Einen eigenen Stuhl gesteht er seinem Gast nicht zu. Freitagnachmittag im Weißen Haus: Gut gelaunt empfängt Donald Trump Reporter im Oval Office. Sichtlich entspannt lehnt sich der Präsident in seinem Ledersessel zurück und klopft mit den Händen auf den Tisch. Neben ihm stehend faltet New Yorks designierter Bürgermeister Zohran Mamdani die Hände zusammen und setzt ein gequältes Lächeln auf.

Es ist das erste Aufeinandertreffen des „selbsterklärten Sozialisten“ Mamdani und dem Mann, den er noch vor Kurzem als „Faschisten“ bezeichnete. Das viel erwartete Treffen lief – so die Aussage beider Männer – konstruktiv und offen ab. „Die Medien laufen Sturm“, kokettiert Trump. „Ich habe hier schon Staatschefs empfangen, das hat niemanden interessiert. Jetzt steht draußen eine Schlange von Reportern.“

Dann lobt er Mamdani: Der 34-Jährige sei eine „sehr rationale Person“ und könne als Bürgermeister Großartiges bewirken. „Wir stimmen mit viel mehr ein, als ich gedacht habe.“ Auch Mamdani ist sichtlich bemüht, den Burgfrieden zu halten: „Es gibt Unstimmigkeiten zwischen uns – viele. Aber darauf haben wir uns nicht konzentriert.“ Immer wieder sagt Mamdani, dass er dankbar sei und das Gespräch sehr geschätzt habe.

Es sind Töne von beiden Seiten, die überraschen. Während Mamdanis Wahlkampagne zum Bürgermeister der größten Stadt Amerikas nannte Trump ihn einen „Kommunisten“, stellte seine Staatsbürgerschaft infrage und drohte damit, ihn verhaften zu lassen. Die Erwartungshaltung setzte er außerdem schon vor dem Treffen. „Kommunistischer Bürgermeister von New York, Zohran ‚Kwame' Mamdani, hat um ein Treffen gebeten. Wir haben uns darauf geeinigt, dass dieses Treffen am Freitag, den 21. November, im Oval Office stattfindet. Weitere Details folgen!“, schrieb Trump auf seiner Truth Social-Seite.

Was klar wird: Trotz der demonstrativen Einigkeit geht es dem Präsidenten bei dem Treffen auch darum, ein Zeichen zu setzen: Er ist der Boss im Haus, der Mamdani eine Audienz gewährt. Und so ist es wohl auch kein Zufall, dass Trump noch am Freitag, Stunden vor dem Aufeinandertreffen, im Repräsentantenhaus über eine Resolution abstimmen ließ, die die „Schrecken des Sozialismus“ verurteilt.

Die Erwartungshaltung an den designierten Bürgermeister machte Trump unlängst in einem Interview mit seinem Stamm-Sender Fox News klar: „Mamdani muss ein wenig Respekt für Washington zeigen“, so Trump. „Denn wenn er das nicht tut, hat er keine Chance. Und ich will, dass er Erfolg hat, ich will, dass die Stadt Erfolg hat – wir werden sehen, was passiert.“

Trump drohte, New York den Geldhahn zuzudrehen

Denn auch wenn Mamdani es sich selbst nur ungern eingesteht: Er braucht Trump – ob er will oder nicht. Der Präsident hatte nicht nur mit dessen Verhaftung gedroht, sondern erst vor wenigen Wochen erklärt, er könnte möglicherweise Bundesmittel für wichtige Planungs- und Bauvorhaben zurückhalten oder die Nationalgarde nach New York entsenden, falls Mamdani zum Bürgermeister gewählt würde. Beim Bildungswesen, der sozialen Sicherheit, dem Straßenbau oder anderen Projekten der teilweise maroden Infrastruktur New Yorks ist Mamdani auf Gelder aus dem Bundeshaushalt angewiesen.

Und nicht nur die Finanzen sind ein Streitpunkt. Vor allem beim Blick auf die Migrationspolitik liegen Welten zwischen den beiden Männern. Rückblick: Während eines Auftritts im Wahlkampf im Oktober bei einer New Yorker Gewerkschaft, den WELT begleitete, inszenierte sich Mamdani als eine Art „Anti-Trump“, der dafür sorgen werde, dass seine Stadt ein sicherer Hafen für Migranten und Flüchtlinge bleibe. „Ich werde diese Stadt vor Donald Trump beschützen“, rief der Kandidat den Gewerkschaftern zu und erntete frenetischen Applaus.

Dem Weißen Haus sind Kampfansagen wie diese nicht verborgen geblieben. So kündigte Trumps Grenzbeauftragter Tom Homan kürzlich an, dass zeitnah auch in New York Bundesagenten eingesetzt würden, als Teil einer umfassenden Abschiebe-Aktion der Regierung in den großen Städten. Etwa 3,2 Millionen Einwohner New Yorks – mehr als ein Drittel der Bevölkerung – sind im Ausland geboren. Ebenso Mamdani, der US-Staatsbürger ist und größtenteils in New York aufwuchs, aber ugandische und indische Wurzeln hat. Der gläubige Muslim bekräftigte auf Homans Ankündigung, dass New York „eine Immigrantenstadt“ sei und wies seine Polizeichefin Jessica Tisch an, keine Einsätze der Einwanderungsbehörde ICE zu unterstützen.

