikels:

  • Wirtschaftsvertreter sehen Unternehmen und damit Sozialsysteme in Gefahr
  • Steigende Energiepreise verschärfen die Lage weiter
  • Experte vom ifo-Institut: "Wir haben sechs Jahre Stagnation hinter uns"
  • Regierung plant vergünstigten Industriestrompreis zur Entlastung
  • Kritik vom Präsidenten der IHK Chemnitz: "Beim Unternehmen an sich bleibt sehr wenig hängen"

Wirtschaftsvertreter sehen Unternehmen und damit Sozialsysteme in Gefahr

Die Chefs der Ostdeutschen Industrie- und Handelskammern haben sich Anfang November in Schwarzenberg in einem stillgelegten Bergwerk getroffen. Der Ort war bewusst gewählt: In den Bergwerken des Erzgebirges sehen sie die Ursprünge der Industrie im Osten und diese Industrie sei derzeit akut gefährdet.

"Jeden Tag verlieren wir Wettbewerbsfähigkeit in Deutschland", sagte Max Jankowsky, Präsident der IHK Chemnitz, dem MDR-Magazin Umschau am Rande der Gespräche unter Tage. "Wir haben überhaupt keine Kapazitäten mehr, uns noch um Innovationen zu kümmern. Und das macht uns einfach krank", erklärte Torsten Herrmann, Präsident der IHK Südthüringen. "Das kann dann ein Problem für die gesamte Volkswirtschaft werden. Denn ich brauche diejenigen, die die Werte schaffen. Und das ist die Industrie", betonte zudem Ina Hänsel, Präsidentin der IHK Potsdam. Max Jankowsky, der Präsident der IHK Chemnitz, machte deutlich: "Wir brauchen eine starke Wirtschaft. Ohne starke Wirtschaft kein Sozialsystem, keine Renten, gar nichts". Aber er sehe momentan nicht, dass das in der politischen Debatte angekommen sei.

Steigende Energiepreise verschärfen die Lage weiter

Max Jankowsky ist Präsident der IHK Chemnitz und selbst Unternehmer. Seit 2020 leitet er die Gießerei Lößnitz, ein Industriebetrieb mit über 170 Jahren Geschichte. 85 Mitarbeiter fertigen dort aktuell Eisen-Gussteile für die Karosserieproduktion. Die Nachfrage sei stabil, dennoch sieht Max Jankowsky den Familienbetrieb massiv unter Druck. Denn das Eisen wird noch mit Kohle geschmolzen. "Die steigenden CO2-Kosten fressen unsere Erträge auf", sagt er dem MDR-Magazin Umschau. Eine Umstellung auf die Elektrifizierung sei aufgrund der Klimaziele natürlich notwendig. Die Umstellung würde den Betrieb jedoch zwölf Millionen Euro kosten.

"Keiner weiß, wo das Geld herkommen soll", so Jankowsky. "Der Klimaschutz und die Wirtschaftlichkeit steht hier nicht im Verhältnis" sagt er. 14.000 Tonnen Eisen würden im Jahr in der Lößnitzer Gießerei geschmolzen. Die Planung für zwei Elektroschmelzöfen laufe. Aber die Gewinne reichten nicht, um diese notwendigen Investitionen zu stemmen. Jankowsky sieht die Mittelstandsindustrie auf einem Kipppunkt. "Die Situation, so wie sie jetzt da ist, mit diesen Strukturproblemen, mit dem Risiko des strukturellen Arbeitsplatzverlustes, mit den strukturellen Problemen der Infrastruktur, des Energiepreises, des Energiemarktes, so etwas gab es noch nie", sagt er.

Experte vom ifo-Institut: "Wir haben sechs Jahre Stagnation hinter uns"

Die Wirtschaft trete schon mehrere Jahre auf der Stelle, stellt Clemens Fuest, Präsident des ifo-Instituts gegenüber dem MDR-Magazin Umschau fest. "Wir haben sechs Jahre Stagnation hinter uns. Das hat es in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland seit dem Zweiten Weltkrieg noch nie gegeben, dass wir sechs Jahre lang stagnieren", erklärt er. Und immer weniger Mittelständler wollen frisches Geld in ihr Unternehmen stecken. Dabei steigen die Staatsausgaben immer weiter.

"Dadurch sinkt unsere Fähigkeit, überhaupt Wohlstand zu produzieren. Das Ganze ist ein Alarmsignal. Man sagt auch, wenn die privaten Investitionen verfallen, dann setzt ein wirtschaftlicher Niedergang ein. In dieser Lage befinden wir uns", so Fuest. Seit 2022 gibt es auch wieder mehr Firmenpleiten. Aktuelle Daten lassen für dieses Jahr einen weiteren Anstieg erwarten. Schätzungen gehen von mindestens 24.000 Fällen aus.

Regierung plant vergünstigten Industriestrompreis zur Entlastung

Viele Unternehmen drängen auf eine Entlastung bei den Energiekosten. Schon seit Jahren wird hier auch über einen Industriestrompreis für energieintensive Betriebe diskutiert. Im November hat die Bundesregierung einen Entwurf für einen Industriestrompreis vorgelegt, der noch in diesem Jahr verabschiedet werden soll.  Für energieintensive Unternehmen soll dann ein vergünstigter Strompreis gelten. "Wir wollen ihn dann ab dem Jahr 2026 für drei Jahre in Deutschland ermöglichen", sagte Bundeskanzler Merz zu den Plänen.

Die Rede ist von fünf Cent pro Kilowattstunde bei 50 Prozent des jährlichen Stromverbrauchs. Hiervon müssten die Unternehmen im Gegenzug jedoch 50 Prozent wiederum investieren in umweltfreundlichere Techniken, unter anderem zur Reduzierung oder Vermeidung von Kohlendioxidausstoß durch Verbrennen von Kohle, Öl und Gas.

Kritik vom Präsidenten der IHK Chemnitz: "Beim Unternehmen an sich bleibt sehr wenig hängen"

An der derzeitigen Idee vom Industriestrom hagelt es Kritik von Unternehmen. Nach Einschätzung betroffener Betriebe ist die Senkung des Strompreises um fünf Cent nicht genug. Das sieht auch Max Jankowski so, der Gießerei-Chef und Präsident der IHK Chemnitz. Die geplanten Regelungen seien zudem kompliziert und im Detail ausgesprochen bürokratisch. Er hat die Vorschläge zum Industriestrompreis für seinen Betrieb durchgerechnet. "Beim Industriestrompreis muss man ganz genau hinschauen" sagt er dem MDR-Magazin Umschau. Denn es bliebe nicht bei pauschal fünf Prozent nach allen Abzügen, die dann noch vorzunehmen sind.

"Es geht sehr viel Geld in Bürokratie verloren", kritisiert er. Auch Wirtschaftsprüfer müssten davon bezahlt werden. "Beim Unternehmen an sich bleibt sehr wenig hängen", kritisiert er. So wie er jetzt geplant sei, werde der Industriestrompreis den energieintensiven Betrieben kaum helfen, so der Gießerei-Chef. Billig ist das Vorhaben allerdings nicht: Die Kosten werden von der Bundesregierung auf mindestens drei Milliarden Euro veranschlagt.

MDR (cbr)

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