Warum Frauen in Führung unglücklicher sind als Männer
Frauen steigen bis heute in Unternehmen nicht nur seltener in Führungspositionen auf als Männer. Sie sind, einmal im Management angekommen, dort auch seltener glücklich als ihre männlichen Kollegen.
Das zeigt eine repräsentative Studie der Unternehmensberatung EY, die WELT am SONNTAG exklusiv vorliegt. Darin geben lediglich 72 Prozent der befragten Managerinnen aus unterschiedlichen Branchen an, sie hätten das Gefühl, ihre Arbeit würde gewürdigt. Unter den männlichen Managern dagegen lag der Anteil um zehn Prozentpunkte höher. Auch bei der Zufriedenheit mit der Arbeit im Allgemeinen und mit dem Verdienst im Besonderen klafft zwischen weiblichen und männlichen Führungskräften eine Lücke.
Wird Frauen in Führung tatsächlich weniger Wertschätzung entgegengebracht? Für diese These spricht einiges. Das fange mit höheren Anforderungen an ihre Rolle an, sagt Katharina Wrohlich. Die Leiterin der Forschungsgruppe Gender Economics am DIW Berlin beschreibt einen regelrechten Spagat für Frauen in Führungspositionen: Einerseits müssten sie stärker als Männer beweisen, dass sie sogenannte agentische Eigenschaften wie Durchsetzungskraft und Zielstrebigkeit haben.
Andererseits dürften als typisch weiblich geltende „kommunale“ Eigenschaften wie Umsicht und Rücksichtnahme nicht fehlen. „Frauen müssen eben beides können und zeigen, damit sie dem weiblichen Stereotyp nicht widersprechen“, erklärt Wrohlich. „Kein Wunder, wenn sie sich da in Führungspositionen besonders unter Druck fühlen.“
Der EY-Jobstudie zufolge waren lediglich 39 Prozent Frauen im Management zufrieden mit ihrem Job und ihrer Arbeitssituation. Bei den Männern waren es immerhin 46 Prozent. 62 Prozent der Managerinnen – im Gegensatz zu 56 Prozent der Manager – waren der Meinung, sie sollten mehr Geld verdienen für das, was sie leisten. Kein Wunder, dass weibliche Führungskräfte die Chancengleichheit in ihren Unternehmen auch deutlich skeptischer betrachten als die Männer. Lediglich 56 Prozent der Frauen bewerteten ihre Unternehmen auf dem Gebiet als gut oder sehr gut. Unter den männlichen Managern dagegen waren es satte 75 Prozent.
Jan-Rainer Hinz, Leiter Personal und Unternehmenskultur bei EY, sieht ein gesellschaftliches Grundproblem: Bis heute trügen viele weibliche Führungskräfte neben dem Beruf auch die Hauptlast der Care-Arbeit, kümmerten sich also um Kinder und Familie. Wenn Arbeitgeber das nicht sähen, etwa weiter Team-Meetings in den späten Nachmittag legten, fühlten sich Frauen oft „geringer wertgeschätzt und gehört“ als ihre männlichen Kollegen.
Das müsse sich ändern, schon aus ökonomischen Gründen, so Hinz. Schließlich ziehe es Managerinnen auch besonders häufig zu einem neuen Arbeitgeber, und es sei „mit hohem Aufwand und Kosten verbunden, adäquaten Ersatz für Führungskräfte zu finden“. Hinz rät, in den Unternehmen andere Feedback-Schleifen einzuführen und mit den Beschäftigten wertschätzender zu kommunizieren. „Weibliche Talente achten oftmals viel stärker auf Tonalität und gezeigte Empathie als männliche Kollegen.“
Die Geschäftsführerin der deutsch-schwedischen Allbright-Stiftung, Wiebke Ankersen, fordert einen „grundlegenden Kulturwandel“ in den Unternehmen. „Wenn wir mehr Frauen in Führung sehen wollen, brauchen wir mehr Männer in Elternzeit und Teilzeit, das ist eine einfache Rechnung.“ Neben flexiblen Arbeitsmodellen für alle Führungsebenen brauche es auch wirksame Mentoring-Programme und die frühe Förderung von Nachwuchs. Die Pipelines für Talente müssten mit weiblichen Führungskräften gefüllt und die Prozesse von Beförderungen transparent gemacht werden.
Aus früheren Studien ist bekannt, dass Frauen bei Beförderungen oft das Nachsehen haben. Der Grund: Loyalität zu ihrer Führungskraft und Empathie für deren Nöte, die Stelle nachzubesetzen. Ingrid Hängele, Assistant Professorin für Volkswirtschaftslehre an der LMU in München, hat herausgefunden: „Frauen ist es wichtiger als Männern, ihre Führungskraft nicht vor den Kopf zu stoßen.“
Die Allbright-Stiftung, die sich für mehr Frauen und Vielfalt in Führungs- und Leitungspositionen von Unternehmen einsetzt, beklagt in ihrem jüngsten Bericht eine Rückkehr zu „traditionellen Mustern bei der Rekrutierung des Führungspersonals“. Bei Neubesetzungen in ihren Vorständen setzten die 160 börsennotierten Unternehmen wieder stärker auf „jüngere Kopien“ bestehender Vorstandsmitglieder: „Die Neuzugänge sind deutlich häufiger männlich (80 Prozent), deutsch (72 Prozent) und Wirtschaftswissenschaftler oder Ingenieure (zusammen 82 Prozent) als in den Vorjahren.“ Das Ergebnis: Nach Jahren des Anstiegs stagniert der Frauenanteil in den Vorständen der 160 Börsengrößen und lag am 1. September 2025 mit 19,7 Prozent auf Vorjahresniveau.
Ein interessanter Randaspekt: Ausgerechnet die krisengeschüttelte deutsche Automobilindustrie hält an alten Führungsstrukturen fest. So gab es bei BMW, Mercedes, Porsche und Volkswagen sowie dem großen Zulieferer Continental im November jeweils nur die eine Frau im Vorstand, die in börsennotierten, paritätisch mitbestimmten Unternehmen gesetzlich vorgeschrieben ist.
Stiftungsvorständin Ankersen kritisiert die Auto-Konzerne scharf: „Sie alle haben sich mit rückwärtsgewandten Geschäftsmodellen in die Krise manövriert, sie alle bilden beim Frauenanteil in der Führung die Schlusslichter im Dax.“ Womöglich gibt es da einen Zusammenhang.
Dieser Artikel wurde für das Wirtschaftskompetenzzentrum von WELT und „Business Insider Deutschland“ erstellt.
Inga Michler ist Wirtschaftsreporterin bei WELT und moderiert Wirtschaftskongresse. Die promovierte Volkswirtin berichtet über ökonomische Transformation, künstliche Intelligenz, Nachhaltigkeit, Familienunternehmen und Leadership.
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