Naval Vessels Lürssen legt ein neues Abhörschiff auf Kiel
Das Unternehmen Naval Vessels Lürssen (NVL) hat am Mittwoch auf der Peene-Werft in Wolgast das zweite von drei neuen Flottendienstbooten auf Kiel gelegt. Die Serie dieser drei neuen, jeweils 130 Meter langen Abhörboote für die Deutsche Marine soll von 2029 an die drei Flottendienstboote der „Oste“-Klasse ersetzen, die seit 1988 für die Marine fahren. Der Auftrag für die drei neuen Boote hat ein Volumen von insgesamt rund 3,26 Milliarden Euro, inklusive der Schulungsanlage. NVL legt den Kiel für das zweite Boot „mehrere Monate früher als geplant“, teilte das Unternehmen mit.
Die Deutsche Marine braucht die neuen Einheiten dringend, vor allem auch, um im Ostseeraum Daten zu erfassen. Russland führt nicht nur seit Februar 2022 einen breit angelegten Angriffskrieg gegen die Ukraine, sondern baut auch die Aktionen seiner hybriden Kriegsführung gegen die Europäische Union und die Nato beständig aus, vor allem auch an und auf der Ostsee.
„Mit der neuen Technik werden wir auch die Art des Einsatzes anpassen. Damit stellen wir sicher, dass nicht nur der fehgraue Stahl, sondern auch die Art der Nutzung auf der Höhe der Zeit stehen“, sagte bei der Kiellegung Vizeadmiral Axel Deertz, stellvertretender Inspekteur der Marine und Befehlshaber der Flotte und Unterstützungskräfte. „Die Flottendienstboote werden auch zukünftig einen unerlässlichen Teil der gesamtstaatlichen Sicherheitsvorsorge bilden.“
Generalmajor Jürgen Setzer, stellvertretender Inspekteur des Cyber- und Informationsraums (CIR) und Befehlshaber der CIR-Truppen der Bundeswehr, sagte: „Die drei Flottendienstboote der Klasse 424 stellen einen essenziellen Baustein für die Auftragserfüllung der Teilstreitkraft Cyber- und Informationsraum dar, das heißt für Aufklärung im elektromagnetischen Spektrum. Mit dem heutigen Tag gehen wir hierzu einen ganz wesentlichen Schritt nach vorn.“
NVL-Geschäftsführer Tim Wagner hob den guten Ablauf beim Bau der Flottendienstboote hervor: „Der Baufortschritt des hochmodernen Aufklärungsschiffes liegt mehrere Monate vor dem ursprünglich angesetzten Zeitplan und markiert damit einen bedeutenden Meilenstein im Gesamtprojekt. Auch der Bau des ersten Schwesterschiffs liegt im Plan und unterstreicht die professionelle Zusammenarbeit zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer sowie unsere hohe industrielle Leistungsfähigkeit.“
Die vorzeitige Kiellegung allerdings dürfte auch damit zu tun haben, dass ein wesentlich größeres Projekt für die Deutsche Marine nicht vorankommt, sodass NVL in Wolgast über freie Kapazitäten verfügt: Bereits im Dezember 2023 war auf der Peene-Werft der Kiel für die erste von sechs neuen Fregatten des Typs F126 gelegt worden. NVL soll dafür die Hinterschiffe bauen, German Naval Yards in Kiel die Vorschiffe. Die in Kiel zusammengeführten Schiffsteile sollen dann bei der ebenfalls zu NVL gehörenden Werft Blohm+Voss in Hamburg endausgerüstet und abgeliefert werden. Die F126 ist das bislang größte Kampfschiff für die Deutsche Marine. Mit einem Preis von rund zehn Milliarden für sechs der Fregatten ist es zugleich deren bislang umfangreichstes Rüstungsprojekt.
Ob die F126 aber tatsächlich kommt, ist derzeit völlig offen. Generalunternehmer für den Bau der Fregatten ist das niederländische Werftunternehmen Damen Naval in Vlissingen. Seit der Kiellegung Ende 2023 kommt der Bau der Schiffe kaum mehr voran – Damen Naval hat offenbar massive Probleme mit seiner Konstruktionssoftware an der Schnittstelle zum Bauprozess. Mittlerweile ist die Fertigung der F126, die ursprünglich bereits von 2028 an in Dienst gestellt werden sollte, massiv in Verzug geraten. Die F126 soll modular auszurüsten und weltweit für unterschiedliche Aufgaben einsetzbar sein, etwa zur Seeraumüberwachung, für die Durchsetzung von Embargos oder die Unterstützung von Spezialkräften.
Das Bundesverteidigungsministerium prüft derzeit bei Damen Naval, ob NVL die Rolle des Generalunternehmers übernehmen könnte. NVL soll Anfang 2026 – nach der notwendigen Kartellprüfung – von der Bremer Lürssen-Gruppe an den führenden deutschen Rüstungskonzern Rheinmetall verkauft werden.
Alternativ wird darüber diskutiert, das Projekt F126 abzubrechen, in das bislang etwa 1,8 Milliarden Euro geflossen sind. Der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages machte vergangene Woche den Weg dafür frei, dass Deutschlands größtes Marinerüstungs-Unternehmen TKMS mit Sitz in Kiel anstelle von sechs F126 Fregatten des Typs Meko A200 baut. Diese Schiffe fertigt TKMS üblicherweise für den Export, zuletzt verkaufte das Unternehmen vier Meko A200 für zwei Milliarden Euro an Ägypten. Die Meko-Fregatten sind weniger leistungsfähiger als die F126, aber billiger und im Zweifel schneller zu bauen. Schon im Herbst 2029 könnte der erste Neubau für die Deutsche Marine in Dienst gestellt werden.
TKMS hat seinen Schwerpunkt beim Bau von U-Booten und verfügt hier derzeit über einen Rekord-Auftragsbestand von rund 18,6 Milliarden Euro. Neben den Meko-Fregatten für den Export baut TKMS allerdings – gemeinsam mit NVL und German Naval Yards – regelmäßig auch Überwasser-Kampfschiffe für die Deutsche Marine, zuletzt die zweite Serie der Korvetten des Typs K130. Auch um den Bau der nächsten Fregattengeneration F127 für die Deutsche Marine bewirbt sich TKMS, gemeinsam mit NVL. Nach dem Börsengang von TKMS im Oktober gehören mittlerweile noch 51 Prozent des Unternehmens zum Stahl- und Technologiekonzern ThyssenKrupp.
Der Haushaltsausschuss des Bundestages teilte vergangene Woche über einen möglichen Bau von Meko-Fregatten für die Deutsche Marine mit: „Das Bundesverteidigungsministerium kann in den kommenden Haushaltsjahren mit rund 7,8 Milliarden Euro gegebenenfalls die Beschaffung einer alternativen Plattform zur Fregatte 126 angehen. Laut Koalitionsanträgen sollen für die mögliche Beschaffung der alternativen Plattform 2026 zunächst 724,7 Millionen Euro aus dem Sondervermögen fließen können, für 2027 sind zudem 878,2 Millionen Euro als Verpflichtungsermächtigung ausgebracht. Ab 2028 soll die Finanzierung dann aus dem Kernhaushalt erfolgen: Dafür sind insgesamt 6,2 Milliarden Euro als Verpflichtungsermächtigung im Haushaltsplan veranschlagt, die bis einschließlich 2033 verausgabt werden sollen.“
Olaf Preuß ist Wirtschaftsreporter von WELT und WELT AM SONNTAG für Hamburg und Norddeutschland. Er berichtet seit langer Zeit auch über die Marinerüstung.
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