Im Oval Office am Freitag spielen diese Unterschiede kaum eine Rolle, auch wenn die Journalisten gezielt danach fragen. Trump räumt das Nachhaken mit Plattitüden ab: „Wir beide wollen sichere Straßen in New York“. Mamdani hingegen kommt hierzu kaum zu Wort – was ihm vermutlich recht ist.

Auffällig: Der Demokrat, der sonst gerne minutenlang vor den Kameras spricht, moderiert die meisten Fragen einsilbig ab, anstatt auf den Nahost-Konflikt oder Migrationsthemen einzugehen, lenkt er auf die New Yorker Lokalpolitik ab. Offensichtlich hat er im Vorfeld des Treffens ein tiefgehendes Medientraining durchlaufen, um einen drohenden Eklat vor laufenden Kameras um jeden Preis zu vermeiden.

Trump indes genießt die Pressekonferenz sichtlich, die über eine halbe Stunde dauert. „Ein, zwei Fragen noch“, ruft er irgendwann – nur um dann noch deutlich mehr Reporter aufzurufen. Teilweise fährt er Mamdani ins Wort, etwa als nach einer potenziellen Verhaftung des israelischen Regierungschefs Benjamin Netanjahu gefragt wird – die Mamdani ausdrücklich befürwortet hat. „Er kann sich ändern“, beschwichtigt Trump. „Auch ich habe einige Ansichten geändert seit meiner ersten Amtszeit.“

Tatsächlich eint Mamdani und den 45 Jahre älteren Trump, mehr als man meinen könnte. Der eine ein Linkspopulist, der andere ein Rechtspopulist, haben beide in ihren Wahlkämpfen vor allem ein Thema in den Vordergrund gestellt und dadurch wichtige Punkte geholt: die Teuerung in den USA. Die Preise sind in den vergangenen Jahren stark angestiegen, die Löhne nicht. Bis tief in die Mittelschicht funktioniert das Leben nur noch auf Pump und mit hoher Verschuldung.

Von „Tag eins“ an werde seine Regierung die „Biden-Inflation“ bekämpfen, agteeshalb im Wahlkampf 2024 und versprach: „Die Preise werden rapide sinken“. Bei Energie sicherte er gar eine Halbierung der Preise innerhalb eines Jahres zu. Passiert ist nach einem Jahr im Amt vielmehr das Gegenteil: Auch wegen der grobschlächtigen Zollpolitik seiner Regierung wurden viele Waren teurer.

Mamdani wiederum zieht die Inszenierung als „Mann des Volkes“ auch nach seinem Wahlsieg weiter durch. Am Vortag des Fluges nach Washington – Mamdani postete ein Selfie aus der Economy-Klasse – ließ er sich in einem Gemeindezentrum in der Bronx fotografieren, wo er bei der Essensausgabe an Bedürftige half. Trump hingegen hat Schwierigkeiten, mit seinen Wahlkampfversprechen noch ernst genommen zu werden. Hatte er angekündigt, die „Biden-Inflation“ zu beenden und sinkende Preise versprochen, liegt die Inflation bei drei Prozent. Lebensmittel, Dienstleistungen und Mieten sind seit seinem Amtsantritt vor einem knappen Jahr weiter nach oben geklettert.

Der Druck auf Trump ist deshalb gestiegen. Dass ihn Mamdanis Wahlkampf, der sich auf genau das Thema konzentriere, beeindruckt hat, ist offensichtlich. „Was die Preise angeht, werden wir zusammenarbeiten“, kündigt der Präsident im Oval Office an. Und weiter: „Einige seiner Ideen sind dieselben, die ich habe.“

Mamdani besteht die politische Feuerprobe – und zahlt einen hohen Preis

So viel demonstrative Einigkeit sorgt für Überraschung. Nur an einer Stelle droht das Treffen vor Kameras zu eskalieren. „Sie haben den Präsidenten in der Vergangenheit einen Faschisten genannt. Können Sie das noch einmal bekräftigen?“, will eine Reporterin wissen. „Ich habe Themen angesprochen, die…“, setzt Mamdani an und wird dann von einem feixenden Trump unterbrochen „Das ist ok, du kannst das sagen“, sagt der Präsident und tätschelt seinem Gast den Arm. „Das ist einfacher, als sich hier zu erklären“, sagt er, lacht, und ruft die nächste Reporterin auf, während Mamdani sichtlich erleichtert „Ok, Ok“ stammelt – und als Antwort auf die Frage ein kurzes „Ja“ nachschiebt.

Wenig später allerdings folgt dann ein kräftiger Handshake der beiden Männer, die vor ein paar Tagen noch als erbitterte Gegenspieler galten. Seiner Stadt tut Zohran Mamdani damit wohl einen Gefallen. Stellt er sich weiterhin mit dem Präsidenten gut, droht vorerst kein finanzielles Desaster.

Seine linke Wähler-Basis, die Trump verachtet, stößt der selbsterklärte Sozialist hingegen gehörig vor den Kopf. Noch bevor er sein Amt antritt, hat er ein Glaubwürdigkeitsproblem – und hat dennoch die erste politische Feuerprobe bestanden.

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